Letzte Aktualisierung: um 22:11 Uhr

Maren Wolters und Wolfram Simon-Schröter, German Airways

«Würden uns freuen, wenn Eurowings unsere Embraer E190 einsetzen würde»

Sie leiten zusammen German Airways. Maren Wolters und Wolfram Simon-Schröter sprechen im Interview unter anderem über Verhandlungen mit Deutsche Aircraft und ATR.

Im Herbst 2017 kaufte der Logistikkonzern Zeitfracht die Fluggesellschaft WDL Aviation, im Frühjahr 2019 dann auch die LGW Luftfahrtgesellschaft Walter. Beide Zeitfracht-Airlines sollten gemeinsam unter der neuen Marke German Airways abheben, doch LGW ging in der Corona-Krise pleite, nachdem Wetlease-Kunde Eurowings die Verträge gekündigt hatte. So wurde im Dezember 2020 nur WDL umbenannt in German Airways.

Geleitet wird die Fluggesellschaft heute von Maren Wolters und Wolfram Simon-Schröter. Im Doppelinterview stellen sie sich den Fragen von aeroTELEGRAPH:

Sie beide führen German Airways gemeinsam. Wer macht was?
Wolfram Simon-Schröter*: Das Kaufmännische liegt eher bei mir, das Operative bei Frau Wolters.

Frau Wolters, Sie sind 29 Jahre jung und erst seit zwei Jahren in der Luftfahrt tätig. Fehlt es Ihnen manchmal noch an Erfahrung, dafür nie an Energie? Oder ist das ein Klischee?
Maren Wolters*: Ein bisschen von beidem, aber eher ein Klischee. Bevor ich zur Zeitfracht-Gruppe kam, habe ich Wirtschaftsingenieurwesen studiert und war dann bei der Deutschen Bahn sowie einem regionalen Bahnunternehmen tätig. Das hilft, Mobilitätszusammenhänge als Ganzes zu verstehen. Bei WDL habe ich dann in der Technik angefangen und die Luftfahrt vom Hangar aus kennengelernt. Aber Erfahrung ist auch nicht alles. Noch nicht so lange dabei zu sein, hilft, andere Fragen zu stellen und andere Ansätze auszuprobieren.

Was ist Ihr neuer Ansatz?
Wolters: German Airways war vor allem ein Wet-Lease-Anbieter, doch die Corona-Krise hat uns gezwungen, neu zu denken. Nachdem wir im ersten Lockdown rund drei Monate komplett im Winterschlaf waren, haben wir beschlossen, das Chartergeschäft zumindest vorübergehend zum Hauptgeschäftszweig zu machen – etwa für Sportmannschaften.

Simon-Schröter: In der Krise muss man das eigene Geschäftsmodell hinterfragen. Das hat Frau Wolters hervorragend und beharrlich getan. Das ist ein Vorteil, wenn man nicht in dem Legacy-Denken gefangen ist. Wir empfinden es als sehr angenehm, mit einer jungen Führungskraft und einem jungen Team neue Ideen reinzubringen und am Markt umzusetzen.

Wir sind kommerziell zufrieden damit, wie es läuft

Sie fliegen Mannschaften aus der Fußball-Bundesliga. Welche Sportler noch?
Wolters: Mittlerweile haben wir auch Kunden, beispielsweise aus dem Basketball oder dem Motorsport. International war auch schon Rugby dabei.

Allerdings sind Sie nicht die Einzigen mit diesem Geschäftsmodell.
Simon-Schröter: Natürlich gibt es eine entsprechende Konkurrenzsituation, auch im Chartermarkt. Aber wir sind da mit unseren Embraer E190 gut aufgestellt. Und man muss auch spezielle Angebote für die jeweiligen Sportarten, Kunden und Mannschaften entwickeln, um sich von den Wettbewerbern abzugrenzen. Ich glaube, das ist uns bisher recht gut gelungen ist. Wir sind kommerziell zufrieden damit, wie es läuft.

Wie richten Sie das Angebot auf solche Kunden aus?
Simon-Schröter: Wenn Sportmannschaften häufiger mit uns fliegen, wissen wir beispielsweise, welche Speisen sie bevorzugen und was für Intoleranzen einzelne Sportler haben. Es geht aber auch beispielsweise um bevorzugte Sitzkonfigurationen oder den Weitertransport mit Bussen zum Teamhotel. In der Pandemiesituation gehören auch Testungen dazu.

Wolters: Es geht ums stressfreie Reisen im Gesamtpaket. Dass man die Abläufe kennt, dass alles reibungslos läuft, dass die Konzentration vor wichtigen Spielen nicht gestört wird.

Wir führen Sondierungsgespräche für Flüge Richtung Süden

Ihre Flugzeuge sind in den vergangenen Tagen beispielsweise in Köln, Oslo, Ljubljana und Braunschweig gestartet und gelandet. Da saßen aber nicht nur Sportteams drin, oder?
Wolters: Wir haben den Charterbereich stark ausgebaut, nicht nur im Sport. Wichtig sind zum Beispiel auch Unternehmen, die Personengruppen transportieren müssen.

Simon-Schröter: Und Reiseveranstalter.

Wohin bieten Veranstalter denn gerade Reisen an?
Wolters: Nach Skandinavien beispielsweise, von Deutschland aus, aber auch aus dem benachbarten Ausland. Das sind beliebte Routen. Wir führen derzeit aber auch Sondierungsgespräche für Flüge Richtung Süden.

Mit Green Airlines und Meer Express haben zwei neue virtuelle Airlines den Linienbetrieb in Deutschland aufgenommen. Wie sehen Sie solche Starts mitten in der Krise?
Simon-Schröter: Jeder, der in dieser Zeit startet, verdient höchsten Respekt. Eine Krise bietet immer auch Chancen. Und es gibt Nischen, in die man hineinkommen und die man besetzen kann.

Wir würden uns natürlich freuen, wenn Eurowings unsere Embraer E190 einsetzen würde

Wenn es diese Nischen gibt: Wird es auch von German Airways künftig Linienflüge geben?
Simon-Schröter: Das ist aktuell nicht geplant.

Warum nicht? Gibt es mit ihren 100-sitzigen Fliegern nicht Potenzial, sich einen Teil vom Markt zu schnappen? Der kleinste Flieger Ihres ehemaligen Wet-Lease-Partners Eurowings ist mittlerweile ein Airbus A319 mit 144 Plätzen.
Simon-Schröter: Wir setzen eher auf Partnerschaften mit den etablierten Linienbetreibern. Und wir würden uns natürlich freuen, wenn Eurowings unsere Embraer E190 einsetzen würde. Für uns ist ein Einstieg ins Streckengeschäft kommerziell nicht interessant und wir wollen unseren Kunden keine Konkurrenz machen.

Sehen Sie die Chance, dass ein großer Wet-Lease-Kunde wie Eurowings wieder bei Ihnen anklopft, wenn die Branche sich erholt?
Simon-Schröter: Ja, das hoffen wir. Deshalb kommen wir jeden Tag zur Arbeit. Wir glauben, dass wir mit unserem Flugzeugtyp eine gute Rolle spielen können, wenn der Reiseverkehr wieder hochfährt und die etablierten Carrier sich mit Zusatzkapazitäten eindecken, selbst wenn es vielleicht nur kurzzeitig so sein wird.

Der Markt ist hart umkämpft. Auch Mesa Airlines aus den USA drängt nach Europa.
Wolters: In den USA ist schon wieder mehr Bewegung im Markt. Hier in Europa müssen wir schauen, wie sich der Impffortschritt entwickelt. Und dann muss man in der Lage sein, sich sehr schnell und flexibel auf neue Situationen einzustellen. Das werden wir.

Schwarze Zahlen. Deutlich schwarze Zahlen

In Deutschland sind die Arbeitskosten relativ hoch. Ist das ein Nachteil in diesem Wettbewerb?
Simon-Schröter: Die Frage stellt sich für uns gar nicht. Wir sind in Deutschland ansässig und tätig, haben deutsche Mitarbeitende, deutsche Löhne und keine Pläne zur Auswanderung.

Wie lief das erste Quartal 2021 verglichen mit dem ersten Quartal 2020?
Simon-Schröter: Im ersten Quartal 2020 hatten wir noch einen großen Auftrag aus Nordeuropa. Da dieser wegfiel, fliegen wir aktuell weniger, aber nicht unbedingt weniger erfolgreich, was die Geschäftsergebnisse angeht. Wir haben ein erfolgreiches erstes Quartal 2021 hinter uns gebracht. Natürlich ist aber auch unsere Kostenstruktur jetzt eine andere als vor der Pandemie.

Wie war das Geschäftsergebnis 2020?
Simon-Schröter: Zufriedenstellend.

Schwarze Zahlen, rote Zahlen?
Simon-Schröter: Schwarze Zahlen. Deutlich schwarze Zahlen. Bei jedem Zeitfracht-Unternehmen, auch bei German Airways.

German Airways und Deutsche Aircraft, das passt doch

Derzeit haben Sie fünf Embraer E190. Wir sind Ihre Flottenpläne? Bauen Sie aus?
Simon-Schröter: Erstmal müssen wir schauen, wie sich die Pandemie entwickelt und welche Flugzeuge und Kapazitäten nachgefragt werden. Aber es scheint ja eine Renaissance der Turbopropmaschinen zu geben. Wir sprechen schon mit zwei Turboprop-Herstellern drüber, ob wir eventuell ab 2023 Regionalflugzeuge von ihnen einsetzen könnten.

Der eine der beiden Hersteller dürfte ATR sein. De Haviland, deren Dash 8 Sie früher bei LGW geflogen sind, pausiert dagegen die Produktion. Welcher ist also der andere Hersteller?
Simon-Schröter: Wir heißen ja German Airways … (lacht)

Ah, Sie interessieren sich für die D328 Eco vom Hersteller Deutsche Aircraft.
Simon-Schröter: German Airways und Deutsche Aircraft, das passt doch. Und ATR ist automatisch als erfolgreicher Kandidat gesetzt, wenn wir über Turboprops sprechen.

Von welcher Flottengröße sprechen wir da?
Simon-Schröter: Von einer Turboprop-Teilflotte von fünf bis sieben Flugzeugen.

Wir haben verschiedene Optionen, eine zweite Basis in Deutschland aufzubauen

Wie viele Mitarbeitende haben Sie derzeit?
Wolters: Wir haben 120 Mitarbeitende, davon sind etwa 70 fliegendes Personal.

Man hört, teilweise hätte das Luftfahrtpersonal in der Corona-Krise auch in Buchhandelslogistik der Zeitfracht-Gruppe ausgeholfen.
Simon-Schröter: Ja. In den Hochzeiten zu Ostern, zu Weihnachten und zur Novitäten-Saison wird jede helfende Hand gebraucht. Und da der Flugverkehr zu diesen Zeiten im Jahr 2020 gering war, haben wir den Mitarbeitenden von German Airways das Angebot gemacht, die Kollegen aus der Logistik zu unterstützen. Und das haben auch fast alle gern gemacht, weil es vor allem auch den Zusammenhalt der Mitarbeitenden in der Krise zu den anderen Sparten stärkt.

Zur Zeitfracht-Gruppe gehörte auch die mittlerweile insolvente LGW als zweite Fluggesellschaft. Haben die ehemaligen Kollegen von LGW gute Chancen auf eine Rückkehr, wenn Sie neue Turboprops anschaffen.
Simon-Schröter: Bei uns kann sich jeder bewerben. Es wird halt ein anderes Flugzeugmuster sein als die Dash 8, mit der LGW geflogen ist. Aber wenn jemand das Auswahlverfahren erfolgreich durchläuft und gut ist – herzlich gern.

Sie sitzen in Köln, die Flugzeuge sind dort stationiert. Ist eine zweite Basis eine Option, wenn Sie weitere Flieger erhalten?
Simon-Schröter: Grundsätzlich ja. Wir haben verschiedene Optionen, eine zweite Basis in Deutschland für unsere Flugzeuge aufzubauen.

Wolters: Natürlich bringt es für uns nichts, an einen riesigen Flughafen zu gehen. Wir wollen in der Nische relevant sein. Konkrete Namen werden wir aber noch nicht nennen.

Wir werden in den nächsten Monaten mit einigen Konzepten überraschen

Flughäfen sollen künftig noch stärker Drehkreuze für verschiedene Verkehrsmittel werden, mit besseren Bahnanbindungen und eines Tages vielleicht mit Lufttaxis als lokalen Zubringern. Das muss doch interessant sein für Zeitfracht als Logistikkonzern mit eigener Airline.
Simon-Schröter: Selbstverständlich sehen wir da eine gewisse intermodale Kompetenz und sagen auch: Man muss bei den bestehenden Infrastrukturen nachdenken, wie man sie effektiver und effizienter nutzt. Und sich fragen, ob sie überhaupt in der derzeitigen Form sinnvoll sind für die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoff, Nahrungsmitteln oder Hygieneartikeln. Denn die Warenströme sind ja deutlich gewachsen. Dem muss auch Zeitfracht Rechnung tragen.

Was planen Sie?
Simon-Schröter: Wir schauen schon sehr genau, an welchem der Standorte wir beispielsweise eine Verbindung von terrestrischer Logistik zu Fluglogistik herstellen können. Das könnten etwa Frachtflüge sein, aber auch die Anbindung an die Bahn. Da werden wir in den nächsten Monaten mit einigen Konzepten überraschen.

Also planen Sie an einem deutschen Flughafen etwas, was auch für Sie neues Geschäft ist?
Simon-Schröter: Ja.

Wo? Und was?
Simon-Schröter: Nicht in Köln. Mehr Details werde ich leider noch nicht verraten.

Wenn wir eine Turboprop-Teilflotte aufbauen, werden da auch einige Frachter dabei sein

Fliegen Sie gerade eigentlich auch Fracht?
Simon-Schröter: Ja, und zwar sowohl im Frachtraum als auch in der Kabine mit Netzen.

Ist das vor allem Pandemie-Bedarf wie zum Beispiel Masken, oder sind das auch andere Dinge?
Simon-Schröter: Es ist eigentlich alles dabei, was schnell von A nach B muss. Beispielsweise Ersatzteile für große Produktionsmaschinen. Wir sind da nicht wählerisch.

Welchen Anteil macht Cargo gerade aus an ihren Flügen?
Simon-Schröter: Derzeit rund ein Viertel. Dieser Anteil wird nach der Krise wieder sinken. Aber wenn wir eine Turboprop-Teilflotte aufbauen, werden da auch einige Frachter dabei sein.

* Wolfram Simon-Schröter (40) ist Geschäftsführer von German Airways sowie Finanzchef der Zeitfracht-Gruppe, zu der die Fluggesellschaft gehört. Seine Ehefrau Jasmin Schröter ist Zeitfracht-Eigentümerin. Maren Wolters (29) kam 2019 als Aircraft and Procurement Manager zu German Airways, seit März 2020 ist sie Geschäftsführerin der Zeitfracht Aircraft GmbH und damit verantwortlich für das Management der Flugzeugflotte. Zum 1. Juni 2020 wurde Wolters Geschäftsführerin der German Airways und leitet sie zusammen mit Wolfram Simon-Schröter.