Letzte Aktualisierung: um 21:45 Uhr

Interview mit Avianca-Chef Hernan Rincon

«Wir reden mit Lufthansa über ein Joint Venture»

Avianca-Chef Hernán Rincón spricht im Interview über den historischen Pilotenstreik, seine Pläne in Deutschland und der Schweiz und den Airbus A321 LR.

Avianca hat Geschichte geschrieben. Aber darauf hätten Sie wohl lieber verzichtet. Sie haben den längsten Pilotenstreik der Luftfahrtgeschichte hinter sich. 52 Tage haben die Piloten gestreikt.
Hernán Rincón: Die Pilotengewerkschaft ist schon sehr alt, fast 60 Jahre. Und unser Unternehmen war immer sehr großzügig, vielleicht zu großzügig. Und das hat dazu geführt, dass die Gewerkschaft ihre Prioritäten verschob. Ihre Ziele sind nicht mehr ökonomisch, sondern politisch motiviert. Letztes Jahr haben Sie viel verlangt, sie wollten mehr Geld, mehr Zusatzleistungen. Wir haben ihnen etwa zwanzig verschiedene  Angebote gemacht und sie haben jedes einzelne abgelehnt. Sie haben den Verhandlungstisch verlassen, lange bevor sie das eigentlich durften. Und als sie dann für den Streik stimmten, haben gar nicht alle Mitglieder abgestimmt. Das widerspricht dem kolumbianischen Arbeitsrecht.

Also haben Sie sie vor Gericht gezerrt.
Erst haben wir versucht, sie zur Rückkehr zu bewegen. Ich habe die Piloten drei Mal gebeten, zurückzukommen. Ich habe ihnen sogar angeboten auf Sanktionen zu verzichten.

Was meinen Sie mit Sanktionen?
Ich habe ihnen gesagt: Wenn ihr bis Samstag um Mitternacht zurückkommt, wird das keine disziplinarischen Folgen haben. Aber das wollten sie nicht. Also sind wir vor Gericht gegangen. Und der Oberste Gerichtshof gab uns Recht und wir hatten das Recht, die Anführer zu feuern.

Was hat Sie das gekostet?
Um die 200 Millionen Dollar, sowohl direkt als auch indirekt. Aber unsere Resultate im ersten Quartal waren stark. Sie wären allerdings noch stärker gewesen, wenn wir alle Piloten zur Verfügung gehabt hätten.

Das muss doch zu Kapazitätsproblemen geführt haben.
Wir haben angefangen, größere Flugzeuge zu fliegen – mit den Piloten, die wir hatten. Und das hat uns ermöglicht, die Kapazität möglichst hoch zu halten. Aber ja, wir sind immer noch nicht wieder bei der vollen Kapazität angekommen. Wir haben immer noch Flugzeuge am Boden.

Wir gehen davon aus, dass wir im vierten Quartal wieder mit voller Kapazität fliegen.

Wie viele? Wann gehen Sie davon aus, dass sich die Situation normalisiert hat?
Wir gehen davon aus, dass wir im vierten Quartal dieses Jahres wieder mit voller Kapazität fliegen. Wenn Sie 120 Piloten feuern, dauert es halt eine Weile, bis man darüber hinweg kommt.

Viele Ihrer Konkurrenten klagen über Pilotenmangel – ist das bei Ihnen nicht ein besonders großes Problem, wenn Sie so viele Piloten feuern?
Das Problem ist nicht, dass es nicht genug Piloten gibt. Wir hatten um die 2000 Bewerbungen. Aber die meisten Piloten kommen als Kopiloten zu uns. Sie sind jünger und haben noch nicht so viele Flugstunden gesammelt. Und das Training, um in unseren Betrieb einzusteigen, dauert sechs Monate. Damit müssen wir im Moment umgehen.  

Zur gleichen Zeit, zu der Sie mit dem Streik zu kämpfen hatten, haben Sie versucht, ein Joint Venture mit United Airlines für Strecken in die USA zu starten. Wie läuft es da?
Es läuft sehr gut. Wir sind überzeugt, dass das für die Fluggesellschaft und die Passagiere das richtige ist. United und Avianca werden a Ende eine Airline sein – mit einem gemeinsamen Netzwerk, von dem alle Reisenden profitieren.

Und die Marken?
Die Airlines werden natürlich unabhängig voneinander geführt. Aber für die Passagiere wird es ein nahtloses Erlebnis, wenn sie zum Beispiel von Lima in Peru nach Dayton in den USA fliegen wollen.

Also – wann ist es soweit?
Wir sind fast fertig. Wir haben im Grunde alle geschäftlichen Verhandlungen abgeschlossen. Jetzt sind unsere Anwälte dabei, die letzten Abklärungen zu treffen. Wenn das abgeschlossen ist und die Aufsichtsbehörden in allen Ländern, in denen wir aktiv sind, zugestimmt haben, dann ist alles fertig.

Nochmal: Gibt es dafür einen Zeitrahmen?
Wir werden sehr bald soweit sein.

Und «sehr bald» können Sie nicht definieren?
Jetzt gerade ist das alles, was ich sagen kann.

Können Sie sich vorstellen, ein ähnliches Joint Venture auch in Europa zu starten?
Ja! Unser Ziel Nummer eins sind die USA, die Nummer zwei ist Europa. Wir glauben, dass wir da dasselbe machen können. Wir sind mit einem Vorschlag auf Lufthansa zugegangen und führen jetzt Gespräche. Es gibt noch kein Abkommen und die Diskussionen befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. Aber das Ganze macht sehr viel Sinn.

München ist ein wunderschöner Flughafen.

Und warum Lufthansa?
Sie sind auch in der Star Alliance, also ist viel von der Infrastruktur schon da. Es hat Sinn gemacht, als erstes auf sie zuzugehen.

Sie fliegen ab November nach Deutschland. Nach dem Vereinigten Königreich und Spanien wird es das dritte europäische Land. Warum haben Sie sich als erstes Ziel hier den Flughafen München ausgesucht?
Es ist ein wunderschöner Flughafen und es ist ein toller Anschlussflughafen. Wir hatten vor allem auch eine Lücke in Mitteleuropa und München scheint da ein guter Ort, um anzusetzen.

Und warum nicht Frankfurt?
Der Flughafen wird schon von Lufthansa, unserem Star-Alliance-Partner, bedient.

Gibt es noch andere Destinationen in Europa, die Sie interessieren?
Zürich ist für uns sehr interessant – genauso wie Rom und Paris. Wir kündigen jetzt noch nichts definitiv an, aber wir denken sehr intensiv darüber nach.

Warum Zürich? Ist der Flughafen nicht sehr teuer?
Ja, er ist teuer. Aber es gibt viel Handel zwischen den beiden Ländern und daher auch eine große Nachfrage.

In Lateinamerika haben Sie gerade mit Problemen zu kämpfen gehabt, die LKW-Fahrer streikten, was zu einem Kerosinmangel führte.
Das ist inzwischen gelöst und alles ist wieder normal. Jetzt schauen wir in Brasilien auf die Präsidentschaftswahlen.

Bereiten die Ihnen Sorgen?
Ich würde nicht sagen, dass wir besorgt sind, eher erwartungsvoll.

Sie haben in Brasilien auch eine Tochter Avianca Brazil. Warum ist die noch nicht in die Holding integriert?
Sie wird integriert, es ist einfach eine Frage der Zeit. Es ist ganz klar, dass wir eine starke panamerikanische Airline werden wollen und Brasilien muss Teil davon sein. Wir haben aus Effizienzgründen entschieden, die Airline dort erst einmal unabhängig aufzubauen. Aber jetzt ist sie stark und hat einen großen Marktanteil

Also: Wann wird sie integriert?
Bald.

Langsam müssen Sie wirklich definieren, was in Ihren Augen «bald» heißt.
In diesem Fall, sobald die ökonomischen Rahmenbedingungen das ermöglichen. Und die werden von den Wahlen im Oktober bestimmt. Dann werden wir sehen, wann Avianca Brazil integriert wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Sie modernisieren und erweitern gerade Ihre Flotte mit neuen Flugzeugen – wie dem Airbus A320 Neo. Haben Sie auch Probleme wegen der verspäteten Triebwerke?
Es ist eine Herausforderung – bei den Dreamlinern von Boeing übrigens auch. Jeder in der Branche hat gerade damit zu kämpfen.

Der A321 LR ist eine Option.

Also gibt es Verspätungen bei den Auslieferungen?
Es gibt etwas Verspätungen und das ist eine Herausforderung, wir mussten unseren Zeitplan anpassen. Wir wollen eine sehr junge Flotte haben. Das Durchschnittsalter ist derzeit 6,8 Jahre. Und um die Flotte jung zu halten, wollen wir eigentlich alte Flieger in Rente schicken und mit neuen ersetzen. Aber weil die Nachfrage so groß ist, mussten wir nun entscheiden, alte Flieger zu modernisieren – innen und außen. Es gibt etwa ein Dutzend Airbus A318 mit neuer Kabine, neuen Sitzen, neuem Unterhaltungssystem, neuer Beleuchtung. Unser Plan ist, diese älteren Flieger auf Inlands- und Regionalstrecken zu nutzen und die Neos auf internationalen Routen.

Auf der Langstrecke fliegen Sie mit Airbus A330 und Boeing 787 Dreamlinern. Ist der Mix für Sie gut so?
Wir haben gerade genug Flugzeuge, etwa ein Dutzend je Modell. Das ist in etwa die kritische Masse. Wir wollten eigentlich ganz zur 787 wechseln. Aber wir sind so schnell gewachsen, dass wir die A330 behalten mussten. Auch hier ist der Plan: Wir nutzen die Boeing 787 auf Interkontinentalstrecken und die Airbus A330 in Lateinamerika.  

Sie fliegen schon jetzt mit Mittelstreckenfliegern ziemlich weit, bis zu fünf Stunden. Haben Sie Interesse an Airbus’ neuem A321 LR?
Der A321 LR ist tatsächlich eine Option, die wir für Flüge wie die von Bogota nach Washington in Erwägung ziehen.

Und Boeings neuen NMA-Jet?
Wir würden ihn uns ansehen, aber wir wissen noch nicht genug. Wenn Boeing bereit ist, darüber zu reden, sind wir es auch.