Letzte Aktualisierung: um 22:47 Uhr

Kein Kernbereich mehr

Zeitfracht arbeitet an Rückzug aus Luftfahrt

Seit 2017 expandierte Zeitfracht rasant in der Luftfahrt. Still und leise hat die Berliner Logistikfirma den Rückzug eingeleitet. Ein Hoffnungsschimmer bleibt aber.

Wer die Webseite von Zeitfracht besucht, bekommt ein Video zu sehen. Der kurze Film zeigt die Mitarbeiter des Berliner Unternehmens bei der Arbeit in Lagerhallen, in Lastwagen, auf Schiffen. Bis vor wenigen Tagen waren auch Flugbegleiterinnen und Piloten zu sehen – bei der Arbeit in den Fliegern der Zeitfracht-Airlines WDL Aviation und LGW. Jetzt sind sie aus dem Imagefilm herausgeschnitten worden.

Auch bei der Übersicht der Geschäftsbereiche hat Zeitfracht still und leise gekürzt. Statt zuvor sechs sind nur noch fünf Divisionen zu finden – die Luftfahrt wurde entfernt. Der Rückzug aus der Branche scheint bei Zeitfracht in vollem Gange zu sein.

Kauf von WDL als Startschuss

Ein Sprecher will das so nicht bestätigen. Er sagt aber: «Ein so breit aufgestelltes Unternehmen wie die Zeitfracht-Gruppe muss immer alle Optionen im Blick haben und die beste Lösung für sie erarbeiten». Dabei ging es in den letzten zweieinhalb Jahren in die entgegengesetzte Richtung.

Zeitfracht startete damals eine rasche Expansion in der Luftfahrt. Im Jahr 2017 reichte das Geschäft auf der Straße dem traditionsreichen Berliner Logistikunternehmen nicht mehr. Es kaufte die Kölner Charterfluggesellschaft WDL Aviation und diversifizierte so.

Verwirrung um Technik-Übernahme

Im selben Jahr kaufte Zeitfracht auch die ehemalige Air-Berlin-Tochter Leisure Cargo, einen Frachtvermittler. Berichten, dass die Logistikfirma damals zusammen mit der Wartungsfirma Nayak auch Air Berlin Technik übernahm, widerspricht Nayak nun auf Anfrage von aeroTELEGRAPH. Zeitfracht sei damals aus den Verhandlungen ausgestiegen.

In Berlin hatte man das anders dargestellt. Im Gespräch mit aeroTELEGRAPH dementierte der damalige Zeitfracht-Chef Wolfram Simon eine Beteiligung nicht, als er gefragt wurde, was er mit allen Air-Berlin-Teilen und dabei auch der Technik vorhabe. Er erklärte lediglich: «Sich bei Air Berlin auf das Mögliche und Machbare zu konzentrieren, war angemessen und hat sehr gut geklappt.»

Zeitfracht schafft German Airways

Anfang 2019 beteiligte sich Zeitfracht an der rumänischen Fluggesellschaft Blue Air. «Mit dem Einstieg sind wir beim Ausbau unserer Aktivitäten im Luftfahrtbereich einen großen Schritt vorangekommen», kommentierte Simon damals. «Unsere Strategie geht auf – wir sind auf Wachstumskurs.»

In Deutschland tätigte Zeitfracht einen weiteren wichtigen Zukauf: Sie übernahm die Luftfahrtgesellschaft Walter LGW von der Lufthansa-Gruppe. Die De Havilland Canada Dash 8 von LGW flogen fortan im Wet-Lease für Eurowings. Und im Herbst 2019 verpasste Zeitfracht ihren beiden Airlines WDL und LGW schließlich die Dachmarke German Airways. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Zeitfracht am deutschen Luftfahrtmarkt langsam etabliert.

Rückzug aus Rumänien

Doch nicht alles lief so gut, wie es den Anschein machte. Leisure Cargo ging im Sommer 2019 in die Insolvenz und wurde im Herbst liquidiert. Ende des Jahres entschieden sich die Berliner zudem, sich wieder aus Rumänien zurückzuziehen. Zeitfracht hat ihren 10-prozentigen Anteil an Blue Air verkauft, wie das rumänische Portal Profit kürzlich aufgedeckt hat.

Blue Air bestätigt dies und macht deutlich, dass die Entscheidung nicht erst in der Corona-Krise fiel. Beide Seiten hätten schon Ende 2019 beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Zeitfracht habe sich auf das Wet-Lease- und Fracht-Geschäft konzentrieren wollen.

LGW überlebt Corona nicht

Die Corona-Krise traf Zeitfrachts Luftfahrtsparte trotz Fokussierung hart. Eurowings kündigte den Wet-Lease-Vertrag mit LGW, woraufhin diese im April in die Insolvenz in Eigenverwaltung ging. Die Suche nach neuen Aufträgen blieb erfolglos. Nun steht die fast 40 Jahre alte Fluglinie vor der Liquidierung.

Zeitfracht bleiben somit noch zwei Standbeine in der Luftfahrt. Zum einen hat sie im März 2020 die Pilotenschule TFC-Käufer in Essen übernommen. Damit wollte das Unternehmen eigentlich die «Kompetenz für die Piloten unserer Flugbetriebe nachhaltig sichern». Doch wegen die Corona-Krise und dem Ende von LGW beschäftigt die Gruppe bald weniger Piloten. «Die Pilotenschule bildet weiter Schüler aus», sagt der Zeitfracht-Sprecher.

Schwerer Schlag für WDL

Zeitfrachts anderes Luftfahrt-Standbein ist die Fluglinie, mit der alles anfing: WDL Aviation. Das Aus des schwedischen Wet-Lease-Kunden Braathens war ein schwerer Schlag für sie. Noch hält sich die Fluggesellschaft mit ihrer Embraer-E190-Flotte im Markt. Doch ihre Aussichten waren auch schon besser.

Allerdings gibt es bei WDL, die nach dem Aus von LGW nun alleine German Airways bildet, tatsächlich ein kleines Lebenszeichen. Eines ihrer Flugzeuge ist seit rund einer Woche im Charterbetrieb für Fußball-Bundesliga-Clubs unterwegs. Der Jet mit dem Kennzeichen D-AZFA flog zuerst das Team von Union Berlin zum Auswärtsspiel nach Köln und zurück. Dann brachte man Fortuna Düsseldorf nach Leipzig und zurück.

Charterflieger für Bundesliga-Vereine

Zeitfracht scheint viel Hoffnung ins Fußball-Chartergeschäft zu setzen. So meldete das Unternehmen im Mai beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wort-Bildmarke Liga Flieger an. Das Logo zeigt einen Fußballspieler beim Schuss und über ihm ein Flugzeug. «German Airways positioniert sich als Charterflieger für verschiedene Bundesliga-Vereine», erklärt der Sprecher.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie Zeitfrachts Kurswechsel in der Luftfahrt.