Ein Regionalflugzeug von Brasilien nach Australien zu bringen, ist keine einfache Aufgabe. Das zeigt die Auslieferung der ersten Embraer E190-E2 an Virgin Australia. Das Flugzeug musste einen ziemlichen Umweg fliegen, um nach Perth zu gelangen.
Kürzlich hat Virgin Australia ihre erste Embraer E190-E2 erhalten. Das Flugzeug mit dem Kennzeichen VH-E2A wird künftig vor allem auf Inlandsstrecken in Westaustralien zum Einsatz kommen. Dagegen war die Auslieferung der Maschine sehr international.
Die E190-E2 startete am 3. September bei Embraer im brasilianischen São José dos Campos. Von dort flog sie nordwestlich über Südamerika bis nach Willemstad auf Curaçao. Nächster Stopp war Brownsville im Bundesstaat Texas in den USA. Von dort ging es nach Ontario in Kalifornien und weiter nach Hawaii.
Es folgt das mit rund sechseinhalb Stunden Flugzeit längste Teilstück mit dem Flug zum Flughafen Nadi auf der Fidji-Hauptinsel Viti Levu. Am 6. September kam das Flugzeug schließlich in Australien an, in Canberra an der Ostküste. Am 8. September flog es von dort am 8. September weiter nach Perth an der Westküste.
Das längste Teilstück von Hawaii nach Fidschi
Virgin sprach von einer «epischen Reise von 25.000 Kilometern» von São José dos Campos nach Perth. Zu Einordnung: Der Erdumfang beträgt etwas mehr als 40.000 Kilometer. Da drängt sich die Frage auf: Warum wählte die Fluggesellschaft diese lange Route, die so weit nach Norden ging? Wer auf eine Karte oder einen Globus schaut, sieht, dass eine Strecke über Santiago de Chile, die Osterinsel, Tahiti und Fidji deutlich kürzer ist.
Auch ist das längste Teilstück der tatsächlich geflogenen Route von Kailua-Kona auf Hawaii nach Nadi auf Fidschi mit 5059 Kilometern Entfernung länger als es die Flüge von Santiago zur Osterinsel (3758 Kilometer) und von der Osterinsel nach Tahiti (4254 Kilometer) sind.
Den Unterschied machen allerdings die möglichen Ausweichflughäfen. Denn die internationalen Betriebsregeln namens Etops (Extended-range Twin-engine Operational Performance Standards) legen fest, wie weit zweimotorige Verkehrsflugzeuge von einem geeigneten Ausweichflughafen entfernt fliegen dürfen. Die Embraer E190-E2 hat Etops 120, sie darf also bis zu 120 Minuten von einem geeigneten Ausweichflughafen entfernt sein.
Die Lage möglicher Ausweichflughäfen lässt einen Flug von Kailua-Kona nach Nadi mit Etops 120 zu. Von Santiago zur Osterinsel und von dort nach Tahiti ist Etops 120 dagegen jeweils nicht ausreichend, da es an Ausweichflughäfen fehlt, wie die Webseite The Great Circle Mapper zeigt.
Was die reine Entfernung von Start zum Ziel angeht, also von São José dos Campos nach Perth, wäre sogar eine Flugroute nach Osten statt nach Westen kürzer mit rund 13.600 Kilometern Luftlinie. Aber diese Routenführung - etwa mit Stopp in Kapstadt - übersteigt nicht nur die Etops-Zulassung der Embraer E190-E2, sondern auch die Reichweite des Regionalflugzeugs.
Und so erklärt sich die 25.000 Kilometer lange Auslieferung. Virgin Australia erwartet noch weitere sieben Embraer E190-E2, die ähnlich lange unterwegs sein dürften wie die VH-E2A.
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