Letzte Aktualisierung: um 11:05 Uhr

Studie von Luftfahrtversicherung

Flugzeuge werden sicherer, aber anfälliger für Schäden

Für Passagiere ist Fliegen so sicher wie nie zuvor. Dennoch steigen die Kosten von Schäden. Das hat einen paradoxen Grund

Vor Operationen gehen manche Chirurgen heutzutage Checklisten durch. Abgeschaut haben sie sich das aus Flugzeugcockpits. Piloten überprüfen etwa mit ihrer Before-Take-off-Checklist kurz vor dem Start Instrumente und Einstellungen. Auch andere Branchen nehmen die Luftfahrt oft zum Vorbild – wegen ihrer Sicherheitskultur.

Obwohl Jahr für Jahr die Zahl der Passagiere weltweit ansteigt, nimmt die Häufigkeit der tödlichen Vorfälle in der Tendenz ab. Trotzdem müssen Versicherungen in der Luftfahrt für Schäden immer mehr hinblättern, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Industrie- und Luftfahrtversicherung Allianz Global Corporate & Specialty.

Abstürze und Kollisionen verursachten meiste Schäden

Das Unternehmen analysierte mehr als 50.000 Schadensfälle, die sich in der Luftfahrt zwischen den Jahren 2013 und 2018 ereignet haben. Der Gesamtwert beträgt annähernd 15 Milliarden Euro. Die tödlichen Vorfälle nahmen dabei zwar ab, die Materialschäden aber zu. Mit 57 Prozent entfällt mehr als die Hälfte der Schadenskosten auf Abstürze, Bodenkollisionen, Vogelschläge oder Überschießen der Piste.

Als zweithäufigste Ursache nennt die Versicherung Fehler bei Produktion oder Wartung, danach folgen Triebwerksausfälle. Dass die Materialschäden zunehmen, liegt paradoxerweise ausgerechnet am technischen Fortschritt: Weil Flugzeuge und Triebwerke immer komplexer werden, wird bei ihnen die Behebung von Schäden zunehmend teuerer.

Reparaturaufwand ist gestiegen

Als Beispiel führt die Studie die Reparatur von leichten Verbundwerkstoffen wie Karbon an. Diese reduzieren zwar das Gewicht von Flugzeugrümpfen oder Flügeln, doch Reparaturen sind im Gegensatz zu Aluminium deutlich aufwendiger. Die Allianz befürchtet aber auch, dass die steigende Komplexität von Verkehrsflugzeugen auch zu häufigeren Flugverboten führen wird – wie etwa aktuell bei der Boeing 737 Max.

Bei den Abstürzen in Indonesien und Äthopien kamen insgesamt 346 Menschen ums Leben. Als Absturzursache wurde ein Fehler im Flugsteuerungssystem MCAS ausgemacht. Dieses ist als Sicherheitsfunktion gedacht, um einen aerodynamischen Effekt der neuen und größeren Triebwerke auszugleichen. Aufgrund falsch arbeitender Sensoren lenkte das System jedoch Im Fall beider Abstürze die Flugzeuge in einen Sturzflug.

Mehr Flugverbote absehbar

Für Boeing haben die Abstürze nicht nur Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Todesopfer zur Folge. Weil viele Boeing-Kunden mehr als 150 ihrer Boeing 737 Max wegen des weltweit geltenden Groundings seit Monaten am Boden stehen lassen müssen, muss der Flugzeugbauer auch hier Kompensationsansprüche erwarten. Wie die Zeitung Welt schreibt, hat die AGCS für die  durch die 737 Max verursachten Schäden bisher 70 Millionen Euro zurückgelegt und rechnet sogar mit Ansprüchen bis zu 150 Millionen Euro.

Wann Boeing die Wiederzulassung für den Typen erlangt, ist noch immer ungewiss. «Solche Vorfälle verdeutlichen, wie schwierig es mitunter ist, technische Lösungen für komplexe Probleme zu finden», sagt Till Kürschner, bei AGCS Leiter für Luftfahrtschäden für Zentral- und Osteuropa.