Letzte Aktualisierung: um 15:19 Uhr

SAF und Co.

Die Klimabemühungen der Luftfahrtbranche und ihre Tücken

Netto Null bis 2050 - das ist das Ziel der Luftfahrtbranche. Doch alle Lösungen, die dabei helfen sollen, haben auch Schattenseiten.

Die Branche steht unter Druck. Nicht nur muss sie sich von der Covid-Pandemie, dem größten Schock in der Geschichte der Zivilluftfahrt, erholen. Es ist den Entscheidungsträgern der Industrie inzwischen auch mehrheitlich bewusst geworden, dass die Klimaerwärmung ein Problem darstellt und die Fliegerei Lösungen anbieten muss.

Und immerhin ist auch einiges geschehen – auch wenn es keinen Königsweg gibt. Dazu sind Flugphysik und Atmosphärenwissenschaft viel zu komplex. Und selbst die von Airlines favorisierte Lösung – nachhaltige Treibstoffe – hat ihre Tücken. Ein Überblick.

Nachhaltiger Treibstoff

In Nachhaltigen Flugzeugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, Saf) setzt der Airline-Dachverband Iata die größten Hoffnungen, was das Erreichen des Emissionszieles «Netto Null» angeht. «Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 etwa 65 Prozent der Kohlenstoffemissionen durch den Einsatz von Saf vermieden werden kann», sagte Iata-Manager Hermant Misty kürzlich bei einer Medienkonferenz. Doch es drängt sich hier die Frage auf, wie nachhaltig die Treibstoffe wirklich sind. SAF bindet zwar bei der Herstellung seiner Grundstoffe, Beispiel Algenzuchten, eine Menge CO2. Doch bei der Verbrennung wird dieses wieder freigesetzt.

Das Problem: Es wird mehrheitlich in großen Höhen ausgestoßen und nicht am Boden. Damit trägt es zur Klimaerwärmung bei. Überdies verursacht Saf klimaschädliche Kondensstreifen. Die Wasserdampf-Fahnen haben einen noch größeren Treibhauseffekt als CO2. Ein kleiner Trost: Forschende des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der NASA hätten herausgefunden, dass der durch Saf verursachte Wasserdampf weniger schädlich sei, weil die Zahl der Eiskristalle in den Saf-Kondensstreifen halb so groß ist.

Teurer als anderes Kerosin

Es ist also immer noch deutlich besser als konventionelles Kerosin. Bereits eine 50-prozentige Mischung von Saf und konventionellem Treibstoff führe zu einer 20- bis 30-prozentigen positiven Klimawirkung, schreibt DLR auf seiner Website. Der praktische Vorteil des nachhaltigen Treibstoffs ist, dass er herkömmlichem Treibstoff beigemischt werden kann und somit die bisherige Logistik inkl. Befüllung verwendet werden kann. Gut 70 Firmen produzieren heute weltweit Saf. Er macht aber nur 1 Promille des aktuell verbrauchten Flugtreibstoffes aus, weil noch nicht genug Firmen in großen Mengen Saf produzieren. Bis 2025, so hofft die Branche, soll der Anteil auf zwei Prozent steigen.

Auf einem anderen Blatt stehen die Kosten. Der Preis war bis vor kurzem doppelt so teuer wie herkömmliches Flugpetrol, wobei er wegen der Krisenempfindlichkeit des Erdölpreises zwischenzeitlich relativ günstiger wurde.

CO2-Kompensation

Die Iata sieht CO2-Kompensationsmodelle als ein wichtiges Instrument der Energiewende. In Anbetracht der Herausforderungen bei der CO2-Reduzierung in der Luftfahrt sei die eine erste Stufe, bis bessere Lösungen zur Dekarbonisierung der Luftfahrt ausgereift seien. Mit Kompensationszahlungen werden Emissonsminderungen an einem anderen Ort auf dem Erdball finanziert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, CO2-Reduktionen zu erzielen, die als Ausgleich verwendet werden können.

Beispiele sind der Ersatz von Dieselgeneratoren durch Fotovoltaik, sauberen Kochtechnologien, Methanabscheidung, Forstwirtschaft und andere emissionsmindernde oder -vermeidende Projekte. Die Flugbranche drängte schon seit einigen Jahren auf ein globales standardisiertes Kompensationsmodell. Das Projekt «Corsia» (Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation) befindet sich in der Versuchs- und Einführungsphase und steht unter dem Patronat der UN-Luftfahrtorganisation Icao.

Test ab kommendem Jahr

Es besteht der Plan, sämtliche Fluggesellschaften der Welt in dieses Projekt einzubinden. Ab kommendem Jahr läuft ein Test mit USA und Kanada, Australien, Japan, Indonesien, Südkorea, allen europäischen und einigen afrikanischen Staaten. Ab 2027 sollen China, Russland und Brasilien eingebunden werden.

Auch die CO2-Kompensation hat ihre Tücken. Denn es sollten eigentlich nur Projekte finanziert werden, die nicht sowieso verwirklicht würden. Aufforstungen sind zwar öffentlichkeitswirksam, aber sie erfüllten ihren Zweck kaum, heißt es beim WWF. «Mit ihrem Flug erzeugen Sie Emissionen, die bis zu 1000 Jahre in der Atmosphäre bleiben. Sie kompensieren das mit einem Baumprojekt, wo die Permanenz nur für 30 Jahre garantiert ist», sagt Juliette de Grandpré vom WWF gegenüber dem Sender BR4. Und selbst für 30 Jahre liege die Garantie nicht bei hundert Prozent: In Kalifornien sind 2021 mehrere Waldflächen abgebrannt, die eigentlich für Kompensationsprojekte bewirtschaftet wurden.

Neue Technologien

Der Einsatz neuer Energien und Technologien werde ebenfalls einen wachsenden Anteil ausmachen. «Obwohl wir uns in nächster Zeit sehr auf den Ausbau der SAF konzentrieren, werden neue Energien wie Wasserstoff ab 2035 wahrscheinlich eine immer größere Rolle spielen“, sagt Iata-Manager Misty. Welche Rolle Wasserstoff, produziert mit Photovoltaik, spielen wird, ist freilich offen.

Der Vorteil der sehr hohen Energiedichte wird durch den Umstand, dass es auf minus 250 Grad abgekühlt werden muss, um transportfähig zu sein, weitgehend zunichte gemacht. Wasserstoff erfordert deshalb eine sehr anspruchsvolle Logistik. H2 kann auch in Brennstoffzellen «verstromt» werden. Flugzeuge mit dieser Technologie würden von Elektromotoren angetrieben. Bei der Verwendung von H2 entsteht nur Wasser und kein CO2.

Elektromotoren

Hoffnung wird auch auf Elektromotoren gesetzt. Der Vorteil, dass sie leise sind und kein CO2 und keinen Wasserdampf – also keine klimatisch schädlichen Kondensstreifen – verursachen, wird durch den Nachteil schwerer Batterien ganz oder teilweise zunichte gemacht. Nutzlast und Reichweite solcher Flieger sind gering. Die ersten Projektstudien betreffen vor allem Lufttaxis.

Fliegen wird teurer

Gemeinsam haben alle Lösungen eines: Sie kosten. Die Folge: Die Tickets dürften in den kommenden Jahren teurer werden. Iata-Generaldirektor Willie Walsh ist der Überzeugung, dass letztlich die Reisenden die Rechnung bezahlen werden. Wie hoch diese sein wird, steht in den Sternen. Problematischer ist wohl aber, dass wir von einem
emissionsfreien Luftverkehr noch flugmeilenweit entfernt sind.