Letzte Aktualisierung: um 18:33 Uhr

Avgas 100 LL

Bleifrei? Davon ist die Privatfliegerei noch weit entfernt

Die Angst bei Besitzern von Kleinflugzeugen war groß, dass in der EU ab 2025 nur noch bleifreie Kraftstoffe zugelassen sein werden. Nun wurden Ausnahmegenehmigungen gestellt.

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Die Welt fährt bleifrei. Japan war 1980 das erste Land weltweit, das ein Verbot für verbleites Benzin einführte. Als letztes Land untersagte Algerien 2021 die Nutzung des Kraftstoffs. In Deutschland wurde verbleites Benzin 1988 und bleihaltiges Superbenzin 1996 verboten. Das Aus in der EU kam im Jahr 2000.

Allerdings fliegt die Welt noch nicht bleifrei. Ältere Kleinflugzeuge, die mit klassischen Kolbenmotoren angetrieben werden, benötigen verbleites Benzin mit einer hohen Oktanzahl. Sie tanken Avgas 100 LL. Avgas ist die Abkürzung für Aviation Gasoline oder Flugbenzin. Avgas 100 LL ist das letzte verbleite Flugbenzin. Daneben gibt es fünf unverbleite Sorten.

16.000 Flugzeuge in Europa brauchen verbleiten Sprit

Schätzungen gehen davon aus, dass in Europa 16.000 Flugzeuge und mehr als 100.000 Maschinen im Rest der Welt noch mit Avgas 100 LL betankt werden müssen. Der Sprit steht in der Kritik, weil der Zusatzstoff Tetraethylblei (TEL) beigemischt wird. TEL erhöht die Oktanzahl und verhindert unkontrollierte Selbstentzündungen, das sogenannte Klopfen und schützt somit den Motor.

Allerdings ist Tetraethylblei hochgiftig. Studien in den USA haben gezeigt, dass die Bleikonzentration im Blut von Menschen in der Nähe von Kleinflughäfen erhöht ist. Laut der US-Umweltbehörde ist bleihaltiges Avgas die größte Quelle für Luftverschmutzung durch Blei in den Vereinigten Staaten. Avgas 100LL gilt deshalb langfristig als Auslaufmodell.

Drei Anbieter haben Ausnahmegenehmigungen gestellt

Die Europäische Union hat am 1. Mai 2022 den Druck erhöht und Tetraethylblei als besonders besorgniserregenden, zulassungspflichtigen Stoff in die Verordnung der Chemikalienverordnung REACH (englisch: Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) aufgenommen. Darin heißt es, dass der Stoff ab dem 01. Mai 2025 in der EU nicht mehr hergestellt, importiert und verarbeitet werden darf. Die Angst war groß, dass tausende Kleinflugzeuge ohne passenden Sprit dastehen könnten.

Allerdings hatte die EU den Herstellern von Avgas 100 LL eine Frist bis zum 1. November 2023 gesetzt, um individuelle Ausnahmegenehmigungen für den Import und die Verarbeitung von Tetraethylblei beziehungsweise fertigem Avgas 100 LL für die Zeit nach 2025 zu beantragen. Jede Ausnahme muss durch die ECHA und die EU Kommission einzeln geprüft und genehmigt werden. Es wird erwartet, dass den Anträgen zugestimmt wird, wenn der sozioökonomische Nutzen der Verwendung des Stoffes die Gefahren überwiegt.

Aufatmen bei Betroffenen

Nach Informationen des Verbandes der Allgemeinen Luftfahrt (Aopa), haben drei Anbieter von Avgas 100LL die notwendigen Anträge gestellt. Eine Entscheidung wird für die kommenden Monate erwartet. Damit könnte eine große Befürchtung vieler Betroffener, dass Avgas 100LL verboten wird, noch bevor es Alternativen gibt, erstmal vom Tisch sein.

Ein konkretes Enddatum für das verbleite Flugbenzin gibt es in Europa derzeit nicht. Anders in den USA. Dort haben sich die Umweltbehörden und die Industrie darauf verständigt, bis zum Jahr 2030 auf bleifreies Avgas umzustellen. Die Aopa teilt mit, dass man bestrebt sei, die Ausstiegsstrategien auf beiden Seiten des Atlantiks zu synchronisieren.