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Der (fast) unbekannte Nachbar

Die unbekannte Air Slovakia

Von den Airlines am Flughafen Bratislava ist diesseits der slowakisch-österreichischen Grenze in erster Linie SkyEurope bekannt, die dort ihre Heimatbasis besitzt. Dass es mit Air Slovakia bereits seit 14 Jahren eine kleine – aber feine und erfolgreiche – Airline gibt, ist aber weitestgehend unbeachtet. Wir möchten die Fluglinie im Folgenden vorstellen.

Am Anfang stand ein Traum

Damit aus einem Traum Wirklichkeit wird, muss man nicht unbedingt nach Amerika auswandern: Milos Vrablica, Augustin Bernat, Tibor Varga und Jan Janok gründeten im Juni 1992 in der damaligen CSFR unter Beteiligung der Terrex Group die Vorgängergesellschaft der heutigen Fluglinie namens Air Terrex Slovakia.

Die vier Beteiligten konnten – neben ihrer Freundschaft – vor allem jahrelang Know How in der ehemaligen Tschechoslowakei entwickeln. Sie waren als Pilot, Techniker oder in der weltweiten Administration bzw. Operation von CSA und Slovair Technik tätig. Die Slowakei stand kurz vor ihrer Unabhängigkeit und die neue Freiheit nach dem Fall des Eisernen Vorhanges wollten nunmehr viele nutzen, um Reisen zu unternehmen. Also der ideale Zeitpunkt zur Gründung einer Fluggesellschaft, wie sich die vier Freunde dachten.

Am Anfang von Air Slovakia standen ex-Lufthansa Boeing 727.

Schon bald nach der Gründung wurden die 49% Anteile der Terrex Group von den Gründungsmitgliedern aufgekauft. Die Gesellschaft flog mit ihrer damals einzigen Boeing 727-100 nun als Air Slovakia weiter, wobei die vier Eigentümer jeweils 25% Anteile an der Gesellschaft hielten. Auch nach außen hin wurde die Übernahme der Mehrheitsanteile durch das neue Hecklogo mit den Initialen der Eigner sichtbar.

Der Erstflug der Gesellschaft fand am 13. Juni 1993 auf einem Charterkurs zwischen Bratislava und Leipzig statt. Im ersten Jahr konnte man immerhin bereits 7.684 Passagiere auf den Flügen der Air Slovakia zählen. Um die Maschinen der Gesellschaft besser auslasten zu können, hat man bereits sehr früh die Möglichkeit von Linienflügen ab Bratislava geprüft.

So wurde noch im ersten Betriebsjahr, exakt am 30. Dezember 1993, eine Linienverbindung nach Tel Aviv aufgenommen. Die israelische Destination entwickelte sich sehr gut und bereits am 3. Juli 1994 wurde als weiteres Ziel die Mittelmeerinsel Zypern mit der Hauptstadt der mittlerweile unabhängigen Slowakei verbunden.

Diese ex-Southwest 737 flog bis zuletzt in der Grundbemalung des früheren Eigentümers.

Wie gut sich die Gesellschaft entwickelte, wurde schon bald erkennbar: Im Jahr 1996 konnten bereits 77.687 Passagiere befördert werden. Im selben Jahr wurde auch erstmals die neue Destination Kuwait City mit einem technischen Zwischenstopp in Larnaca ins Streckennetz aufgenommen. Die beiden gerade erst erworbenen ex-Lufthansa Boeing 727-200 waren zwar (zumindest in der Anschaffung) sehr kostengünstige Fluggeräte, die ungenügende Reichweite machte aber einen Tankstop notwendig.

Gerade der Verkehr aus Kuwait war für die junge Gesellschaft eine wahre Cash Cow. Viele Kuwaitis nutzten die kostengünstige Möglichkeit, während der besonders heißen Sommermonate in Kuwait einen Erholungsurlaub in den slowakischen Heilbädern von Piestany anzutreten.

Die Boeing 757-200 bildet noch heute das Langstreckenrückgrat von Air Slovakia.

Zuhause in ganz Europa

Neben den eigenen Linien- und Charterflügen kann es für kleine Gesellschaften wie Air Slovakia auch wichtig sein, ihre Flugzeuge gewinnbringend im Subcharter zu vermieten. Gerade zur Überbrückung des eher ruhigen Wintergeschäfts bringen solche Geschäfte mitunter überlebenswichtige Zusatzeinkünfte. So flogen die Maschinen der Air Slovakia auch schon im Auftrag von CSA oder Travel Service aber auch Austrian Airlines und Lauda Air sowie sogar für afrikanische Fluglinien. Und auch Sonderflüge für die slowakische Regierung, die UN aber auch Fußballcharter sind Alltag für die Gesellschaft geworden.

Nicht nur bei der Vermietung des Flugzeugparks, sondern auch in Personalfragen bediente sich die Airline schon seit ihrer Gründung einer gewissen Flexibilität: Wann immer es der Markt erforderte, flogen Studentinnen – welche als Flugbegleiterinnen ausgebildet worden waren – sowie Piloten von anderen Gesellschaften stundenweise für Air Slovakia.

Freundliche Flugbegleiterinnen von Air Slovakia.

Vom slowakischen Airline-Kuchen wollten sich natürlich auch andere Neugründungen ein Stück abschneiden: So entstand Mitte der 90er Jahre mit der ATE Air Transport Europe neue Konkurrenz, die mit ihren Tu-134 und Tu-154 Flugzeugen allerdings wenig erfolgreich versuchte, gegen Air Slovakia anzufliegen. Andere Neugründungen verschwanden ebenfalls früher oder später wieder in der Versenkung – beispielsweise Tatra Air oder das einstige AUA-Experiment Slovak Airlines. In den letzten Jahren hat natürlich auch die neu gegründete SkyEurope am slowakischen Chartermarkt mitgemischt, sich aber heute fast zur Gänze dem Linienverkehr gewidmet.

Nach den erfolgreichen ersten Jahren, schien es 2003 allerdings bergab zu gehen: Eine wenig erfolgreiche Linienverbindung nach Beirut, die nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden mußte und Preis-Scharmützel mit der damals noch existenten Slovak Airlines beförderten die Fluglinie damals bereits nahe an den Abgrund. Die Wende brachte allerdings ein überraschendes Angebot der britischen Bluewings Aviation, einem englischen Reiseunternehmen mit einem hohen Anteil an Flügen nach Indien.

Air Slovakia hielt nämlich sowohl nach England als auch nach Indien Streckenrechte, die durch Bluewings Aviation genutzt wurden. Dadurch konnten die damals begrenzten Flugrechte zwischen England und Indien mit einem Stop in Bratislava leicht umgangen werden. Air Slovakia betrieb dafür ab Juni 2003 eine Boeing 757-200ER auf der Strecke Birmingham – Bratislava – Amritsar (Indien) dreimal wöchentlich, und London (LHR) – Bratislava – Amritsar einmal wöchentlich.

Verschärfte Lärmbestimmungen in Europa machen den Einsatz solcher “Schalldämpfer” notwendig.

Neben den lukrativen Verträgen nach Indien stand dem Unternehmen nun erstmals auch ein Langstreckenflugzeug mit Business Class Sitzen für andere Aufgaben zur Verfügung.
Slowakische Reiseunternehmen mieteten für ihre Kunden die 757 an, und es konnten dadurch direkte Charterflüge bis nach Bangkok, Dubai, Colombo, Male und Mauritius angeboten werden.

Nachdem die meisten Destinationen nur einmal wöchentlich angeflogen wurden, ergaben sich recht interessante Routings, so z.B. Bratislava – Djibouti – Mauritius oder Bratislava – Dubai – Colombo – Male. Da an den meisten Destinationen keine Tausch-Crews auf ihren Rückflug warteten, hielten die meisten Besatzungen ihre Ruhezeiten (zwischen 12 und 14 Stunden) vor Ort ein und flogen im Anschluß dieselbe Maschine nach Bratislava zurück!

Im Sommer sind die Maschinen der Air Slovakia in einer Reihe von Ferienzielen zu sehen – hier im Bild die griechische Insel Korfu.

Neuer indischer Eigentümer

Nachdem der Vertrag mit Bluewing Aviation beendet wurde, trat ab 2005 Harjinder Sigh Sidhu, ein englischer Geschäftsmann indischer Abstammung, als neuer Partner in Erscheinung. Durch eine erste finanzielle Beteilung und der späteren kompletten Übernahme der Gesellschaft am 6. Oktober 2006 sicherte er sich das bisher rein slowakische Unternehmen.

Durch diesen Eigentümerwechsel konnte das Indien-Geschäft natürlich weiter angekurbelt werden. So wurden Zubringerflüge zwischen Köln, London, Birmingham und Bergamo nach Bratislava eingeführt, wodurch ein kleiner Indien-Hub am Flughafen Bratislava mit weiterführenden Flügen nach Delhi und Amritsar entstand.

Neben den Verbindungen nach Indien bemüht sich Air Slovakia im Sommer vermehrt um den slowakischen Chartermarkt, der heuer fast zur Gänze von der Fluglinie abgedeckt wurde. Dadurch wurde es aber notwendig, neben den beiden Boeing 757 und der letzten verbliebenen Boeing 737-200, weiteres Fluggerät anzumieten. Ab Anfang Mai kam ein Lotus Air A-320 (SU-LBI) für das Unternehmen zum Einsatz und mit der Übernahme einer ex-Lauda Air Boeing 737-300 – welche zuvor bei der bankrotten Slovak Airlines im Einsatz stand – kam ein weiteres Fluggerät hinzu. Schließlich konnte man mit einer geleasten Futura Boeing 737-300 (EC-JXD) ab Juni 2007 auf ein weiteres Mittelstreckenflugzeug für die Sommersaison zurückgreifen.

Dieser Airbus A320 der Lotus Air stand im Sommer 2007 für Air Slovakia im Einsatz.

Die Flugzeuge der Air Slovakia seit Ihrem Bestehen

Seit der Aufnahme der ersten Flüge setzte man fast durchgehend auf den Flugzeughersteller Boeing und seine Produkte. War die erste Maschine noch eine betagte 727-100, so kam bald danach eine (etwas) modernere und größere Boeing 727-200 mit 167 Sitzplätzen zum Einsatz. Mit diesem Flugzeug (OM-CHD) kam auch erstmals eine Maschine in den Eigenbesitz, die bald durch eine geleaste zweite 727-200 (OM-AHK) verstärkt wurde.

Nachdem die Konkurrenz am heimischen Markt größer wurde, entschloß man sich, die Boeing 727 durch neuere Boeing 737-200 (OM-BWJ) im Leasing und später im Eigentum (OM-ERA) zu ersetzen. Die “Baby-Boeing” verfügte um vierzig Sitzplätze weniger und konnte daher auch leichter vermarktet werden als die größere 727. Die OM-ERA wurde während der gesamten Einsatzdauer (bis 2005) in den Farben des Vorgängers Southwest Airlines geflogen!

Der frühere Eigentümer dieser Boeing 737-300 – Lauda Air – ist am typischen Interieur noch gut erkennbar.

Mit der OM-RAN kam erstmals eine mit Stage 3 Hush-Kits ausgestattete 737-200 zum Einsatz, durch die auch in Zukunft im “lärmbegrenzten” Europa geflogen werden kann. Diese Maschine ist inzwischen ebenfalls im Besitz der Airline und hat sich erst kürzlich einem C-Check unterzogen. Kurzfristig stand in Bratislava auch eine mit der (bedenklichen) Registrierung OM-ALK versehene 737-200 mit Hush-Kits, welche aber niemals übernommen wurde.

Die ersten beiden Boeing 757-200ER (OM-DGK und OM-SNA) wurden in weiterer Folge durch die heute verwendeten OM-ASA und OM-ASB abgelöst. Mit der Boeing 737-300 OM-ASC kam als letztes Flugzeug der Air Slovakia Flotte die bereits angesprochene ehemalige Lauda Air Maschine ins Eigentum der Gesellschaft.

Business Class in der Boeing 757 von Air Slovakia.

Im April 2003 gab es übrigens kurzfristig auch eine Boeing 767-300 mit Air Slovakia-Titeln, die zwar niemals wirklich für das Unternehmen flog, aber für Werbezwecke in Birmingham der Presse mit der Aufnahme der ersten Indienflüge vorgestellt. Dabei handelte es sich um eine weiße Martinair Maschine, da zum gewünschten Zeitpunkt die später tatsächlich fliegende Boeing 757-200 noch nicht zur Verfügung stand. Kurzerhand wurde das Flugzeug mit einem Air Slovakia Sticker versehen und der Presse präsentiert!

Neuesten Planungen zufolge ist allerdings der Einsatz der Boeing 767-300 auch durchaus vorstellbar. Neben dem ethnischen Verkehr zwischen England und Indien, gibt es sogar Absichten, über den Atlantik zu fliegen.

Der Air-Slowakische Fluglinien-Traum könnte also weitergehen!