Ein startendes Flugzeug, ein plötzlicher Luftstoß: Auf der griechischen Insel Skiathos wurde eine deutsche Touristin vom Abgasstrahl eines Flugezugs erfasst und verletzt. Der Vorfall zeigt, welche unsichtbare Gefahr von Triebwerken am Boden ausgehen kann.
Für die Dame auf Skiathos ist es glimpflich ausgegangen. Eine deutsche Touristin stand am Zaun hinter der Startbahn des griechischen Flughafens, als ein Flugzeug zum Start Schub gab. Offenbar rechnete sie nicht mit der enormen Kraft des Luftstroms aus den Triebwerken, den man in der Branche Jet Blast nennt.
Der Schubstrahl erfasste sie so heftig, dass sie zu Boden stürzte. Glücklicherweise wurde sie nur leicht verletzt, wie das Krankenhaus später bestätigte. Der Flughafen ist für solche Zwischenfälle bekannt: Wie in St. Maarten in der Karibik verläuft die Startbahn unmittelbar zwischen zwei Stränden – ein beliebter, aber riskanter Ort für Planespotter und Schaulustige.
Denn wenn ein Verkehrsflugzeug seine Triebwerke anlässt und sich in Bewegung setzt, entsteht hinter dem Flugzeug ein Luftstrom, der immense Kräfte freisetzt. Er entsteht durch die heißen, stark beschleunigten Abgase, die ein Strahltriebwerk nach hinten ausstößt. Das kann am Boden zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko werden - wie jetzt auch die Frau auf Skiathos feststellen musste. Vor acht Jahren brachte dies einer Frau in St. Maarten sogar den Tod.
Die Stärke des Jet Blast hängt von der Triebwerksleistung und dem Flugzeugmodell ab. Bereits bei 40 Prozent des maximalen Schubs – ein typischer Wert beim Anrollen oder Drehen auf dem Vorfeld – können moderne Langstreckenjets wie eine Boeing 777 oder ein Airbus A350 Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 185 Kilometern pro Stunde erzeugen.
Der Schubstrahl reicht Dutzende Meter nach hinten und kann dort immer noch gefährlich stark sein. Flugzeughandbücher enthalten daher auch Informationen über den Jet Blast, in denen die Gefahrenzonen grafisch dargestellt sind. Diese Bereiche zeigen, bei welcher Triebwerksleistung in welchem Abstand noch gefährliche Windgeschwindigkeiten auftreten. Je nach Flugzeugtyp können diese Zonen bis zu rund 60 Meter betragen.
Der heftige Wind führt immer wieder zu Zwischenfällen - meist an Flughäfen. Er kann leichte Flugzeuge versetzen oder sogar anheben, insbesondere wenn sie quer zur Strömung stehen. Fahrzeuge wie Gepäckwagen, Container oder kleine Betriebsfahrzeuge können umgestoßen oder verschoben werden, wenn sie nicht ordnungsgemäß gebremst oder gesichert sind.
Auch Leitern, Frachtelemente oder andere lose Gegenstände auf dem Vorfeld können durch den Schubstrahl bewegt oder umgeworfen werden. In Gebäuden kann die Kraft des Jet Blast Fenster oder Türen beschädigen, wenn der Schub direkt auf Strukturen trifft. Für Personen auf dem Vorfeld besteht die Gefahr, durch die Luftströmung zu Boden gerissen oder verletzt zu werden, wenn sie sich im Wirkungsbereich eines laufenden Triebwerks aufhalten. Das musste vor drei Jahren eine Vorfeldmitarbeiterin in Frankfurt schmerzhaft lernen.
Besonders gefährlich wird der Schubstrahl beim sogenannten Breakaway-Thrust – also dem Schubstoß, der notwendig ist, um ein schweres Flugzeug aus dem Stand in Bewegung zu setzen. In Verbindung mit Kurvenmanövern oder engem Raum auf dem Vorfeld entstehen so hohe Luftkräfte, dass die Kontrolle über Objekte oder sogar über abgestellte Flugzeuge verloren gehen kann.
Besonders häufig passieren die Vorfälle bei Flugzeugen wie Airbus A320 und Boeing 737. Sie machen zum einen den Großteil des weltweiten Flugbetriebs aus. Zum anderen sind sie häufiger in engen Vorfeldbereichen unterwegs als schwerere Langstreckenflugzeuge, deren Bewegungen dort oft eingeschränkt sind.
Besonders betroffen von Schäden durch den Schub waren in einer Auswertung in den USA andere Flugzeuge, nämlich zu 85 Prozent. Meist handelte es sich um leichte Flugzeuge, die direkt vom Luftstrahl erfasst wurden oder durch herumgeschleuderte Objekte wie Gepäckwagen oder Leitern Schaden nahmen. In den übrigen Fällen richtete der Jet Blast Schäden an Fahrzeugen, Gebäuden oder Bodeninfrastruktur an.
Viele dieser Vorfälle hätten sich durch größere Mindestabstände, klarere Kommunikation oder besser koordinierte Bodenabläufe verhindern lassen. Vor allem die Kombination aus großen Jets und leichten Flugzeugen auf engem Raum stellte sich in den Berichten immer wieder als Risikofaktor heraus.
Auch nach dem Zurücknehmen des Schubs bleibt der Luftstrom messbar. Eine Studie des Volpe National Transportation Systems Center der Universität Cambridge am Flughafen New York-JFK zeigte, dass der Schubstrahl noch fast eine Minute anhalten kann, selbst nach vollständigem Triebwerksleerlauf.
Darum: Wer sic absichtlich in den Schubstrahl eines Flugzeuges begibt, handelt fahrlässig. Er gefährdet nicht nur sich selbst, sondern unter Umständen auch andere, wenn er jemanden mitreisst. Deshalb: Immer genug Abstand halten!