Letzte Aktualisierung: um 20:55 Uhr

Vorfall in Griechenland

Startabbruch am Vortag wurde Condors A320 zum Verhängnis

Seit dem 11. Juli steht ein Airbus A320 von Condor beschädigt im griechischen Kavala. Der Grund dafür ist auch in Heraklion zu suchen, wo der Jet einen Tag zuvor Probleme hatte, wie die Untersuchung zeigt.

Seit dem 11. Juli und damit seit 118 Tagen steht ein Airbus A320 von Condor im griechischen Kavala. Der Jet mit dem Kennzeichen D-AICP war dorthin zurückgekehrt, nachdem es dem Cockpitpersonal nicht gelungen war, das Bugfahrwerk nach dem Start einzufahren. Nach der Rückkehr fand man einen drucklosen Bugfahrwerksdämpfer und schwere Rumpfschäden im Bugfahrwerksbereich.

Die BFU Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung machte im September in einer ersten Äußerung zu dem Zwischenfall deutlich, dass der Schaden eine Vorgeschichte hatte. «Am Vortag fand ein Startabbruch mit dem betroffenen Flugzeug statt, bei dem das Bugfahrwerk hohen vertikalen und seitlichen Lasten ausgesetzt wurde», schrieb die BFU.

Start in Heraklion abgebrochen

Am Freitag (5. November) hat die Behörde nun ihren Zwischenbericht veröffentlicht. Er zeigt detailliert, was geschah. Am 10. Juli sollte die D-AICP von Heraklion nach Düsseldorf fliegen, an Bord 122 Reisende und sechs Besatzungsmitglieder. Beim Start herrschte Seitenwind von rechts. Der steuernde Kopilot reagierte mit linken Ruderpedal-Eingaben, schließlich kam es aber auch zu einem Ruderpedal-Input nach rechts.

Das Flugzeug von Condor änderte den Steuerkurs um rund 10 Grad nach rechts und war kurz darauf nur noch 3,7 Meter vom rechten Rand der Piste entfernt. Der Kopilot sagte: «Sorry, das Flugzeug zieht nach rechts.» Danach brach die verantwortliche Pilotin den Start ab.

Bodenkontakt bei Drehbewegung

Dabei zog die Pilotin nach eigenen Angaben die Schubhebel auf Leerlauf und dann in die Stellung Full Reverse. Zudem gab sie einen Ruderpedal-Input nach links in Richtung Startbahnmittellinie. Sie zog den Side Stick nach hinten, woran sie sich nach ihrer Aussage aber nicht erinnert. Unmittelbar danach hob das Bugfahrwerk vom Boden ab.

Nachdem die Pilotin das Anheben der Flugzeugnase realisierte, drückte sie den Side Stick nach vorne, und das Bugfahrwerk berührte wieder den Boden. Dabei befand sich das Flugzeug in einer Drehbewegung nach links in Richtung Startbahnmitte. Der Airbus A320 bewegte sich während des Bremsvorgangs zurück in Richtung Startbahnmittellinie und kam auf der Piste vor dem Rollweg C zum Stehen.

Vier Reifen wurden ausgetauscht

Mechaniker einer von Condor beauftragten Wartungsfirma stellten fest, dass alle vier Reifen des Hauptfahrwerks beschädigt waren. Noch am Abend wurden sie ausgetauscht. Die Mechaniker waren während ihrer Arbeit im Austausch mit dem Wartungskontrollzentrum von Condor in Deutschland, von wo sie auch ihren Auftrag für die Arbeiten erhielten.

Am 11. Juli flog die Besatzung den Jet ohne Passagiere von Heraklion nach Düsseldorf. Von dort aus steuerte eine andere Besatzung den A320 nach Kavala, von wo aus es am Abend nach Düsseldorf zurückgehen sollte. An Bord waren 74 Fluggäste und sechs Crewmitglieder.

Fahrwerk ließ sich nicht einfahren

Doch nach dem Abheben in Kavala um 19:42 Uhr war es den Piloten nicht möglich, das Fahrwerk einzufahren. Auch der Autopilot und die automatische Schubkontrolle funktionierten nicht. Die Cockpitcrew steuerte das Flugzeug für den Rest des Fluges manuell. Sie schätzte, nur noch rund zwei Stunden Flugzeit zu haben, weil das Fahrwerk ausgefahren war und das für erheblichen Mehrverbrauch sorgt.

So entschieden sich die Piloten zur Rückkehr nach Kavala und landeten dort um 20:35 Uhr. Im Anschluss wurde ein druckloser Bugfahrwerksdämpfer sowie ein Strukturschaden im vorderen Bereich des Rumpfes festgestellt. Die Lasten des Bugfahrwerks wurden über Stützen in die Rumpfstruktur weitergeleitet. Die Untersuchung an der Struktur war allerdings noch nicht abgeschlossen, als die BFU ihren Bericht erstellte.

Flugzeug nicht eingeplant

Condor hat als Reaktion laut BFU-Bericht ihre Pilotinnen und Piloten darauf hingewiesen, dass nach dem Auftreten von hohen seitlichen Beschleunigungen am Boden eine Maintenance Inspection erforderlich ist. Wenn die Flugbesatzung hohe seitliche Beschleunigungen am Boden wahrgenommen hat, soll dies im Technischen Logbuch eingetragen und der Wartungsbetrieb darüber informiert werden.

Man untersuche den Fall natürlich auch intern umfassend, heißt es von Condor zudem gegenüber aeroTELEGRAPH. Das dauere noch immer an. Prozesse würden auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls optimiert, erklärt eine Sprecherin. Die Schulungs- und Trainingsmaßnahmen von Condor überträfen allgemein den europäisch geforderten Standard. Der Airbus A320 mit dem Kennzeichen D-AICP wird vorerst aber nicht mehr fliegen. «Das Flugzeug ist bis auf Weiteres nicht im Flugplan eingeplant», so die Sprecherin.

In der oben stehenden Bildergalerie sehen Sie Bilder von der Piste und den Schäden.

Den Bericht der BFU können Sie hier herunterladen.