Bei einem Vorfall in einer Boeing 757 von Condor wurde eine Flugbegleiterin im Mai vergangenen Jahres schwer verletzt. Der Untersuchungsbericht erklärt nun die Ereignisse rund um die abrupte Bremsung des Jets am Flughafen Frankfurt.
Das Flugzeug entging einer Kollision: Am 20. Mai 2024 musste eine Boeing 757 von Condor auf einem Rollweg des Flughafens Frankfurt abrupt bremsen, «weil sich trotz Rollfreigabe auf dem Fahrweg ein fahrendes Fahrzeug befand», wie eine Condor-Sprecherin damals sagte. Ein Flughafen-Sprecher erklärte lediglich, dass es sich um ein Abfertigungsfahrzeug gehandelt habe. Im Flugzeug stürzte ein Mitglied der Kabinencrew und verletzte sich.
Ein mittlerweile veröffentlichter Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) enthüllt nun die Details zu dem Vorfall. Die Boeing 757-300 stand im nördlichen Teil des Flughafengeländes auf der Parkposition V160, bereit zum Losrollen für einen Flug nach Palma de Mallorca. An Bord waren neun Besatzungsmitglieder und 267 Fluggäste.
Direkt südlich der Parkposition befindet sich die Rollbereichsstraße, auf der das beteiligte Fahrzeug, ein Gepäckschlepper, von West nach Ost fuhr. Die Boeing 757 musste die Rollbereichsstraße kreuzen, um auf den vorgesehenen Rollweg N8 zu gelangen.
Zwar gab es generell eine Sichtweite von 900 Metern, doch durch Nebel sank die Sichtweite teilweise auf 400 Meter. Daher waren sogenannte «Low Visibility Operations» in Kraft, also Betriebsregeln für geringe Sichtweite, und die Rollbereichsstraße südlich der Parkposition wurde für das Rollen des Jets durch ein Leitfahrzeug auf der östlichen Seite abgesperrt.
Die Cockpitcrew bat um Rollfreigabe und erhielt diese auch. Bevor das Flugzeug sich in Bewegung setzte, kontrollierten die Piloten nach links und nach rechts hin, wie aus Aufzeichnungen des Stimmenrekorders hervorgeht. Im weiteren Verlauf der Aufnahme hört man den Kopiloten laut BFU-Bericht sagen: «Da kommt einer. Der hält hoffentlich an. Hält der, hält der an? Hält der an? Hält der an? Hält der an?» Dann ist der Bremsvorgang hörbar.
Das Flugzeug hatte laut Flugschreiberdaten innerhalb von zwölf Sekunden auf fünf Knoten (9,26 Kilometer pro Stunde) beschleunigt und wurde dann innerhalb von zwei Sekunden zum Stillstand gebracht. Während es draußen auf dem Vorfeld zu keinem Zusammenstoß kam, stürzte aber in der Kabine der Boeing 757 eine Flugbegleiterin während des Bremsvorgangs.
Sie war nach eigener Aussage zu diesem Zeitpunkt mit dem Anschnallcheck beschäftigt. Sie habe zwei Bremsungen wahrgenommen und bei der ersten das Gleichgewicht verloren und versucht, sich an einer Toilettentür abzustützen. Bei der zweiten sei sie gegen eine Rückenlehne der letzten Sitzreihe vor dem Toilettenblock gestürzt. Danach habe sie ein Gefühl der völligen Immobilität verspürt. Die Flugbegleiterin wurde noch im Flugzeug erstversorgt und dann mit dem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen. Es wurde ein Bruch (komplette Berstungsfraktur) des ersten Lendenwirbelkörpers diagnostiziert.
Die Positionen in der folgenden Abbildung wurden laut BFU anhand von Zeugenaussagen rekonstruiert, da sich Flugzeug und Fahrzeuge nach dem Ereignis weiterbewegten.
Der Fahrer des Gepäckschleppers sagte gegenüber der BFU aus, er habe den Auftrag gehabt, zwei leere Gepäckwagen zu holen. Auf der Suche danach sei er abgelenkt gewesen, habe mehr nach links und rechts geschaut als nach vorne und habe spät angehalten. Das sei geschehen, als er das Leitfahrzeug und dann das rollende Flugzeug wahrgenommen habe. Die Boeing sei zunächst weitergerollt und habe dann auch gestoppt.
Der Fahrer des Leitfahrzeuges schilderte gegenüber der Behörde, der Gepäckschlepper habe gerade gestanden, als das Flugzeug die Freigabe zum Rollen erhielt. Als der Jet dann losrollte, sei aber auch der Schlepper wieder losgefahren. Daraufhin habe die Boeing 757 bis zum Stillstand gebremst. Der Schlepper habe daraufhin wieder etwas zurückgesetzt. Zu keiner Zeit habe sich das Schleppfahrzeug aber vor dem Flugzeugbug befunden.
Der 38-jährige Kapitän des Flugzeuges hatte zum Zeitpunkt des Vorfalls eine Gesamtflugerfahrung von mehr als 6864 Stunden, der 33-jährige Kopliot von mehr als 3597 Stunden. Der 30-jährige Fahrer des Gepäckschleppers hatte im Juni 2023 im Rahmen der Fahrerausbildung des Flughafensbetreibers Fraport zuerst seine Vorfeldberechtigung erhalten und dann auch eine Einweisung fürs Fahren von Gepäckschleppern absolviert.
Die BFU betont, dass diese Untersuchung mit der Darstellung der Fakten abgeschlossen sei. Es gebe daher keine Analyse und keine Schlussfolgerungen in dem Bericht.