Lange Wartezeiten, Unsicherheit, finanzielle Belastung: Eine Befragung von deutschen Pilotinnen und Piloten stützt die Kritik einer Ex-Mitarbeiterin an den Verfahren des deutschen Luftfahrt-Bundesamtes.
Die Kritik am Luftfahrt-Bundesamt LBA verschärft sich. Erst gerade hatte die ehemalige Mitarbeiterin Nina Coppik das Amt öffentlichkeitswirksam verlassen – mit dem Vorwurf, Verfahren zur Flugtauglichkeit seien häufig intransparent, schlecht organisiert und belasteten Pilotinnen und Piloten massiv. Nun bestätigt die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit mit einer Mitgliederumfrage viele der von der Juristin vorgebrachten Punkte.
Von 343 befragten Pilotinnen und Piloten gaben fast drei Viertel an, bereits von einer Verweisung an das Bundesamtes betroffen gewesen zu sein. Von einer Verweisung spricht man, wenn die routinemäßige fliegerärztliche Untersuchung, die jede Pilotin und jeder Pilot jährlich durchlaufen muss, eine genauere Prüfung nötig macht. Das kann sein, wenn jemand Herzprobleme bekommt, eine chronische Krankheit diagnostiziert wird - oder auch den Sehtest nicht besteht.
Die große Mehrheit erhielt laut Vereinigung Cockpit am Ende ihr sogenanntes Medical zurück, wurde also flugtauglich geschrieben. Doch oft erst nach langer Wartezeit. «Mehr als zwei Drittel der Betroffenen warteten länger als drei Monate auf eine Entscheidung, fast 10 Prozent sogar mehr als ein Jahr», so Präsident Andreas Pinheiro. «Für eine Berufsgruppe, deren Existenz unmittelbar am Medical hängt, sind solche Verzögerungen schlicht nicht tragbar.»
Auch die Vizepräsidentin Katharina Dieseldorff knüpft an die jüngste Diskussion an: Veröffentlichungen hätten den Eindruck erweckt, dass es innerhalb des LBA Vorbehalte gegenüber Pilotinnen und Piloten geben könnte. «Wir betrachten diese Entwicklung mit großer Sorge, da sie das ohnehin fragile Vertrauensverhältnis zusätzlich belastet», sagt sie. Coppik hatte ebenfalls von einer Atmosphäre gesprochen, in der die Rechte der Betroffenen nicht immer ausreichend berücksichtigt würden.
Die Umfrage verdeutlicht: 91,9 Prozent der Fliegerärzte stellten Flugtauglichkeit fest. Dennoch erhielten Betroffene ihr Medical oft erst nach Monaten zurück. Viele berichten in dieser Zeit von erheblichen finanziellen Verlusten und großer persönlicher Unsicherheit. Coppiks Kritik, dass das LBA Verfahren verschleppe und wichtige Grundsätze nicht einhalte, findet hier ein statistisches Echo.
Die Vereinigung Cockpit hat daher einen offenen Brief an LBA-Chef Jörg-Werner Mendel geschrieben. «Die Verweisung wird als eine Art Black Box erlebt, deren Verlauf und Ausgang kaum vorhersehbar sind. Selbst dann, wenn ein Fliegerarzt die Flugtauglichkeit bescheinigt hat, bleibt unklar, wann das Medical wieder erteilt wird», heißt es im vom Präsidium unterzeichneten Brief unter anderem.
Die Vereinigung Cockpit betont, sie erkenne die hohe Verantwortung des Luftfahrt-Bundesamtes für die Flugsicherheit an. Gleichzeitig fordert sie nachvollziehbare und planbare Abläufe. Aber das Vertrauensverhältnis sei gestört - vor allem auch, nachdem die Vorwürfe der Juristin ans Licht kamen. «Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns zu den kürzlich erhobenen Vorwürfen Informationen zur Verfügung stellen könnten, mit denen wir an unsere Mitglieder herantreten können», so die Gewerkschaft.
Die Gewerkschaft kündigte an, ihre Mitglieder künftig rechtlich zu unterstützen, wenn Verfahren übermäßig lange dauern.
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