Letzte Aktualisierung: um 19:33 Uhr

Segelfliegen

Segelflug in der Stratosphäre

Mit dem Perlan-Projekt stoßen Segelflugzeuge in ganz neue Höhen vor. Was es bei Flügen in der Stratosphäre zu beachten gilt.

Verkehrsflugzeuge, die im Reiseflug in weit über 3000 Meter Höhe fliegen (Turboprop-Flugzeuge typischerweise in 6000, Düsenjets in bis zu 12.000 Meter) sind mit einer Druckkabine ausgestattet, in der ein angenehmer Luftdruck aufrechterhalten wird. In Wellenaufwinden können Segelflugzeuge bis etwa 10.000 Meter aufsteigen. Die Piloten müssen dann aber zusätzlichen reinen Sauerstoff atmen, je höher, desto mehr.

In 10.000 Meter Höhe entspricht der Luftdruck aber fast nur noch einem Viertel des Drucks am Erdboden. Da genügt den meisten nicht einmal mehr das atmen reinen Sauerstoffs, sondern man sollte schon einen Druckanzug nutzen, um Schädigungen des Organismus zu vermeiden. Seit 2015 fliegt aber mit dem Perlan-Projekt auch ein Segelflugzeug mit Druckkabine, das bisher einzige.

Ältere Segelflug-Höhenrekorde

Schon am 25. Februar 1961 erreichte Paul Bikle im Wellenaufwind der Sierra Nevada (USA) mit einem serienmäßig hergestellten Segelflugzeug eine Höhe von 14.102 Meter. Etwas höher kam Robert Harris 25 Jahre später, am 17. Februar 1986, mit 14.938 Meter, ebenfalls an der Sierra Nevada. Damit waren beide aber nicht in der Stratosphäre, sondern nutzten ein kräftiges Wellensystem, welches die Tropopause quasi nach oben ausbeulte.

Echte Stratosphärenflüge gelangen mit Strahlflugzeugen, beispielsweise dem legendären Spionageflugzeug U2, jetzt umgebaut als Forschungsflugzeug ER-2 der Nasa, oder der russischen M- 55, die in Höhen bis zu 25.000 Meter operieren. Noch höher hinauf ging es mit einem Heliumballon für den spektakulären Höhenrekord im Fallschirmsprung durch Felix Baumgartner am 14.Oktober 2012, der aus fast 39.000 Meter Höhe aus einer Ballonkapsel absprang.  Mit einem serienmäßigen Segelflugzeug, einer DG 505 der deutschen DG Flugzeugbau erreichten S. Fosset und E. Enewoldson 2006 im Lee der Anden einen Höhenrekord von 15.400 Meter.

Die Aerodynamik in der Stratosphäre

Nun hatte Einar Enevoldson, ein ehemaliger Nasa-Testpilot, die Idee mit einem Segelflugzeug nicht nur in die Stratosphäre vorzudringen, sondern dabei auch die aerodynamisch im reinen Segelflug mögliche Höhe von 27.000meter zu erreichen. Äußerstenfalls wären vielleicht auch  30.000 Meter möglich. Dazu müsste der Flügel noch einmal konstruktiv angepasst werden, was geplant ist. Der Luftdruck ist hier nur noch geringer als 3 Prozent dessen am Boden. Um überhaupt noch Auftrieb zu generieren muss der Segler dort an die 600 km/h (über Grund) fliegen. Damit ist aber eine Geschwindigkeit erreicht, bei der das sogenannte Flügelflattern auftritt, resonanzartige Schwingungen, welche die Tragflächen zerstören und damit einen Absturz herbeiführen würden.  Dies gilt also auch wenn die meteorologischen Bedingungen, die Wellenaufwinde, einen weiteren Anstieg ermöglichen würden.

Das Segelflugzeug braucht aber in solchen Höhen nicht nur eine Druckkabine, sondern es muss auch aerodynamisch so ausgelegt sein, dass es sich im gesamten Höhenbereich vom Start bis hoch in die Stratosphäre wie ein normales Segelflugzeug fliegen und steuern lässt. Das ist mit dem Perlan-2 gelungen, wobei die Auslegung so gewählt wurde, dass es seine optimale Flugleistung in der mittleren Höhe von etwa 15.000 meter liegt, es aber auch noch akzeptable Flugeigenschaften sowohl am Boden als auch in der angestrebten Rekordhöhe aufweist.

Größe wie Segelflugzeug der offenen Klasse

Am 2. September 2018 mit diesem Segelflugzeug von Jim Payne und Kopilot Morgan Sandercock eine Höhe von rund 23.000 Meter erreicht, je nach Messverfahren etwas mehr oder weniger. Das Flugzeug ließ sich auch in dieser Höhe problemlos steuern und zeigte insbesondere in einem mehrstündigen Flug keine Flatterneigung. Die Perlan-2 hat eine Spannweite von 25,6 Meter und ein maximales Fluggewicht von 746 Kilogramm, ähnelt also einem serienmäßigen Segelflugzeug der offenen Klasse.

Wegen der Druckkabine hat es aber keine konventionelle Haube. Die Piloten steigen durch zwei runde durchsichtige Luken im Kabinendach ein oder aus. Für die Sicht nach draußen gibt es außerdem sechs fest eingebaute runde Fenster, die seitlich angebracht sind, keins für den direkten Blick nach vorne. Neben den Funk- und Navigationsgeräten hat es zur Aufzeichnung des Flugweges einen konventionellen Logger (LX 900). Schließlich ist es mit einigen Geräten für Messungen ausgestattet, denn es soll mit der Perlan-2 nicht nur ein fliegerischer Höhenrekord aufgestellt werden, sondern die Wetter-Phänomene der Stratosphäre erforscht werden, die unser Wetter und die Entwicklung des Klimas bestimmen.

Meteorologische Bedingungen für Stratosphärenwellen

Durch meteorologische Beobachtungen und Modellrechnungen ist schon seit langem bekannt, dass sich Wellensysteme der Troposphäre auch in die Stratosphäre fortsetzen können, sogar bis etwa 50.000 Meter Höhe. Dazu ist eine Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe auch in der Stratosphäre notwendig. Dies tritt nur äußerst selten auf und auch nur im Bereich der Polarwirbel, die auch Jetstream genannten starken Höhenwinde, die immer von West nach Ost wehen.

Eine zweite Bedingung zur Entstehung von atmosphärischen Wellen ist aber auch, dass die Luftströmung auf Höhenzüge trifft, welche etwa quer zur Windrichtung stehen. Beide Bedingungen zusammen bewirken, dass man mit Stratosphärenwellen nur in wenigen Regionen der Erde rechnen kann. Diese sind etwa Nordnorwegen, das südliche Patagonien und die Neuseeländischen Alpen. Eine Verbindung der Wellenaufwinde aus der Troposphäre in die Stratosphäre ist aber oft sprunghaft und nicht leicht zu finden.

Sicherheit der Piloten in der Stratosphäre

Für die bisherigen Versuche, die Startophärenwellen zu erreichen, hat man sich daher im Flugzeugschlepp in die untere Stratosphäre schleppen lassen. Hierzu wird ein speziell für ganz andere, militärische Zwecke schon 1989 konstruiertes Motorflugzeug genutzt, die Egrett der Firma B. Grob Luft- und Raumfahrt. Es hat einen Turboprop-Motor von etwa 540 kW (rund 740 PS), eine Spannweite von 33 Meter, und kann die Perlan-2 bis über 14.000 Meter, Höhen, die normalerweise nicht von einem Turboprop erreicht werden.

Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass die Perlan-2 in großer Höhe in eine Notlage geraten sollte, sind Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Das Sauerstoffsystem, welches mit Rückgewinnung des Sauerstoffs aus der Atemluft arbeitet, ist doppelt ausgelegt. Im Notfall kann auch ein Bremsfallschirm ausgelöst werden, der das Flugzeug sehr schnell in niedrige Höhen sinken lassen kann. Dort können sich die Piloten mit konventionellen Fallschirmen retten.

Ulf Rosenow ist freier Kolumnist von aeroTELEGRAPH. Er war Professor für Medizinische Physik an der Universität Göttingen und betreibt seit mehr als 60 Jahren den Sport Segelflug und ist heute auch Fluglehrer. Die Meinung der freien Kolumnisten muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.