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Social-Media-Chef

Ryanair verliert ihre Geheimwaffe

Die Social-Media-Präsenz des irischen Billigfliegers ist legendär. Jetzt verliert Ryanair den Mann, der dafür verantwortlich ist.

Manchmal sollte man es gar nicht erst versuchen – das scheint die Strategie hinter der Social-Media-Präsenz von Ryanair zu sein. Statt auf Instagram und Twitter Marketingbotschaften zu verbreiten und Kunden auf wütende Anfragen hin zu beschwichtigen, wird die irische Billigairline dort voll ihrem Ruf gerecht.

Beschweren sich Reisende, dass sie zu wenig Beinfreiheit auf ihrem Flug hatten, kommt statt einer Entschuldigung eine Breitseite. «Updatest du dann auch dein Tinder-Profil?», so etwa die Erwiderung auf einen Tweet, in dem ein Mann zu einem Foto seiner Knie nahe dem Vordersitz schrieb, er sei nur 1,70 Meter groß.

Frech zur Kundschaft

Wer zehn Euro für Flüge bezahlt, so der Subtext der Posts, hat auch kein Recht sich zu beschweren, wenn es nicht so gemütlich ist. Internet? Extras? Essen? Nicht bei Ryanair.

 

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Und auch wenn die Leute sagen, sie fliegen nie wieder mit der Airline – Ryanair weiß: Die meisten Menschen entscheiden am Ende eben doch über den Preis.

Öffentliche Kündigung

Mit den lustigen Repliken und selbstironischen Memes schafft die Airline es, den Menschen, die sich sonst über sie beschweren, in vielen Fällen noch ein Lächeln zu entlocken – oder sie so vorzuführen, dass sie den nächsten Beschwerde-Tweet lieber nicht verschicken.

Doch so lustig es bei Instagram und Twitter aussieht – hinter den Kulissen brodelte es offenbar, wie sich nun zeigt. Denn der Mann, der für die Social-Media-Strategie der Airline verantwortlich ist, hat gekündigt. Und das nicht irgendwie, sondern eben genau da: öffentlich in den Sozialen Medien.

Lektionen gelernt

Was er dort über seinen Arbeitgeber zu sagen hat, liest sich nicht schmeichelhaft. Er habe bereits am 3. August gekündigt und sei seither beurlaubt, schreibt Michael Corchoran bei Twitter. «Ich könnte die übliche Linkedin-Quatsch-Abschlussrede halten, aber darauf verzichte ich. Das bin nicht ich. Also, schnallen Sie sich an.»

Er sei oft gefragt worden, warum er gekündigt habe. Und er wolle nicht lügen, aber müsse wegen der mögliche rechtlichen Konsequenzen vorsichtig sein. Corchoran teilt also «Lektionen» mit, die er in seiner Zeit bei Ryanair gelernt hat.

«Jeder hat seine Agenda»

Unter dem Strich seien das folgende: «Egal wie gut du bist, es wird immer Idioten geben, die dich runtermachen. Die Personalabteilung ist dazu da, das Haus zu schützen. Dein Vorgesetzter ist NICHT dein Freund. Jeder hat seine eigene Agenda. Jemand kann immer noch als nett rüberkommen und ein Tyrann sein.»

Er prangert an, dass Vorgesetzte statt konstruktiver Kritik Beleidigungen und persönliche Angriffe nutzten, um ihn und sein Team einzuschüchtern. Statt die Mitarbeitenden zu schützen, würde ihnen die Personalabteilung dann aber in den Rücken fallen, denn auch vertrauliche Gespräche seien nicht vertraulich. Laut einem Bericht der Zeitung Irish Independent ist Corchoran nicht der einzige in seiner Abteilung, der das Unternehmen verlassen hat.

Ryanair: «Völliger Blödsinn»

Fünf Mitarbeitende seien gegangen. Laut Ryanair sind es allerdings nur drei und die Vorwürfe seien «völliger Blödsinn». Dass Leute gehen, sei angesichts der hohen Nachfrage nach fähigen Menschen im digitalen Bereich ganz normal.

Corchoran erklärt, er sei sehr stolz auf das, was er und sein Team erreicht hätten. Und er werde auch künftig nur Lob für sie übrig haben. Die Tweets und Posts der Airline kommen denn auch zunächst noch größtenteils im selben Ton daher. Bleibt abzuwarten, wie es in den kommenden Monaten weitergeht.