Regenwälder mit Single Trails für Biker, rasante Ziplines, Vulkane, Spaß unter Wasser, krasse Straßenpartys und DIY-Schokolade laden zum aktiven Erkunden der Karibikinsel ein.
Saint Lucia ist eine der südlichsten Karibikinseln und gehört zu den West Indies. Im 18. Jahrhundert verdienten die Kolonialherren gut mit dem Export von erstklassigem Kakao und Melasse. Mitte der Sechziger startete das Geschäft mit den Touristen, und findige Unternehmer eröffneten das erste «Couples Only All-inclusive»-Hotel der Karibik.
Saint Lucia hat als eines der wenigen Länder der Welt keine Armee. Die kleine Insel ist die Heimat von zwei Nobelpreisträgern (Sir William Arthur Lewis, 1979 für Wirtschaftswissenschaften; Sir Derek Walcott, 1992 für Literatur) und des international erfolgreichen Künstlers Llewellyn Xavier, der uns in seinem Atelier empfing.
Weitere Facts gefällig? Das erste Land der Welt, das nach einer Frau benannt wurde, gehört mit einer Fläche von 616 Quadratkilometern zu den 20 kleinsten Staaten der Welt. Es ist kleiner als der Stadtstaat Singapur, kommt aber auf stolze 158 Kilometer Küstenlänge. Nationalvogel ist der endemische Jacquot-Papagei. Ebenfalls endemisch ist die bis zu 2,5 Meter lange Saint-Lucia-Boa.
Beim Ziplining schießt man zwischen mächtigen Bäumen an daumendicken Drahtseilen 30 Meter über dem Boden des Regenwalds durch die Luft. Näher kann man dem Blätterdach des Regenwalds nicht kommen. Sind die Karabiner in die Trolleys auf den Führungsdrähten gehakt, kann es losgehen: «Fasst nie, nie an den Draht. Sonst sind eure Finger ab!» Dann kommt über Walkie-Talkie das «Go!» Und es geht im wahrsten Sinne des Wortes die Post ab: Je nach Körpergewicht kommen die Zipliner auf bis zu 40 Stundenkilometer, obwohl von Plattform zu Plattform nur wenig Gefälle überwunden wird.
Die Adrenalinausschüttung ist bei den ersten Fahrten recht hoch. Beim sogenannten Canopy-Ziplining oben am Berg legt man acht «Adrena-Lines» zurück, mit mäßigem Gefälle und bis zu 250 Meter weit. Nach der letzten Zipline geht es schweißtreibend durch tropisches Grün wieder bergauf zur Gondelstation.
Der Regenwald ist, abgesehen vom Gejohle der Zipliner, überraschend still. Von den auf der Insel gezählten 180 Vogelarten ist wenig zu hören. Das kenne ich aus Tropenwäldern anders. Die zirkadisch lärmenden, in Bäumen lebenden Antillen-Pfeiffrösche, die für den typischen Saint-Lucia-Soundtrack sorgen, bevorzugen die Küstenregionen.
Dafür gibt es funkelnde Blaustirn-Antillen-Kolibris, wilde Vanille, die 30 Meter hoch an den Urwaldbäumen klettert, riesige Farne, beindicke Lianen und Baumorchideen zu sehen. Auf der Rückfahrt mit der Aerial Tram ist sogar kurz der Ruf des endemischen Saint-Lucia-Papageis zu hören. Doch der verschwindet, kaum war er am Horizont zu sehen, sofort wieder im Regenwald.
Die Westküste der Karibikinsel erkundet man am besten per Boot. Der Skipper von Captain Mike’s schippert uns von Castries 20 Seemeilen bis nach Soufrière, der früheren Inselhauptstadt im Schatten der beiden berühmten Vulkankegel Gros Piton und Petit Piton.
Leider bekommen wir keine Delfine oder gar Grind- und Buckelwale zu sehen. Die bringen hier zwischen Oktober und Februar ihren Nachwuchs zur Welt. Das macht diese Gewässer zum Top-Spot für Walbeobachtungen mit sehr hoher Sichtungswahrscheinlichkeit.
Bei der Sunset-Cruise auf der 50-Fuß-Yacht des «Anse Chastanet» holt Skipper Kerwin zum Abschluss des Tages das Beste aus den vier, fünf Beaufort: «Erst ab fünf Beaufort Windstärke segelt man richtig!» Zum Tagesabschluss zeigt sich eine Schule von Delfinen, die uns längere Zeit backbords und steuerbords begleitet. Wunderbar …
Jesus lief übers Wasser. Besucher von Saint Lucia gehen dank Anthony Leonce auf dem Meeresgrund spazieren. Das Muskelpaket begrüßt uns am Strand von Pigeon Island mit einem Prankenhieb. Eine ausführliche Einführung und ein langer Haftungsausschluss später dürfen wir uns die massiven, über 30 Kilo schweren Seatrek-Helme auf die Schultern setzen. Zum Glück sind sie durch den Auftrieb unter Wasser deutlich leichter.
Dann geht es Schritt für Schritt abwärts bis auf sieben Meter unter dem Wasserspiegel. Schwimmende Pods versorgen uns über Schläuche mit Sauerstoff. Die Meeresgrundgänger sehen aus wie abgesoffene Teletubbies, der Gang erinnert an Moon Walks. Hat man sich an die «Schwerelosigkeit» gewöhnt, macht es Spaß.
Das Karibische Meer vertikal statt horizontal und tiefer als beim Schnorcheln zu erkunden, ist ein fast kontemplatives Erlebnis zwischen Hummern, Seegurken, Papageienfischen und Weichkorallen.
Feiern bis der Doc kommt? Streng genommen genügt ein Doc nicht, wenn – wie seit über drei Jahrzehnten – jeden Freitag in Gros Islet die härteste Straßenparty der Karibik startet. Verglichen mit dem Friday Night Jump-Up wirkt das Treiben in den Oktoberfestzelten wie die Jahresversammlung sedierter Zeugen Jehovas.
Tausende Feierwütige schieben sich durch die Straßen zwischen der Kirche St. Joseph the Worker und Bay Street. An jeder Kreuzung brutzeln Fisch und Spare Ribs auf Grillfässern. Haushohe Lautsprechertürme vor dem «Golden Apple» jagen Reggaeton- und Soca-Salven durch die tanzende Menge. Über allem hängen dichte Wolken von Marihuana. Bounty Rum aus Dreiliterflaschen fließt in Strömen und es wird getwerkt, bis die Schwarte kracht.
Der Strand von Anse Mamin grenzt direkt an die Bucht von Anse Chastanet mit Nick Troubetzkoys «Jade Mountain». Dort schweben die Reichen mit dem Hubschrauber ein. Die steile Schlaglochpiste vom Friedhof von Soufrière hinauf zum Hotel würde auch jedes Implantat ins Rutschen bringen.
Hinter dem Strand von Anse Mamin erstreckt sich bis zum Bergrücken ein 240 Hektar großer Abenteuerspielplatz mit Kolonialruinen aus dem 18. Jahrhundert, Urwaldbächen und Abkühlung versprechenden Gumpen.
Auf der ehemaligen Plantage hat Bike Saint Lucia ein 12 Kilometer langes Netz von Mountainbike-Routen und Single-Trails unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade angelegt. Über den Köpfen der Biker und neben den Trails wachsen Mangos, Guaven und Kokosnüsse. Helmtragen ist angeraten. Bevor es auf den superleichten, neuen Carbon-Bikes mit bissigen Scheibenbremsen ins Gelände geht, gibt Bike-Guide Joeven eine ausführliche Einweisung.
Wer das Jungle Biking mit Buntfischbeobachtungen abrunden möchte, steigt am besten vor dem Grand Caille Point und über dem Chastanet Reef ins Wasser, das nur wenige Meter vom Scuba Center entfernt beginnt und als bestes landnahes Schnorchelrevier der Insel gilt. Neben Rifffischen warten dort Oktopusse, Seepferdchen und Meeresschildkröten.
Kakao gedeiht am besten in Gesellschaft der «Kakaomütter» Kokos, Mango und Banane. Nur ein bis drei Prozent der feinen Blüten werden zu Kakaoschoten mit je 30 bis 60 Bohnen. Das und mehr erfahren wir auf Rabot Estate, der ältesten Kakao-Plantage der Insel vis-à-vis des Vulkankegels Petit Piton.
Wie Kakao zu Schokolade wird, lernt man im Kurs «Bean to Bar» des Project Chocolat. Das legt Wert auf Nachhaltigkeit, auch bei den freien Kakaobauern und -bäuerinnen aus der Umgebung. Sie liefern die gesunden Bohnen, die auf dem reichen Vulkanboden besonders prächtig gedeihen.
Und bekommen dafür faire Preise. Über die Non-Profit-Organisation Helen’s Daughters fördert das Project Chocolat besonders die Farmerinnen der Insel. Die Kakaobohnen aus Saint Lucia galten ab dem frühen 18. Jahrhundert als die besten der Welt. Und so wird aus einer Handvoll fermentierter Kakaobohnenstücke, etwas Kakaobutter und wenig Zucker eine wunderbare Schokolade: Das A und O ist, die Schotenstücke ausgiebig und mit Wumms in einem Mörser zu traktieren, bis eine homogene, viskose Masse entsteht. Dann stößelt man die Kakaobutter sowie etwas Zucker unter. Abkühlen lassen – et voilà: Schmeckt sehr gut!
Rabot Estate rühmt sich, der weltweit erste Chocolatier zu sein, der eine lagenreine Schokolade produziert. Die Trinitario-Bohnen der «Marcial 70 %» stammen alle aus der Lage Côtes Marcial. Also nicht nur «single origin» (aus einem Land) oder «single estate», sondern «single côte». Trinitario, ein Hybrid aus dem gängigen Forastero- und dem Criollo-Kakao, ist bekannt für seinen vollmundigen Geschmack nach Shiraz-Wein sowie getrockneten Pflaumen.
Anreise: Keine Direktflüge. Mit British Airways nach London Heathrow, weiter von London Gatwick nach Saint Lucia (UVF). Ohne Flughafenwechsel mit Air France über Paris nach Martinique und mit der Fähre (90 Min.) von Fort-de-France nach Saint Lucia.
Zusätzlich: Ab Frankfurt, München, Zürich oder Wien via London (BA), Paris (AF) oder Amsterdam (KLM) nach Saint Lucia. Alternativ via New York oder Miami (diverse Airlines).
Hotel-Tipps: «Calabash Cove Resort & Spa» 26 Zimmer und wunderschöne Pool-Cottages im Vintage-Style direkt am Meer, auf Wunsch gibt es «Unconditional All-Inclusive» unter anderem mit täglich Hummer zur Saison sowie hochwertigen Weinen und Spirituosen. Toll gelegen in einer geschützten Bucht, nur fünf Autominuten von Castries und Rodney Bay. Sehr gute Küche. Cottage/AI ab 1.200 Euro. calabashcove.com
«Stolen Time» Direkt am Malabar-Strand gelegen mit einem prächtigen Garten. 100 Zimmer. Das Strandrestaurant «Malabar» tischt hervorragende Küche auf. Gutes Spa. DZ/AI ab 650 Euro. stolentime.com
«Cap Maison Resort & Spa» Maurisch-andalusisches Design, Spitzenküche und exklusiv zugänglicher Strand mit dem beliebten Lokal «The Naked Fisherman». Restaurant und Bar kleben dramatisch am Kliff. Seit Kurzem Mitglied von Relais & Châteaux. DZ/F ab 550 Euro. capmaison.com
Infos zu Saint Lucia: Ideen und Infos auf der offiziellen Website: stlucia.org
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