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Hans Joachim Pabst von Ohain

Ein Sachsen-Anhalter war Vater des ersten Düsentriebwerks

Ein deutscher Physiker entwickelte in den 1930er-Jahren das Triebwerk des ersten Düsenfliegers. Zeitgleich tüftelte auch in England ein Mann am neuen Antrieb. Sie wussten nichts voneinander.

Wer der Erfinder des Düsentriebwerks ist, darüber lässt sich auch heute noch streiten. In den 1930er-Jahren tüftelten zeitgleich zwei Männer an einem vollkommen neuen Antrieb für Flugzeuge, der die Welt deutlich schrumpfen lassen sollte. Damals segelten Flugzeuge entweder oder wurden mit Propellern vorangebracht, die von Kolbenmotoren angetrieben wurden.

Das wollten die beiden Forscher ändern. Ein Aggregat saugt Luft an, quetscht sie zusammen und zündet sie danach an. Es entsteht ein Luftstrahl mit hohen Druck, der ein Flugzeug deutlich schneller als ein Propellermotor antreibt. Mit dieser Idee machten sich der Engländer Frank Whittle und der deutsche Hans Joachim Pabst von Ohain gleichzeitig ans Werk. Von einem gesunden Wettbewerb oder Teamwork konnte nicht die Rede sein.

Ein Ex-Kamfpilot und ein unzufriedener Passagier

Beide Entwickler wussten jeweils nicht vom anderen. Auch trieb ein ganz anderer Ansporn die Pioniere an. Als ehemaliger Pilot der britischen Royal Air Force wusste Whittle aus eigener Erfahrung von der Wichtigkeit von Geschwindigkeit im Kurvenkampf mit Gegnern.

Von Ohain wollte hingegen Passagierflugzeuge schneller und komfortabler machen. Beim Mitflug in einer Junkers Ju- 52 störten den in Dessau in Sachsen-Anhalt geborenen Physiker Lautstärke, Vibrationen sowie Gerüche der Propellermotoren. Flugreisen stellte sich der Deutsche mit mehr Komfort und Eleganz vor.

Britische Regierung erst mit wenig Interesse

1936 meldete Von Ohain seine Idee eines Triebwerks als Patent an. Ein Jahr später erhielt er es. Ein erstes Demonstrationsmodell funktionierte allerdings nicht. Doch es weckt das Interesse von Ernst Heinkel. Der innovationsfreudige Besitzer des gleichnamigen Flugzeugherstellers wird ein Förderer des Forschers.

Bereits 1930 hatte Whittle ein Patent für ein Düsentriebwerk angemeldet. Dies basierte auf demselben Prinzip wie Ohains Patent, wies aber bauliche Unterschiede auf. Erhoffe Gelder vom britischen Luftfahrtministerium bekam der Engländer nicht. Obwohl die Pläne detailliert ausgearbeitet waren, gab es kein Interesse am Bau der Innovation. Whittle legte das Projekt vorerst auf Eis und bildete sich zum Ingenieur weiter.

Zweiter Anlauf Fünf Jahre später

Erst 1935 forderten zwei Offiziere der Royal Air Force Whittle dazu auf, die Arbeiten an seinem Düsentriebwerk wieder aufzunehmen. Mit eigens gegründeter Firma und geliehenem Geld fertigt der Engländer 1937 einen Prototyp. Trotz fehlgeschlagener Versuchsläufe bekommt er nun auch eine Förderung des Luftfahrtministeriums.

Ungefähr zur selben Zeit erfolgten die ersten Probeläufe des deutschen Düsenmotors. Vorerst mit Wasserstoff angetrieben, läuft in Rostock erstmals das HeS-3-Triebwerk. Noch bevor eine mit Kerosin angetriebene Variante fertig entwickelt war, gab Heinkel bereits den Bau eines Flugzeugs in Auftrag.

Erster Jet hob kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ab

Diese war die Heinkel He 178. Diese gewann das Rennen um den ersten Flug eines Düsenfliegers am 27. August 1939, nur wenige Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Etwa eineinhalb Jahre später konnten die Briten am 15. Mai 1940 ihren ersten Jet in die Luft schicken.

Das von Whittle entwickelte Power-Jets-W1-Triebwerk trieb eine Gloster E.28/39 an. Das Strahlflugzeug legte den Grundstein für die Gloster Meteor. Mit bereits zwei Triebwerken wurde die Nachfolgerin 1944 als erster britischer Düsenjäger in den Dienst der Royal Air Force gestellt.

Produktion mit KZ-Zwangsarbeitern

Ebenfalls durch den Zweiten Weltkrieg vorangetrieben wurden die Entwicklungen im Deutschen Reich. Aus der Heinkel He 178 ging die Produktion der zweistrahligen Messerschmitt Me 262 hervor, die ebenfalls 1944 in den Dienst der Luftwaffe gestellt wurde. Die He 178 und von Ohains Triebwerk mündeten nicht nur im Gegenstück der Gloster Meteor, sondern hatten auch Gräueltaten des NS-Regimes zur Folge.

Für die Produktion der Me 262 wurden Inhaftierte mehrerer Konzentrationslager als Zwangsarbeiter genutzt. Während des Zweiten Weltkriegs setzte von Ohain im Auftrag von Nazi-Deutschland seine Forschungen an Flugzeugtriebwerken fort. 1947 wurde er wie viele andere deutsche Luftfahrt- oder Raketeningenieure in die Vereinigten Staaten gebracht, wo er im Dienste der USA weiter an Luftfahrtsystemen forschte.

Antwort gefunden

Zwischen Whittle und von Ohain entwickelte sich in den Nachkriegsjahren eine enge Freundschaft. In der Frage, wer das Rennen um das erste Düsentriebwerk gemacht hat, fanden die einst unbekannten Kontrahenten eine Antwort: Es war ein Unentschieden.

Sehen Sie in der oben stehenden Bildergalerie Aufnahme von Whittle und von Ohain sowie den ersten Düsenfliegern.