Sie röhrt, vibriert und fliegt trotzdem. Die Boeing 737-200 C von Air Inuit ist ein echtes Relikt der Luftfahrtgeschichte. Jetzt wird sie ausgeflottet.
Sie startete ihre Karriere in Afrika. 1978 wurde die Boeing 737-200 C direkt vom Werk in Renton bei Seattle an Air Gabon ausgeliefert. Nach 30 Jahren wechselte sie kurzzeitig zu Air Congo. Dann kam der große klimatisch Wechsel. Vor 15 Jahren landete das Flugzeug mit der Seriennummer 21467 im eisigen Norden Kanadas.
Dort trotzt es bis heute Wind, Schnee und Nebel und ist für Air Inuit auf lebenswichtigen Versorgungsflügen im Einsatz. Die C-GMAI gehört zu den seltenen 737-200 C. Das C steht für Convertible. Ihr großes Frachttor vorne links erlaubt es, die Kabine innerhalb weniger Stunden vom Passagierflieger zum Frachter umzurüsten.
In der Regel ist sie als Combi unterwegs: Fracht vorn, Passagiere hinten. Doch auf unserem Flug nach Puvirnituq war sie voll bestuhlt. Mehrere wetterbedingt ausgefallene Flüge hatten einen Passagierstau verursacht – die Fracht folgte auf einem separaten Flug. Doch Puvirnituq empfing uns nicht mit offenen Armen. Dichte Wolken, Starkregen und Bodennebel zwangen uns zur Ausweichlandung in La Grande Rivière (Iata-Code: YGL).
Kein Einzelfall, wie die Crew erzählt: Besonders im Sommer und tiefen Winter sei das Wetter unberechenbar. Die Piste in Puvirnituq – nur 1900 Meter lang und unbefestigt – lässt kaum Spielraum. Versorgungsflüge werden regelmäßig gestrichen oder umgeleitet, mit teils gravierenden Folgen für die abgelegene Inuit-Gemeinde nördlich von Montreal.
Genau deshalb ist der robuste Jet für Air Inuit so wichtig. Er ist nicht hübsch, aber hart im Nehmen. Mit seinen lauten JT8D-Triebwerken von Pratt & Whitney, die bei Start und Landung wie ein Donnerschlag durch die Kabine hallen, ist er ein Anachronismus in der modernen Luftfahrt. Im Cockpit wurden zwar inzwischen Bildschirme installiert, doch die klassische Uhren-Instrumentierung dominiert weiterhin. Die Ledersitze sind bequem, das Flugerlebnis bleibt jedoch rustikal.
Technisch gesehen war die 737-200 ein Meilenstein. Sie ist rund 30 Meter lang, bietet Platz für etwa 120 Passagiere, hat eine Reichweite von bis zu 3.700 Kilometern und erreicht eine Reisegeschwindigkeit von etwa 780 Kilometern pro Stunde. Angetrieben wird sie von zwei Pratt & Whitney JT8D-Turbofans, die bis heute den markanten Sound dieser Generation prägen.
Doch die Tage der fliegenden Legende sind gezählt. Ersatzteile sind knapp, die Wartung aufwendig, der Betrieb teuer. Air Inuit hat bereits moderne Boeing 737 eingeflottet. Und mit dem geplanten Ausbau der Piste in Puvirnituq ab Ende 2025 könnten moderne Jets den zuverlässigen Oldie bald endgültig ablösen.
Air Inuit selbst wurde 1978 gegründet und operiert heute von Montreal aus. Sie verbindet die entlegenen Siedlungen der Inuit mit dem Rest des Landes – oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Neben den Boeing 737 betreibt sie auch Twin Otter und Dash 8 – Maschinen, die selbst auf winzigen, abgelegenen Pisten landen können – im Winter sogar auf Skiern.
Der Abschied von der 737-200 C wird spätestens zum Jahresende kommen. Aber bis dahin fliegt sie weiter. Laut. Stark. Unermüdlich. Ein Jet, wie gemacht für den Norden.
In der folgenden Bildergalerie sehen Sie Fotos der Boeing 737-200 C von Air Inuit. Ein Klick aufs Bild öffnet die Galerie im Großformat.