General Atomics Aerotec lässt ein deutsches Flugzeug-Urgestein neu aufleben: Die Do 228 wird in Oberpfaffenhofen zur NXT weiterentwickelt. Es entsteht ein Turboprop-Flieger für anspruchsvolle Einsätze – mit europäischen Komponenten und bewährter Technik.
Gauting, Gilching und Weßling sind typische oberbayerische Gemeinden. Es gibt lokale Geschäfte, Discounterfilialen am Ortsrand, Kneipen, Gewerbebetriebe, Bauernhöfe und viele Wohnhäuser. Und rundherum viel liebliche Natur. Ihre Namen kennt außerhalb der Region kaum jemand. Dabei wird hier an der Zukunft der Luft- und Raumfahrt gearbeitet.
Auf dem Boden der drei Kommunen liegt der Sonderflughafen Oberpfaffenhofen. Und dort haben sich Dutzende kleinere und größere Unternehmen der Branche angesiedelt, die insgesamt mehr als 8000 Menschen beschäftigen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR forscht und lehrt beispielsweise hier. Lilium wollte von Oberpfaffenhofen aus die Welt erobern. Am Airport mit dem Iata-Code OBF hat auch Deutsche Aircraft ihren Sitz, die mit der D328 Eco gerade das erste neue Passagierflugzeug in Deutschland seit 30 Jahren entwickelt.
Auch auf der gegenüberliegenden Seite des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen entsteht gerade ein neues Flugzeug - allerdings eher im Stillen und fernab des Scheinwerferlichts. In einem unscheinbaren, grau-beigen Gebäude mit Hangar sitzt General Atomics Aerotec. Das deutsche Unternehmen, Teil des privaten amerikanischen Konzerns General Atomics, entwickelt wie Deutsche Aircraft ein ehemaliges Dornier-Modell weiter. Es hat von Ruag die Rechte an der Do 228 gekauft.
Der staatliche Schweizer Rüstungskonzern hatte versucht, den Turbopropflieger modernisiert als Do 228 NG wieder zum Kassenschlager zu machen - scheiterte damit aber kläglich. Der neue Eigentümer ist dennoch sehr optimistisch. «Die Dornier Do 228 ist ein sehr effizientes Flugzeug, das seine Fähigkeiten bewiesen hat», sagt Programmleiterin Martina Hierle im Gespräch mit aeroTELEGRAPH. Sie hat Luftfahrtechnik studiert und ist heute zugleich eine von drei Testpilotinnen und -piloten von General Atomics Aerotec.
Auf diesen bewährten Fähigkeiten der Do 228 baue man auf, so Hierle. Die Neuversion nennt sich Do 228 NXT und bekam gegenüber der Vorgängerin NG - die bereits eine völlig neue Avionik mit Glascockpit und stärkeren Triebwerke brachte - einige Design- und Systemverbesserungen.
Die Do 228 NXT ist aber keine neue Modellvariante. Sie basiert auf der Do 228 und deren Musterzulassung. Das vereinfacht und beschleunigt die Zulassung. Nur die neuen Komponenten und Änderungen müssen getestet und genehmigt werden und nicht das ganze Flugzeug.
Im Hangar in Oberpfaffenhofen bauen die Arbeiterinnen und Arbeiter bereits am Rumpf des ersten Flugzeugs. «Dieses erste Serienflugzeug wird gegen Ende des Jahres fertiggestellt und als Testflugzeug bei uns eingesetzt», sagt Hierle. In den kommenden Wochen beginnen die Fachleute von General Atomics Aerotec mit dem weiteren Ausbau, dem Einbau der Elektrik und Avionik sowie mit der Montage der Tragfläche.
Sechs bis neun Monate braucht es künftig in etwa, bis eine neue Do 228 NXT fertig ist. «Wir haben einen riesigen Vorteil, weil das Know-how im Unternehmen nie verloren ging», sagt Hierle. «Und mit den vielen erfahrenen Kollegen können wir effizient und mit hoher Qualität wieder Flugzeuge bauen.»
Ruag hatte noch einen Teil der Produktion nach Indien verlagert. Das führte zu Qualitätsproblemen. Das hat General Atomics Aerotec geändert. Um eine zuverlässige Lieferkette sowie eine gleichbleibende hohe Produktqualität sicherzustellen, kommen nahezu alle Zulieferer wieder aus Europa.
Die Flugzeugzelle beispielsweise stammt aus Frankreich, das Fahrwerk und fast alle Kompositteile sowie hochfeste Dreh- und Frästeile aus Deutschland. Auch die Tragflächen werden in der Bundesrepublik gefräst, ebenso werden die Tragflächenpanele und Holmkästen in der Heimat vorgefertigt. Die Endmontage findet in Oberpfaffenhofen statt.
Das Management von General Atomics Aerotec plant mit einer Jahresproduktion von rund fünf bis acht Do 228 NXT pro Jahr. «Maximal könnten wir zehn Flugzeuge bauen. Dafür müssten wir aber noch mehr Platz schaffen», sagt Hierle. Bestellungen liegen bereits einige vor, die genaue Zahl will die Programmleiterin allerdings nicht verraten.
Noch heute fliegen rund 120 Dornier Do 228 weltweit. Teilweise haben sie bereits 50.000 Flüge absolviert. Ihre Betreiber hat man in Oberpfaffenhofen als Kunden für die NXT im Visier. «Asien ist beispielsweise für uns ein sehr interessanter Markt», erklärt Hierle.
Dabei geht es auch um die Passagiermaschinen, die beispielsweise den legendären Himalaya-Flughafen Lukla in Nepal ansteuern, bekannt für seinen anspruchsvollen Anflug, seine kurze Landebahn und extreme Wetterbedingungen. Besonderes Augenmerk legt General Atomics Aerotec aber auf Flugzeuge, die für Spezialmissionen wie die Küstenüberwachung oder Such- und Rettungsaufgaben eingesetzt werden.
Der deutsche Regionalflieger konkurriert mit der L-410 NG von Let in Tschechien und der De Havilland DHC-6 Twin Otter, die als Classic 300-G neu aufgelegt wird. Die Endmontage in Deutschland erachtet man bei General Atomics Aerotec nicht als Nachteil. «Wir haben zwar leicht höhere Produktionskosten», sagt Hierle. Doch wenn man die gesamten Kosten über die Lebensdauer des Flugzeuges anschaue, sehe es anders aus. «Da sind wir mit der Do 228 NXT sehr attraktiv.»
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