Offiziell verfügt die Ambitious Air Mobility Group über Hunderte Millionen Euro zur Investition. Rund um den Interessenten an Lilium gibt es aber ein Netz aus kaum bekannten Firmen, nebulösen Beziehungen und gescheiterten Schweizer Start-ups.
Fast ein Monat nachdem Ambitious Air Mobility Group als jüngster Interessent für die verbliebenen Teile von Lilium aufgetreten ist, gibt es noch immer kaum öffentliche Informationen darüber, wer die Operation finanziert oder über den Hintergrund ihrer Manager. Die in den Niederlanden registrierte Gruppe gab am 8. August bekannt, dass sie an einem Erwerb der Vermögenswerte des insolventen deutschen Entwicklers von Evtols interessiert sei und die Entwicklung des Lilium Jets wiederaufnehmen wolle.
«Wir freuen uns über die Gelegenheit, diese Plattform weiterzuführen, in sie zu investieren und ihr volles Potenzial auszuschöpfen», wurde damals Vorstandschef Robert Kamp zitiert. Doch Ambitious Air Mobility Group hat bislang nur spärliche Details über sich selbst geliefert. In einer Pressemitteilung vom 14. August zu ihrem Interesse an Lilium bezeichnet sie sich als «europäische Industrie- und Investmentholdinggesellschaft, die sich auf die Beschleunigung der nachhaltigen Transformation der Luftfahrt konzentriert».
Ambitious Air Mobility Group bringe, so heißt es, «Kapitalpartner, Luftfahrtexperten und Infrastrukturentwickler zusammen, um kommerziell tragfähige Lösungen für Advanced Air Mobility zu liefern». Niederländische Handelsregisterdokumente zeigen, dass das Unternehmen – auch bekannt als AAMG-NL Holding – am 8. August 2025 gegründet wurde, mit Robert Jan Kamp und Liza Marjolyn Vraets als Geschäftsführern.
Die Website von Ambitious Air Mobility Group beschreibt das Geschäft seit einiger Zeit als «eine Kooperation zwischen Air Mobility - Japan und der Ambitious Group». Am 27. August teilte sie mit, dass sie einen nicht offengelegten Betrag in Air Mobility investiert habe und dafür eine «bedeutende Beteiligung» erhalten habe, welche die «Präsenz in einem der weltweit strategisch wichtigsten Märkte für Advanced Air Mobility erweitert».
Air Mobility, 2019 gegründet und mit Sitz in Tokio, erklärt, dass sie eine «[Infrastruktur]plattform für sichere Flugauto-Operationen» entwickle und mehrere Vereinbarungen mit anderen Drohnen- und Evtol-Herstellern geschlossen habe. In einer übersetzten Version einer Pressemitteilung vom 19. August erklärte Air Mobility, man arbeite mit Ambitious Air Mobility Group bei der «Übernahme und Rekonstruktion» von Lilium zusammen.
Die Verbindungen zwischen den Unternehmen wurden am 3. September noch deutlicher, als bekannt gegeben wurde, dass das Schweizer Bodenstrom-Start-up Watt Any Where eine Investition von 20 Millionen Euro von «der Ambitious Air Mobility Group, zu der auch Japans Air Mobility gehört», gesichert habe. Doch die genaue Natur der Beziehung zwischen AAMG und Air Mobility bleibt schwer zu fassen. Sind sie Partner, zwei Hälften eines Joint Ventures oder ist eines inzwischen eine Tochtergesellschaft des anderen?
Ambitious Air Mobility Group beantwortete Fragen zu seiner Beziehung mit Air Mobility bis zum Erscheinen des Artikels nicht. Beide Unternehmen hatten zuvor Verbindungen zu Lilium, da sie vor Beginn der Insolvenz 2024 Kooperationsvereinbarungen mit dem Evtol-Entwickler geschlossen hatten.
Tatsächlich verwandelte Ambitious Air Mobility Group im Dezember letzten Jahres – als sich die beiden Betriebsgesellschaften Lilium GmbH und Lilium eAircraft GmbH bereits in Eigenverwaltung befanden – ihre Vorbestellung für den Lilium Jet in einen «verbindlichen Kaufvertrag» über acht Einheiten plus sechs Optionen.
Doch die Lilium-Pressemitteilung verweist auf eine Vereinbarung mit «The Ambitious Group, einem ausführenden Evtol-Betreiber, der erste Operationen von Marbella und Amsterdam aus plant». Es ist unklar, welches Unternehmen den Vertrag mit Lilium unterzeichnet hat, zumal die Gründung von AAMG erst Anfang August datiert.
Bei der Bekanntgabe ihrer neuen Pläne zur Wiederbelebung von Lilium erklärte Ambitious Air Mobility Group, dass sie über 250 Millionen Euro an «verpflichtetem Kapital» verfüge, mit Zugang zu weiteren 500 Millionen Euro. Details zu den Geldgebern wurden allerdings nicht offengelegt, obwohl Medienberichte andernorts die Beteiligung des Businessjet-Betreibers Luxaviation und seiner auf Evtol fokussierten Tochter Sigma Air Mobility nannten.
Tatsächlich verweist eine archivierte Version der Website von Ambitious Air Mobility Group sogar auf das Unternehmen als «ein JV zwischen Sigma Air Mobility/Luxaviation und The Ambitious Group». Weder Luxaviation noch Sigma sind für Lilium unbekannt: Ersteres gab 2021 eine umfassende Partnerschaft zur Zusammenarbeit bei der Einführung von Airline-Operationen mit dem Lilium Jet bekannt, während Ambitious Air Mobility Groupim März 2024 eine Partnerschaft mit Sigma für den Betrieb von sechs Jets in der Benelux-Region ab 2026 ankündigte.
Auch hier scheint die Vereinbarung mit Sigma nicht mit Ambitious Air Mobility Group geschlossen worden zu sein: In Marketingunterlagen, die auf der Website von Ambitious Air Mobility Group gehostet werden, wird nur das Emirat-Unternehmen Be Ambitious FZC erwähnt, das offenbar der registrierte Name für die in Dubai ansässige The Ambitious Group ist. Wir zu erfahren ist, wurde die vorläufige Kooperationsvereinbarung mit Sigma zwar Anfang letzten Jahres unterzeichnet, machte jedoch bis zu ihrer Beendigung im September kaum Fortschritte.
Während die archivierte Version der Ambitious Air Mobility Group-Website sagt «wir sind stolz, eine Kooperation 2023 mit Lilium und Sigma Air Mobility für exklusive Projekte mit dem revolutionären Lilium Jet bekanntzugeben», lautet der aktualisierte Text nun «wir sind stolz, eine Kooperation 2023 mit Lilium und Air Mobility - Japan 2025 für exklusive Projekte mit dem revolutionären Lilium Jet bekanntzugeben».
Sowohl Luxaviation als auch Sigma haben sich von den Übernahmeplänen distanziert und erklärt: «Luxaviation und Sigma Air Mobility operieren unabhängig von Flugzeugherstellern, sodass wir für jede Mission die geeignetsten Flugzeuge auswählen können, ohne Beteiligungen einzugehen. Jede Behauptung, Luxaviation und Sigma Air Mobility seien an der Übernahme eines Flugzeugherstellers beteiligt oder hätten Anteile an einem solchen übernommen, ist falsch.»
Auch die Website von Ambitious Air Mobility Group ist in Bezug auf laufende Aktivitäten dünn. Sie listet eine Reihe «laufender Projekte» auf, die geplante City-to-City-Verbindungsnetze in der niederländischen Karibik, Europa, Nordafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten für den späteren Verlauf dieses Jahrzehnts erwähnen. Allerdings ist unklar, wie weit diese vorangeschritten sind – wenn überhaupt. Ambitious Air Mobility Group beantwortete Fragen zu ihren bisherigen Fortschritten nicht.
Darüber hinaus verweist die Ambitious Air Mobility Group-Website auf Vereinbarungen mit zwei weiteren Entwicklern von Advanced Air Mobility, Ascendance Flight Technologies und Volt Aero, die sich auf den künftigen Betrieb ihrer jeweiligen Hybrid-Elektroflugzeuge Atea und Cassio auf europäischen Strecken beziehen. Da der Lilium Jet jedoch ein direkter Konkurrent von Atea und Cassio auf Regionalstrecken wäre, ist unklar, ob eines der beiden Unternehmen diese Vereinbarungen weiterführen will, falls Ambitious Air Mobility Group als Eigentümer eines de-facto-Rivalen hervorgeht. Ambitious Air Mobility Group beantwortete Fragen zur weiteren Gültigkeit dieser Vereinbarungen nicht.
Auch über Be Ambitious/The Ambitious Group sind nur wenige Details bekannt. Auf ihrer Website werden vier Projektbereiche aufgelistet: der Lilium Jet, Abfallwirtschaft, medizinische Dienstleistungen und Rohstoffe. Im letztgenannten Bereich wirbt die Firma mit dem Import einer breiten Palette von Lebensmitteln aus Brasilien, bis hin zur Beschaffung von Hühnerfüßen für den chinesischen Markt. Kontaktdaten auf der AAMG-Website erweisen die Nutzer zudem auf ein anderes Unternehmen, Stay Ambitious mit Sitz in Marbella in Spanien.
Spanische Handelsregisterdokumente nennen Robert Jan Kamp als alleinigen Gesellschafter von Stay Ambitious. Die Firma scheint nur eines von mehreren europäischen Unternehmen zu sein, die Kamp geführt hat. Auffällig ist, dass das Schweizer Handelsregister ihn als Direktor oder Vorsitzenden von drei Unternehmen in der Schweiz aufführt: Lion Guard Medical AG, E-Scooter World Europe GmbH und New Aventurine GmbH. Liza Marjolyn Vraets – Kamps Mitdirektorin bei AAMG – wird ebenfalls als ehemalige Direktorin von New Aventurine GmbH genannt.
Alle drei Schweizer Unternehmen wurden im Verlauf von 2022 und 2023 liquidiert, nachdem sie nur wenige Jahre aktiv waren. In jedem Fall wurde das Liquidationsverfahren laut den Dokumenten «mangels Aktiven» eingestellt. Ambitious Air Mobility Group beantwortete Fragen zur Rolle von Kamp oder Vraets bei der Führung dieser Unternehmen, zur Art dieser Geschäfte oder zu den Gründen für ihre Schließung nicht.
Unterdessen scheint die mögliche Übernahme der Lilium-Vermögenswerte vom Insolvenzverwalter Pluta nicht näher an einem Abschluss. «Wir führen Gespräche und Verhandlungen mit interessierten Parteien über den Verkauf von Lilium als Ganzes oder den Verkauf einzelner Vermögenswerte», sagt Insolvenzverwalter Ivo-Meinert Willrodt. «Der angeforderte Nachweis der Kaufpreisfinanzierung wurde noch nicht vorgelegt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Kaufvertragsverhandlungen. Das ist ein Standardverfahren. Weitere Details können wir nicht bekannt geben.»
Trotzdem scheint Ambitious Air Mobility Group entschlossen, den Lilium Jet wiederzubeleben. Mitte August gab das Unternehmen bekannt, einen Mietvertrag für Einrichtungen am Flughafen Oberpfaffenhofen in Bayern, der früheren Heimat von Lilium, unterzeichnet zu haben. Kamp sagt, das Unternehmen habe einen Vierjahresvertrag abgeschlossen, mit der Möglichkeit einer zweijährigen Verlängerung. Unterdessen hat Pluta die ehemalige Batteriefertigung von Lilium in Oberpfaffenhofen an den Elektroflugzeugentwickler Vaeridion verkauft.
Lilium war im vergangenen Herbst in die Insolvenz gegangen, nachdem dem Unternehmen das Geld ausgegangen war. Ein Versuch, das Geschäft an die Beteiligungsgesellschaft Lilium Aerospace zu verkaufen, scheiterte Anfang dieses Jahres mangels Finanzierung, sodass die Vermögenswerte der Lilium GmbH und Lilium eAircraft GmbH von den Insolvenzverwaltern kontrolliert werden.
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