Letzte Aktualisierung: um 23:17 Uhr

Austrian Airlines

Boeing 787 als logische Langstreckenlösung?

Bislang eher als Außenseiter gehandelt, könnte die Boeing 787 ein heißer Kandidat für den Widebody-Rollover bei Austrian Airlines sein.

Auch wenn in der Luftfahrt vieles komplett ungewiss ist – eines ist doch sicher: Die alternde Langstreckenflotte von Austrian Airlines wird nicht mehr ewig fliegen. Eher früher als später muss ein Nachfolgemuster der Boeing 767 und 777 gefunden werden – sollte die AUA in diesem Segment weiterhin aktiv sein wollen. Immerhin hat der Flotten-Methusalem – die Boeing 767 mit der Kennung OE-LAT – bereits mehr als 27 Jahre auf dem Buckel und auch die älteste Kollegin aus der 777-Reihe (OE-LPA) hat den Zwanziger auch schon hinter sich gelassen.

Über Ersatz wird intensiv nachgedacht – laut AUA-Chef Alexis von Hoensbroech soll zuerst die 767 ausgeflottet werden, danach die 777. Allerdings wird – auch das erklärte der CEO bei einem Mediengespräch letzte Woche – wohl nur noch ein Muster die Langstreckenflotte von Austrian Airlines bilden. Gegenüber aeroTELEGRAPH ergänzte von Hoensbroech, dass die Dimensionierung von Profitabilität und Rahmenbedingungen abhängig sei.

Dabei stellt sich natürlich die Gretchenfrage: Welcher Flugzeugtyp ist für Austrian Airlines am geeignetsten? Und welches passt am besten in die Konzernpolitik der Lufthansa Group? Grundsätzlich ist das Angebot ja nicht übermäßig groß: Von Airbus gibt es den A380 (der realistischerweise hier wohl nicht mitspielt), den A350 oder auch den A330 Neo. Boeing hat die 747 (auch dieses Muster wird für die AUA größentechnisch eher nicht interessant sein…), die 777 sowie die 787 im Langstrecken-Repertoire.

Eine Frage der Größe

Was muss das künftige Widebody-Fluggerät für die AUA können? Zuerst einmal muss es die richtige Größe für den Markt Österreich haben. Der Austrian-Hub Wien ist nicht Zürich und schon gar nicht München oder Frankfurt. Flugzeuge mit viel mehr als 300 Sitzen (bei der 777-200 ER als größtem Muster der AUA sind es 306) wären wohl nicht die erste Wahl. Daher sind Flieger wie die 777-300 ER von Swiss, die in einer Austrian-Bestuhlung rund 350 Plätze hätte, überdimensioniert. Ebenso auch der A350, der in der kleinsten Version -900 rund ebenso viele Passagiere befördern kann wie die Boeing 777-200. Für die Größenordnung der Boeing 767 bräuchte man dann ein zweites Muster – und das wäre bei einer relativ kleinen Langstreckenflotte nicht sinnvoll. Genauso wäre es übrigens auch bei der neuen Boeing 777X, die ebenfalls viel zu groß wäre.

Von Airbus gäbe es den A330 Neo, der rund 250 (A330-800) bis 300 (A330-900) Passagieren in einer Drei-Klassen-Konfiguration Platz bietet. Dieses Familie wäre an sich eine vernünftige Option: Ein relativ modernes Flugzeugmuster mit zwei ziemlich perfekt dimensionierten Varianten (in der 767 sind bei Austrian 211 Plätze eingebaut). Was die Größe betrifft, gibt es aber sicherlich noch einen anderen Favoriten: Die Boeing 787 – den Dreamliner. Laut Flurfunk aus dem AUA-Headquarter vielleicht sogar der Favorit – und zwar aus zwei nachvollziehbaren Gründen.

Zum einen ist dieses Flugzeug hinsichtlich der Größe wohl ideal für die Ansprüche von Austrian Airlines: In einer Drei-Klassen-Konfiguration (Business/Premium Eco/Eco) bietet die 787-8 rund 220, die 787-9 etwa 270 und die größte 787-10 rund 310 Plätze – wohl ideal für Austrian Airlines und den Hub Wien. Allerdings wäre eine potentielle AUA-Dreamliner-Flotte innerhalb des Lufthansa-Konzerns relativ alleine – keine andere Airline setzt dieses Muster ein. Das ist zwar vielleicht ein Punkt, der gegen die 787 spricht – unter Umständen ist aber genau das auch ein Argument für Boeing.

Massiver Airbus-Überhang im Lufthansa-Konzern

Derzeit ist die Konzernlangstreckenflotte nämlich extrem Airbus-lastig: Bei Lufthansa Passage stehen laut airfleets.net 72 Airbus A330, A340 und A380 nur 32 Boeing 747 gegenüber. Bei Swiss sieht es etwas anders aus: 19 Airbus A330 und A340 haben die Schweizer im Vergleich zu 10 Boeing 777 in der Flotte. Deren Schwester Edelweiss betreibt mit sechs Airbus A330 und A340 genauso wie Brussels mit 15 Exemplaren dieser beiden Typen eine reine Airbus-Langstreckenflotte. Und auch für Eurowings fliegen ausschließlich Airbus-Flugzeuge – nämlich acht A330.

Bei der AUA schließlich versehen die 12 Oldies der Typen Boeing 767 und 777 ihre Dienste. Unter dem Strich sind es also 120 Airbus-Flugzeuge und 54 Boeing-Maschinen, die für die Lufthansa Group im Passagierverkehr auf der Langstrecke unterwegs sind. Auf der Kurz- und Mittelstrecke ist das Match A gegen B schon lange für Airbus ausgegangen – hier ist die A320-Familie federführend, die Boeing 737 ist bei den genannten Fluglinien nicht mehr im Einsatz.

So gesehen wäre die 787 zwar vielleicht “the new kid on the block” bei Lufthansa – andererseits ist es auch vorstellbar, dass die Amerikaner dem Kranich-Konzern eine größere Dreamliner-Bestellung finanziell schmackhaft machen. Und auch für Lufthansa wäre ein Deal mit Boeing ein Ausgleich zur aktuellen Airbus-Übermacht bei den Konzernairlines. Dass es Gespräche zwischen Lufthansa und Boeing zum Thema “Dreamliner” gibt, ist auch kein Geheimnis. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte im Interview zu eventuellen Airbus A350- oder Boeing 787-Bestellungen auch: “Wir würden A350 und B787 nicht am gleichen Drehkreuz nebeneinander betreiben, aber an unterschiedlichen Standorten kann das durchaus eine Option sein.”

Man sieht: Die Boeing 787 wäre eine durchaus logische Wahl für die künftige AUA-Langstreckenflotte: Ein Fluggerät in drei Varianten, die von der Größe wie maßgeschneidert für den Markt Wien sind. Zusammen mit möglichen strategischen Konzernüberlegungen und einem vielleicht attraktiven Angebot von Boeing ist also durchaus vorstellbar, dass der Dreamliner künftig unter rot-weiß-roten Farben fliegt.

Allerdings ist die Luftfahrtbranche auch für viele Überraschungen gut – und so wäre es auch nicht verwunderlich, wenn es ganz anders kommt, als man sich denkt. Und vielleicht bedeutet das auch, dass die AUA Gebrauchtgerät aus dem Lufthansa-Fundus bekommt. Ob das allerdings eine wirklich nachhaltige Lösung bedeuten würde, darf stark bezweifelt werden.