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Birgir Jonsson, Play

«Nicht unwahrscheinlich, dass Play Frankfurt anfliegen wird»

Heute führt die neue isländische Airline Play den ersten Flug durch. Im Interview spricht Chef Birgir Jónsson über Gemeinsamkeiten mit Wow, Airbus A321 LR und A330, neue Ziele in Deutschland und schlaflose Nächte.

Wie viel Wow steckt in Play?
Birgir Jónsson*: Gerade die richtige Menge. Wir haben wichtige Manager von Wow Air übernommen, die wissen, was man tun muss, um mit einer Fluggesellschaft erfolgreich zu sein. Sie haben aber auch erfahren, welche Fehler man machen kann und wissen, wie man diese vermeidet. Das ist ebenso wertvoll.

Was waren denn die größten Fehler der untergegangenen isländischen Billigairline Wow Air, die sie vermeiden wollen?
Das Wichtigste ist: Wir wollen nicht zu schnell wachsen. Die Luftfahrt ist eine sehr dynamische Branche, es besteht immer das Risiko, zu schnell reagieren zu wollen. So bietet man Ihnen zum Beispiel oftmals Flugzeuge zu guten Konditionen an. Wenn sie aber noch nicht bereit zum Start sind, stehen die danach herum und kosten. Wir sind Schritt für Schritt vorgegangen und haben zuerst den Markt analysiert, dann unsere Strategie festgelegt, daraus unsere Struktur abgeleitet und dann erst Ziele und Flotte festgelegt.

War die Corona-Krise für Sie fast hilfreich – obwohl Sie den Start deshalb mehrmals verschieben mussten?
Im Rückblick war es ein riesiger Vorteil! Zum Beispiel erhielten wir sehr gute langfristige Leasingverträge für Flugzeuge. Zudem konnten wir sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, was vorher auch schwieriger gewesen wäre. Nicht zuletzt gibt es auch viele Investoren, die an einem Wiederaufbau der  Tourismusbranche interessiert sind.


Airbus A321 Neo von Play: Bild: Play

Ihre Flugzeuge sind rot und nicht eurowhite, ihre Uniformen sehr locker – was will Play sonst noch anders machen?
Wir wollen gar nicht so anders sein als andere Fluggesellschaften. Wir möchten ein zuverlässiges und gutes Produkt anbieten. Vielleicht will Play etwas weniger streng und arrogant daherkommen als andere Airlines.

War ein Grund für den Untergang von Wow nicht, dass es in Island zu viele Fluggesellschaften gab?
Nein. Wow Air war unterfinanziert. Der Gründer ist sehr charismatisch und hat sehr viel geleistet, ich bewundere ihn dafür. Aber sein Unternehmen hatte eine zu schwache finanzielle Basis. Ich glaube, wenn sie gut finanziert sind und es richtig machen, dann gibt es eine Marktlücke.

Aber Island ist dennoch ein hart umkämpfter Markt. Die Billigairlines Wizz Air und Easyjet fliegen hin, aber auch die meisten anderen großen Fluggesellschaften. Hat es da Platz für Play?
Wir werden uns nicht in einen Konkurrenzkampf mit Wizz stürzen, wir suchen unsere Nischen. Dann wird das klappen.

Viele Airlines bieten zudem nicht gerade gute Anstellungsbedingungen und erreichen dadurch niedrigere Kosten. Hat Play gegen sie Chancen?
Island ist ein skandinavisches Land. Wir haben einen hohen Lebensstandard und hohe Steuern. Play ist zudem an Tarifverträge gebunden. Wir werden daher nie ein Billiganbieter wie Wizz Air oder Ryanair sein können, weil unsere Kosten ganz einfach höher sind. Sie liegen mehr als doppelt so hoch. Wir müssen unseren Gewinn aus unserer Flexibilität und aus einem clever gewählten Netzwerk holen.

Airbus A330 sind kein Thema für uns.

Alle europäischen Fluglinien habe das Problem der Saisonalität, im Sommer läuft sehr viel, im Winter wenig. In Island gilt das noch mehr…
Früher wurde Island im Juni, Juli und August überrannt, danach lief nichts mehr. Das hat sich geändert. Island hat den Wintertourismus stark gefördert und die Touristenströme verteilen sich inzwischen besser übers Jahr. Zudem wollen wir nicht die größte Fluggesellschaft werden.Wir werden nicht eine Größe haben, bei der man die Flexibilität bei der Netzwerkplanung verliert. Wir werden uns Nischen suchen, wie wir es zum Beispiel mit den Winterflügen nach Salzburg getan haben.

Sie starten mit drei Airbus A321 Neo. Wie wird es bei der Flotte danach weitergehen?
Wir gehen ganz sachte vor. Wir legen mit drei Flugzeugen los, kommenden Sommer werden es sechs sein und wenn wir die Flüge in die USA starten zehn. 2025 werden wir unsere Grenze erreichen und mit 15 Flugzeugen operieren. Wir planen mit einer Mischung aus A320 Neo und A321 Neo.

Wow setzte auch Airbus A330 ein, ist das für Play auch interessant?
Nein, Airbus A330 sind kein Thema für uns. Wir bleiben bei der Einheitsflotte, damit wir geringe Kosten bei Ausbildung, Besatzung und Wartung haben können. Wir planen keine Langstreckenflüge etwa nach Los Angeles. Unser längster Flug wird fünf Stunden dauern.

Es werden weitere deutsche Ziele folgen.

Dann sind auch Airbus A321 LR oder XLR nichts für Sie…
Nein, das passt nicht in unsere Planung.

Zum Start bietet Play sieben Destinationen an. Wie viele werden es kommenden Sommer sein.
Ich kann Ihnen noch keine exakte Antwort darauf geben. Wir werden sicher vier bis fünf Ziele in Kanada und den USA ansteuern und zehn in Europa – wenn nicht mehr. Hinzu kommen einige weitere Punkt-zu-Punkt-Ziele.

Sie suchen also auch Passagiere, die in Reykjavík Richtung Nordamerika umsteigen?
Ja, wir suchen mit den USA-Flügen vor allem auch Umsteigepassagiere in die USA und nach Kanada.

Planen Sie weitere Ziele in Deutschland?
Wir legen mit Berlin los. Es werden weitere deutsche Ziele folgen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass Play Frankfurt anfliegen wird.

Und wie sieht es in Österreich und der Schweiz aus?
Wir wollen uns zuerst in Deutschland etablieren, erst dann wird das allenfalls ein Thema.

Viele Leute haben uns gesagt, wir seien verrückt, eine neue Fluggesellschaft zu gründen.

Wer wird Ihr größter Konkurrent sein?
Rund 30 Fluggesellschaften fliegen nach Island. Aber Icelandair wird sicher der größte Mitbewerber sein.

Auf was sind sie am meisten stolz?
Viele Leute haben uns gesagt, wir seien verrückt, eine neue Fluggesellschaft zu gründen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben trotzdem weiter gemacht und es geschafft, uns startklar zu kriegen. Das ist toll.

Und was war das Schwierigste auf dem Weg zu Start?
Nachdem wir die Finanzierung gesichert haben, gab es ehrlich gesagt keine großen Hindernisse mehr. Es lief ganz locker.

Heute ist der Erstflug von Play, haben Sie die Nacht zuvor geschlafen?
Ich habe seit zwei Monaten kaum mehr geschlafen.

* Birgir Jónsson sammelte vor seiner Ernennung zum Chef von Play in vielen Branchen Managementerfahrung. Er war Regionaldirektor des Orthopädiekonzerns Össur in Asien, Chef der Fluggesellschaft Iceland Express und später stellvertretender Chef von Wow Air. Er lebte und arbeitete zuvor in Rumänien, Bulgarien und Ungarn, wo er Chef des Druckunternehmens Infopress Group war. Er war auch Chef von Iceland Post. Er besitzt einen MBA der University of Westminster in London und einen BA (Hons) der University of the Arts London.