Letzte Aktualisierung: um 23:25 Uhr

Interview mit Dimitris Gerogiannis, Aegean Airlines

«Aegean Airlines sucht keinen Retter»

Die Konsolidierung in der Branche macht Dimitris Gerogiannis nicht nervös. Im Interview verrät der Aegean-Airlines-Chef Details zur Airbus-Order und nennt zwei potenzielle neue Flugziele in Deutschland.

Aegean Airlines betreibt eine reine Airbus-Flotte. Auch bei der neuesten Order haben Sie die A320-Neo-Familie der Boeing 737 Max vorgezogen. Was muss Boeing tun, um bei Ihnen zu landen?
Dimitris Gerogiannis: Es war ein langer und schwieriger Entscheidungsprozess, der fast ein Jahr gedauert hat. Boeing weiß, wie schwierig es ist, jemanden von einem Wechsel zu überzeugen. Daher haben sie ein sehr gutes Angebot gemacht, das wir sehr ernsthaft in Erwägung gezogen haben. Aber am Ende haben wir uns für Airbus entschieden, was unter anderem mit technischen und finanziellen Aspekten zu tun hatte sowie mit Überlegungen zur Kapazität. Am 15. November werden wir mit Airbus die definitiven Spezifizierungen der A320 Neo und A321 Neo festlegen. Dann haben wir ein Jahr Zeit, uns auf den Start vorzubereiten.

Sie haben 30 A320 Neo und A321 Neo bestellt und verfügen über eine Option auf zwölf weitere der Flugzeuge. Airbus hat allerdings Verspätungen bei den Lieferungen. Macht Ihnen das keine Sorgen?
Man ist immer besorgt, wenn man neue Flugzeuge anschafft. Aber jede neue Technologie hat ihre Probleme und Airbus und seine Zulieferer haben viel Erfahrung, mit so etwas umzugehen. Wir erwarten die ersten Flieger im November 2019 und glauben, dass die Probleme bis dahin behoben sein werden.

Sie haben sich für Triebwerke von Pratt & Whitney entschieden – warum?
Bei der Boeing 737 Max stand nur das Treibwerk von CFM zur Auswahl, bei Airbus hatten wir die Auswahl zwischen CFM und Pratt & Whitney. Auch das war ein langer Entscheidungsprozess. Unter anderem mit Blick auf Wartungssupport und Garantien haben wir uns für Pratt entschieden.

Wie viele der Flieger werden Sie kaufen, wie viele leasen?
Es wird ein Mix sein. Von Leasingfirmen werden wir brandneue Jets ab Ende 2019 erhalten, von Airbus ab 2022. Über die genaue Aufteilung haben wir noch nicht im Detail entschieden. Aber bis 2024 sollen alle Flugzeuge bei uns sein. Das Ziel ist es, den Anteil der eigenen Jets an der Flotte auf 15 bis 20 Prozent zu steigern.

Wie viele der neuen Flugzeuge werden alte ersetzen, wie viele werden die Flotte vergrößern?
Die Leasingverträge für viele unserer 49 Flugzeuge der A320-Familie werden bis 2024 auslaufen. Aber wir können sie verlängern, wenn wir wollen. Wie viele wir wirklich behalten, steht noch nicht fest. Insgesamt wollen wir unsere Flotte bis 2025 vergrößern. Aber es hängt davon ab, was in Griechenland und Europa passiert. Wenn es nötig ist, verkleinern wir die Flotte auch.

Keine gute Idee, jeden zu ersetzen, der scheitert.

Ist der Airbus A321 LR eine Option für Aegean?
In der aktuellen Order ist er nicht enthalten und für unser derzeitiges Netzwerk passen die bestellten Flugzeuge perfekt. Der Neo hat im Vergleich zu seinem Vorgänger auch schon fast eine Stunde mehr Reichweite. Das gibt uns viel mehr Möglichkeiten und deckt unsere Bedürfnisse ab.

Planen Sie also neue Destinationen mit den Neos?
Es gibt Potenzial. Einige der Staaten südlich von Russland werden etwa mit dem Neo erreichbar sein. Kasachstan ist zum Beispiel zurzeit noch zu weit weg, wird durch den Neo aber eine Option. In der Region fliegen wir auch schon nach Georgien und Armenien, da könnte man die Kapazität erweitern.

Wird es neue Destinationen im Nahen Osten und in Afrika geben?
Wir fliegen bereits nach Kairo, Alexandria, Tel Aviv, Beirut, Amman und Jeddah. Bis zum Start der neuen Iran-Sanktionen hatten wir auch Teheran im Flugplan. Zurzeit planen wir keine weiteren Ziele. Aber die geopolitische Lage spielt dabei eine große Rolle. Wenn sich diese zum Beispiel in Nordafrika stabilisiert, werden wir dort expandieren.

Wird Aegean auch auf die Langstrecke gehen?
Diese Frage wird sich stellen – aber hoffentlich nicht mehr, wenn ich im Amt bin. (lacht) Es ist ein ganz anderes Geschäft und wir haben in Europa Airlines gesehen, die enorme Schwierigkeiten bekommen haben, als sie auf die Langstrecke gegangen sind. Daher müssen wir da sehr, sehr vorsichtig sein. Ich denke, wenn überhaupt, wird das im Rahmen einer Kooperation geschehen.

Cobalt Air aus Zypern ist pleite. Bauen Sie dort aus?
Wir sind in Zypern schon stark vertreten, vor allem in Richtung Griechenland. Wir haben sechs tägliche Flüge zwischen Athen und Larnaca und zwei zwischen Thessaloniki und Larnaca. Im Sommer fliegen wir auch nach Heraklion auf Kreta, Rhodos und Tel Aviv. Wenn sich spannende Möglichkeiten ergeben, werden wir uns die natürlich anschauen. Aber wir glauben nicht, dass es eine gute Idee ist, jeden zu ersetzen, der scheitert. Denn es gibt ja einen Grund für dieses Scheitern.

Leipzig und Dresden sind interessante Ziele.

Was ist ihr Hauptmarkt in diesem im Winter?
Alle großen europäischen Städte, die wir das ganze Jahr über anfliegen. Paris, London, Brüssel, in Deutschland Berlin, Hamburg , Stuttgart, München, Frankfurt, Düsseldorf. Im Winter haben wir zehn tägliche Flüge von Athen und Thessaloniki nach Deutschland. Auch Nizza, Marseille, Toulouse in Frankreich etwa. Und in der Schweiz fliegen wir Zürich und Genf täglich an. Generell hoffen wir, dass mit der Erholung der griechischen Wirtschaft der Geschäftsreiseverkehr wieder wächst, der im Winter wichtig ist. Zudem starten wir mit gewissen Sommerstrecken wie etwa nach Heraklion und Rhodos schon Anfang März und damit zwei Wochen vor Saisonbeginn und stoppen sie erst am 15. November, also zwei Wochen nach dem offiziellen Saisonende.

Wo wollen Sie in Deutschland wachsen, durch höhere Kapazität oder neue Ziele?
Unser Sommerflugplan sieht für 2019 drei zusätzliche Flüge zwischen München und Athen vor. Es ist auch noch Raum für andere Ziele, etwa im Osten Deutschlands. Leipzig und Dresden sind zum Beispiel interessante Reiseziele und zugleich Wirtschaftszentren. Wir sind aber nicht die Art von Airline, die auf einen Schlag fünf neue Ziele in Deutschland vorstellt. Wir gehen Schritt für Schritt vor: eine neue Destination im Sommer eröffnen, sie im Winter halten, dann die Kapazität ausbauen.

Die europäische Luftfahrt konsolidiert sich, etliche kleine Airlines scheitern, mittelgroße schauen sich nach einem Partner um. Brauchen Sie auch einen Partner?
Mit 30 Prozent ist unser Anteil am griechischen Mart noch verhältnismäßig klein, wenn man bedenkt, dass wir Nationalairline sind. Wir haben also immer noch Platz zu wachsen. Und wir haben ein sehr gesundes Geschäft. Wir brauchen keinen Partner, wir suchen keinen Retter. Die Konsolidierung wird eher neue Möglichkeiten für uns schaffen.

Machen die steigenden Treibstoffkosten Sie nicht nervös?
Wir haben im Jahr 2008 Ölpreise von 140 Dollar überlebt und waren profitabel. Wir haben die Krise in Griechenland überstanden. Wir haben seit 2014 im Inland Konkurrenz von Ryanair. Mit all dem haben wir gelernt umzugehen.

Fast unmöglich, Treibstoffkosten weiterzugeben.

Lufthansa hat angekündigt, dass im Zuge der steigenden Treibstoffkosten 2019 wohl auch die Ticketpreise steigen werden. Wird das bei Aegean auch passieren?
Ich halte es fast für unmöglich, die Treibstoffkosten innereuropäisch an die Kunden weiterzugeben. Dafür gibt es zu viel Wettbewerb. Wer das tut, dessen Flugzeuge werden leer bleiben. Denn irgendein Konkurrent wird effizienter arbeiten und die Kosten nicht an die Passagiere weitergeben.

Wie sehen die Pläne für Ihre Tochter Olympic Air aus? Ist eine Flugzeugorder geplant?
Bei Olympic fliegen wir mit zwei ATR und acht Bombardier Dash 8 Q400. Außerdem mit zwei Dash 8 Q100, weil wir nur mit ihnen die griechische Insel Kastelorizo mit ihrer kurzen Piste bedienen können. Die Leasingverträge für die acht Q400 laufen Anfang 2023 aus. Über die Nachfolge werden wird 2020 oder 2021 entscheiden.

* Dimitris Gerogiannis wurde 1961 im griechischen Edessa geboren. Seit 1999 arbeitet er für Aegean Airlines, seit 2007 als Chef der Fluggesellschaft. Vor seiner Tätigkeit bei Aegean war er in den USA, Deutschland und Griechenland tätig, etwa auch bei den damaligen Daimler-Benz-Ablegern Dasa (Raum- und Luftfahrt) und Mercedes Benz (Automobil) und am Flughafen Athen.