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Interview mit Rob Gurney

«Dann sind Allianzen am Ende»

Rob Gurney ist Geschäftsführer der Allianz Oneworld. Im Interview erklärt er, was Airline-Verbünde in der Vergangenheit versäumt haben, wie er das aufholen will und was er von Meilenjägern hält.

Sie sind seit Oktober letzten Jahres Geschäftsführer der Allianz Oneworld. Davor haben Sie für British Airways, Qantas und Emirates gearbeitet. Wie unterscheidet sich die Arbeit für eine Allianz?
Rob Gurney: Es ist eine komplett andere Rolle. Als Manager bei einer einzelnen Fluggesellschaft ist man auf deren Strategie und Lösungen fokussiert. Bei Oneworld muss man sicherstellen, dass alle Prozesse und Systeme über das Netzwerk von 14 Mitgliedern gut funktionieren. Aber das ist nur ein Teil der Arbeit.

Und der andere?
Da geht es um die Strategie für die Allianz. Wie planen wir die Zukunft von Oneworld. Ein ganz wichtiger Teil meiner Rolle als Geschäftsführer ist es, Ideen, Konzepte und Optionen zu entwickeln, die unseren Mitgliedern in einer sich verändernden Welt weiterhin Vorteile bringen.

Einige Ihrer Mitglieder sind da skeptisch. IAG-Chef Willie Walsh etwa zweifelt die Relevanz von Allianzen offen an und sagte sogar, er würde sich wundern, wenn es sie in zehn Jahren noch gibt.
Er stellt diese Frage vollkommen zurecht. Und das betrifft alle Allianzen, nicht nur Oneworld. Wenn wir keine Innovation vorantreiben und dafür sorgen, dass wir relevant bleiben, dann sind wir am Ende. Meine Aufgabe ist es, zu beweisen, dass es diese Relevanz eben gibt.

Aber wie kam es soweit, dass Sie nun sagen: Man darf diese Frage der Relevanz stellen? Da muss ja irgendwann etwas schief gelaufen sein.
Oneworld wurde vor etwas mehr als 18 Jahren gegründet. Die Welt damals war komplett anders. An Billigairlines gab es vielleicht Southwest und Ryanair. Und Ryanair hatte glaube ich noch nicht einmal eine Website. Gucken Sie sich an, wie groß die Konkurrenz durch die Billigairlines inzwischen ist. Dann sind da noch die Golfairlines. Und die Digitalisierung hat fundamentalen Einfluss darauf, wie Fluglinien funktionieren. Da gibt es riesige Chancen. Aber die Allianz hat sich nicht in der selben Geschwindigkeit weiter entwickelt, wie die Branche, wie einzelne Mitglieder. Das muss sich ändern. Wir müssen genauso schnell sein wie der Markt. Und auch in dieser Geschwindigkeit Entscheidungen treffen.

Was genau planen Sie denn?
Wir müssen Wege finden, Wert für die Mitglieder zu schaffen. Das kann zum Beispiel ein Zugewinn an Effizienz sein – mir fällt kein Mitglied ein, das nicht nach Wegen sucht, effizienter zu werden. Und wir können als Allianz dabei helfen. Etwa, indem man in Bereichen, in denen es zwischen Airlines keine direkte Konkurrenz gibt, zusammenarbeitet. Das kann beim Treibstoffeinkauf sein, eine Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit… Aber wir müssen uns auch überlegen, wie wir die Passagiere besser an uns binden.

In der zweiten Jahreshälfte dürfte es spannend werden.

Können Sie da etwas konkreter werden?
Noch ist es zu früh. Was ich sagen kann: In der zweiten Jahreshälfte dürfte es spannend werden.

Aber auch wenn Sie in diesen Bereichen zulegen, schneller werden, digitaler: In der Branche gibt es den Trend zu Kooperationen. Erst gerade kündigte Lufthansa – Mitglied von Star Alliance – an, mit Cathay – einem Ihrer Mitglieder – ein umfangreiches Codeshare-Abkommen auf Flügen nach Australien und Neuseeland an. Bedroht das nicht Ihre Allianz?
Ich sehe das nicht als Bedrohung, wir sind da sehr flexibel. Auch wenn wir inzwischen 14 Mitglieder haben, kann es ja sein, dass es immer noch Bedürfnisse gibt, die nur eine andere Partnerschaft erfüllen kann. Ich glaube, so etwas kann koexistieren. Es wird immer Vorteile geben, die die Allianz hat, welche keine bilaterale Partnerschaft bieten kann.

Was für Vorteile sind das denn?
Wir bieten eine Infrastruktur für alle 14 Mitglieder. Es gibt in unserem Oneworld-Ökosystem dann ganz verschiedene Arten, wie die Mitglieder das nutzen. Das geht von simplem Interlining, also dass Passagiere ihr Gepäck durchchecken können, über Codeshares bis hin zu Joint Ventures.

Und die Mitglieder profitieren finanziell davon?
Ein Beweis dafür, wie wichtig unsere Infrastruktur ist: Etwa fünf Prozent der Umsätze unserer Mitglieder kommen durch Interlining-Flüge zustande. Das ist ein beträchtlicher Anteil und macht immerhin rund fünf Milliarden Dollar aus. Sehen Sie: Unser größtes Mitglied bietet rund 350 Destinationen an. Die gesamte Allianz kommt auf rund drei Mal so viel. Und genau das braucht unser Zielkunde. Er muss mit verschiedenen Airlines ans Ziel, weil eben ab seiner Basis nicht alle Ziele mit nur einem Anbieter erreichbar sind.

Können Sie die Zielkunden noch etwas detaillierter beschreiben?
Es sind Geschäftsreisende, die mit mehreren Fluggesellschaften fliegen müssen. Und da ist Oneworld sehr stark. Wenn man die 125 größten Business-Destinationen der Welt ansieht – bitte sagen Sie jetzt nicht, ich soll sie alle nennen – haben wir einen extrem hohen Marktanteil auf diesen Strecken. Zielkunden sind aber auch Passagiere, die zum Beispiel pendeln und so auf einen hohen Status im Meilenprogramm kommen. Diesen sollen sie dann auch nutzen können, wenn sie ihre Stammairline einmal verlassen.

A propos Meilen: Was halten Sie von Meilenjägern?
Das gute an ihnen ist, dass sie sehr gut zeigen, wie man davon profitieren kann, wenn man den Airlines einer Allianz treu bleibt. Und mehr sage ich dazu nicht. (lacht)

Ihre Mitglieder sind ziemlich verschieden. Cathay Pacific und Qatar Airways zählen zu den besten Airlines der Welt, die sibirische S7-Airlines hingegen kommt bei Skytrax nur auf drei Sterne. Wie stellen Sie sicher, dass die Passagiere eine zumindest annähernd gleiche Qualität erhalten?
Wir sind schon immer sehr stolz darauf gewesen, dass die Mitglieder grundsätzlich hohen Qualitätsstandard bieten. Dafür wurde Oneworld auch mehrfach ausgezeichnet.

Gibt es eine Checkliste, die neue Mitglieder erfüllen müssen?
Es ist nicht direkt eine Checkliste. Aber eben: Es muss eine gewisse Grundqualität geben, dann müssen auch die operativen und Sicherheits-Standards hoch sein. Zusätzlich ist auch das Netzwerk wichtig, und was für einen Kundenstamm uns ein Mitglied bringt. Wir haben da ein ziemlich gutes System, wenn es Neuzugänge gibt. Am Anfang begleitet ein Mitglied das neue als Sponsor-Airline und stellt sicher, dass alle Prozesse richtig laufen.

Und wie stellen Sie die Qualität über die Zeit hinweg sicher?
Da gibt es regelmäßige Überprüfungen. Bei denen geht es aber nicht darum, jemanden seiner Fehler zu überführen, sondern eher, im Fall von Problemen zu helfen.

Zum Beispiel gerade bei Air Berlin? Dort ist ja einiges im Argen.
Air Berlin hat mit Thomas Winkelmann einen neuen Chef, der sehr klar gesagt hat, wie er die Fluggesellschaften wieder zum Erfolg führen wird. Wir unterstützen das natürlich.

Haben Sie denn keine Sorge, dass Sie das Mitglied verlieren – etwa wenn Lufthansa Air Berlin übernehmen sollte?
Ich fokussiere mich auf Air Berlin als Oneworld-Mitglied. An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Kennen Sie denn inzwischen alle Oneworld-Airlines gut?
Ich habe seit meinem Antritt alle besucht und habe inzwischen ein ziemlich gutes Bild davon wie sie arbeiten und wie sie funktionieren.

14 Airlines aus verschiedenen Ländern und Kulturen – wie wichtig sind bei Ihrem Job Diplomatie-Fähigkeiten?
Ich habe mit vielen Managern zu tun und nicht nur Airline-Chefs, das ganze Management ist extrem beschäftigt. Da ist es zunächst einmal wichtig, respektvoll und effizient mit deren Zeit umzugehen. Dann muss man natürlich auch im Auge haben, dass es Unternehmen aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Kulturen sind. Was Airline X wichtig ist, ist für Airline Y vielleicht irrelevant. Und Airline Z will etwas ganz anderes.

Worauf ich hinaus will: Mitglieder von Oneworld sind unter anderem Qatar Airways und American Airlines. Die beiden giften sich in aller Öffentlichkeit an, werfen sich gegenseitig unfaire Subventionierungen vor und damit unfaire Konkurrenz. Ist das nicht eine Herausforderung für Sie?
Ich habe beide immer als der engagierte Mitglieder der Allianz erlebt.

Da waren Sie nun sehr diplomatisch! Aber jetzt ganz ehrlich: Haben Sie keine Angst, dass es zum Knall kommt – ein Mitglied die Allianz verlässt?
Nein. Gespräche mit beiden über gemeinsame Ziele waren stets produktiv.

Wir denken nicht so sehr geografisch.

Wie oft kommen denn die Airline-Chefs überhaupt zusammen?
Vier Mal im Jahr treffen sich die von den Geschäftsführern für die Allianz-Beziehungen bestimmten Manager. Die 14 Vorstandsvorsitzenden kommen zwei Mal im Jahr zusammen.

Werden es vielleicht bald mehr? Suchen Sie neue Mitglieder?
Wir sind natürlich immer offen.

In welche Regionen suchen Sie denn?
Wir sind global schon jetzt sehr gut aufgestellt. Auch, wenn wir in einer Region kein heimisches Mitglied haben, sind wir in der Regel auch dort gut vertreten. Wir denken daher nicht so sehr geografisch, sondern eher, welche Airlines die Kriterien, die ich vorhin nannte, erfüllen. Wie bringen sie uns an diesen 125 wichtigen Business-Destinationen weiter?

Sie haben ja bereits erwähnt, dass Sie die Allianz den Gegebenheiten anpassen wollen. Und Sie sagten auch schon einmal, dass Lowcost-Mitglieder durchaus eine Option sein könnten. Wie geht das mit Ihrem Business-Zielkunden zusammen?
Ganz so deutlich habe ich das glaube ich nicht gesagt (lacht). Aber wovon ich überzeugt bin: Wir müssen gucken, wie wir uns anpassen. Es muss ja nicht zwingend eine One-Size-Fits-All-Lösung geben. Ich finde es wichtig, da offen zu sein und sich Gedanken zu machen, wie man Hybrid-Anbieter oder Billigairlines integrieren kann. Aber das sind noch Gedanken in einem sehr frühen Stadium.

Das Interview mit Rob Gurney fand anlässlich seines Auftritts am World Tourism Forum Lucerne 2017 statt.