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Übernahmekandidat

Wer wird Air Berlins Herzblatt?

Lufthansa hat das Interesse offen kundgetan, bei HNA und Delta munkelt man. Doch wer wäre der perfekte Partner für Air Berlin?

In der Luft lag es seit letztem Herbst. Nun hat es Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung am Freitag (5. Mai) erstmals offen ausgesprochen: Deutschlands größte Fluggesellschaft hat Interesse an einer Übernahme der Konkurrentin Air Berlin. Die kartellrechtlichen Hürden sieht Spohr als überwindbar an.

Doch Lufthansa scheint trotz der riesigen Probleme von Air Berlin nicht die einzige Interessentin zu sein. Früher in der Woche war bekannt geworden, dass die zweitgrößte deutsche Fluglinie auch mit Delta Air Lines und der chinesischen HNA Group in Gesprächen steht. Doch wer passt am besten zur zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft?

HNA Group. Der hungrige Partner

Laut Informationen des Magazins Wirtschaftswoche finden Gespräche zwischen der HNA Group und Air Berlin statt. Dass die chinesische Gruppe tatsächlich Interesse hat, ist nicht unwahrscheinlich. Seit Längerem kauft sich der Riese aus der Volksrepublik rigoros in der Luftfahrt- und Reisebranche ein, auch in Europa. So etwa in Deutschland beim Flughafen Hahn. Ihr gehören aber auch die Cateringanbieter Gategroup und Servair, der Bodenabfertiger Swissport und die Wartungsfirma SR Technics. HNA Group besitzt zudem einen Anteil von 48 Prozent am französischen Ferienflieger Aigle Azur, 23,7 Prozent an Azul Linhas Aéreas Brasileiras und 13 Prozent von Virgin Australia. Bekannteste Fluggesellschaft der HNA Group ist die heimische Hainan Airlines. Sie ist Partnerin von Air Berlin. Die beiden Fluglinien vermarkten gemeinsam Flüge zwischen Berlin und Peking. Zur Gruppe gehören ferner diverse chinesische Airlines. sowie der Frachtanbieter Yangtze River Express.

Fazit: Für Air Berlin wäre HNA Group kein unwillkommener Investor, weil die Chinesen sich tendenziell strategisch heraushalten – zumindest mehr als die bisherige Anteilseignerin Etihad Airways. Zudem ist HNA kapitalkräftig. Air Berlin könnte sich ihrerseits deutlich in Asien verstärken, wo die Fluggesellschaft selbst sehr schwach aufgestellt ist. HNA bekommt auf der anderen Seite einen Partner in der größten Volkswirtschaft Europas, der Passagiere auf ihre Flüge nach China lenken könnte.

Delta Air Lines: Außenseiter mit Chancen

Auch mit Delta soll Air Berlin im Gespräch sein. Zunächst wirkt die US-Airline nicht wie die erste Wahl als neue Investorin. Aber: Still und leise baut sie sich ein weltweites Beteiligungsnetz auf – ganz nach dem Vorbild von Etihad. Die Amerikaner besitzen bereits 49 Prozent an Virgin Atlantic und 3,6 Prozent an China Eastern. Zudem hält die Fluglinie Anteile an Aeromexiko und Brasiliens Gol. Delta ist in der Allianz Skyteam, Air Berlin bei Oneworld. Ganz ohne europäische Partner steht Delta schon jetzt nicht da. Sie hat mit Skyteam-Partner Air France-KLM und Jet Airways ein Joint Venture für Verbindungen von Nordamerika via Europa nach Asien.

Fazit: Air Berlin hat sich schon seit einiger Zeit auf USA-Flüge spezialisiert. Eine enge Partnerschaft mit Delta würde helfen, das Netz in den USA zu verfeinern. Wirklich neue Märkte wie bei HNA würden sich dadurch allerdings nicht öffnen – außer vielleicht in Richtung Lateinamerika. Für Delta würde eine Beteiligung in  Westeuropa Sinn machen, weil sich so die bei Amerikanern beliebten Ferienziele auf dem Kontinent noch besser erreichen ließen. Delta-Chef Ed Bastian sagte anlässlich seines Amtsantritts im vergangenen Jahr denn auch, dass man nach weiteren Airlines suche, mit denen man eine Partnerschaft eingehen und in die man investieren könne.

Lufthansa: Naheliegend, doch nicht problemlos

Die deutsche Konkurrentin ist die einzige, die offiziell Interesse an Air Berlin angemeldet hat. Allerdings gibt es für einen Deal eine Bedingung. Air Berlin müsse erst einmal entschuldet werden, so Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung. Während eines Aufenthalts in Abu Dhabi am vergangenen Montag habe er bereits mit der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate über die Sache gesprochen, so Spohr. «Die Schuldenfrage kann nur Abu Dhabi lösen.» Ein Zeichen dafür, wie weit vorgespurt die Liaison bereits ist: Der neue Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann kommt vom Lufthansa-Konzern und leitete früher die Billigtochter Germanwings/Eurowings.

Fazit: Durch eine Übernahme würde Lufthansa in Deutschland ihre Macht enorm stärken und mit Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und München die wichtigsten nationalen Drehkreuze beherrschen. Auch die Billigtochter Eurowings könnte so gestärkt werden. Die Lowcost-Tochter von Lufthansa, die Spohr als Wachstumstreiber des Konzerns identifiziert, könnte laut den Lufthansa-Plänen die 75 Flieger von Air Berlin übernehmen. Sie käme so nochmals stark voran. Für Air Berlin wäre es aber das Ende. Die Marke dürfte nach einer Übernahme verschwinden – ein Nachteil für die Kunden. Der Verbund würde mehr Sitzplätze anbieten als alle anderen Anbieter zusammen. Geht man nach der Zahl der angebotenen Sitzplätze im ersten Halbjahr 2017, hätten Lufthansa, Eurowings und Air Berlin zusammen 58 Prozent des Angebots auf sich vereint.

Quelle: CH Aviation/Aufbereitung aeroTELEGRAPH