Sie haben große Pläne für das 100-jährige Jubiläum. Das Ziel sind 800 Flugzeuge bis 2033. Die Hersteller kämpfen jedoch mit Problemen in den Lieferketten. Sind Sie im Plan?
Unser langfristiges Flottenziel bleibt unverändert: Bis 2033 wollen wir auf über 800 Flugzeuge wachsen. Die globalen Lieferkettenprobleme betreffen jedoch sowohl Flugzeug- als auch Triebwerkshersteller. Daher zeichnet sich ab, dass wir unsere Strategie im ersten Quartal 2026 anpassen müssen.
Was heißt das, wie passen Sie das an?
Es scheint inzwischen unrealistisch, die bisher geplanten Flottengrößen für 2026 und 2027 zu erreichen. Diese Zahlen müssen aktualisiert werden. Wir rechnen jedoch nicht damit, unsere Profitabilitäts- oder Margenziele wesentlich ändern zu müssen. Und das Ziel für 2033 bleibt.
Wann werden die rund 250 verbleibenden Flugzeuge denn geliefert?
In den kommenden sieben bis acht Jahren.
Nicht nur Flugzeugauslieferungen mache aktuell Probleme, auch Triebwerke von Pratt & Whitney sorgen dafür, dass bei vielen Airlines Flugzeuge nicht abheben können. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Die bisherigen Gespräche mit Pratt & Whitney wurden aus unserer Sicht zufriedenstellend abgeschlossen. Dennoch wird uns das Thema weiter begleiten. Aufgrund unserer langjährigen Partnerschaft vertrauen wir darauf, dass Pratt & Whitney uns weiter unterstützt und negative Auswirkungen minimiert.
Eines der Themen ist die Bestellung der Boeing 737 Max. Sie haben kürzlich Langstreckenjets bestellt, doch bei den Schmalrumpfflugzeugen sind Sie noch unentschlossen. Warum?
Bei der Boeing 737 Max gibt es nur eine Triebwerksoption. Die Triebwerkshersteller ziehen aufgrund ihrer Erfahrungen – insbesondere während der Pandemie – neue Schlussfolgerungen für künftige Aufträge. Diese Unsicherheiten wirken sich auf die Verhandlungen aus und verlängern sie. Auch die laufenden Gespräche mit Boeing müssen berücksichtigt werden. Erst wenn diese Punkte geklärt sind, können wir eine Entscheidung treffen.
«Wir brauchen die richtigen Flugzeuge zur richtigen Zeit – und wir erwarten, dass Boeing uns dabei unterstützt.»
Was muss Boeing jetzt tun?
Unsere Gespräche mit Boeing laufen weiter. Besonders wichtig für uns sind die kommerziellen Bedingungen und die Liefertermine. Wir wissen, dass es bei künftigen Bestellungen zu Verzögerungen kommen kann, die unsere Flottenplanung erheblich beeinflussen würden. Wir brauchen die richtigen Flugzeuge zur richtigen Zeit – und wir erwarten, dass Boeing uns dabei unterstützt.
Wann fällt denn die Entscheidung? Zuletzt hieß es, sie stünde kurz bevor.
Solange es bei den Verhandlungen mit Flugzeug- und Triebwerksherstellern offene Punkte gibt, verzögert sich unsere finale Entscheidung. Wir führen die Gespräche jedoch mit großer Entschlossenheit und streben eine baldige Klärung an.
Inwiefern ist dabei auch ein Entgegenkommen des Triebwerkherstellers CFM wichtig?Die parallelen Gespräche mit CFM zur Boeing 737 Max sind für uns zentral.
Sie sollen intern den Airbus A321 XLR prüfen. Stimmt das?
Wir bewerten grundsätzlich alle verfügbaren und geplanten Flugzeugtypen. Der Airbus A321 XLR gehört ebenfalls zu den Modellen, die wir analysiert haben. Wenn sich eine wirtschaftlich überzeugende Möglichkeit ergibt, diesen passend zu unserer Netzwerkstrategie einzusetzen, würden wir sie in Betracht ziehen. Dass wir einen Flugzeugtyp derzeit nicht betreiben, bedeutet nicht, dass er schlecht wäre – jede Airline hat eigene Netzstrukturen und operative Anforderungen.
Wie entwickelt sich die Situation mit den Pratt-&-Whitney-Problemen in Ihrer A320 Neo?
Die bisherigen Gespräche mit Pratt & Whitney wurden aus unserer Sicht zufriedenstellend abgeschlossen. Dennoch wird uns das Thema weiter begleiten. Aufgrund unserer langjährigen Partnerschaft vertrauen wir darauf, dass Pratt & Whitney uns weiter unterstützt und negative Auswirkungen minimiert.
Sie haben ein neues Projekt für ein Wartungszentrum mit Rolls-Royce angekündigt. Wie weit ist das?
Wir haben die Vereinbarung im Mai 2025 unterzeichnet und inzwischen weitere notwendige Unterstützungsabkommen abgeschlossen. Die Arbeiten an Werkzeugen, Ausstattung und IT-Infrastruktur haben begonnen. Die Vergabegespräche für den Prüfstand laufen. Wir befinden uns mitten in der Industrialisierungsphase. Der Zeitplan: Baubeginn der neuen Triebwerkswartungseinrichtung im März 2026, Fertigstellung im März 2027, Abschluss des Testzellenbaus im September 2027, Zertifizierungen bis Jahresende 2027. Das erste Triebwerk soll im Januar 2028 zur Wartung eintreffen.
«Unser Ziel ist es, ein Vorreiter der heimischen Luftfahrtindustrie in der Türkei zu sein.»
Sie reagieren auf Lieferkettenprobleme auch mit mit eigener Sitzproduktion.
Richtig. Wo es möglich ist, wollen wir unabhängiger werden. Bei Triebwerken ist das naturgemäß schwierig, aber bei Sitzen können wir vieles selbst leisten. Für die Boeing 737 Max können wir bald eigene Sitze installieren. Das Programm heißt Milligram Seat – ein sehr leichtes Modell, das unsere Anforderungen erfüllt und ideal für unsere Lowcost-Tochter ist.
Wann kommt die Zulassung?
Der Milligram Seat ist inzwischen Easa-C127c-zertifiziert und für Airbus A321 und Boeing 737 zugelassen. Bis Ende 2025 wird er in 28 Ajet-Flugzeugen installiert, bis Ende 2026 in weiteren 72. Danach wird die gesamte Ajet-Flotte umgerüstet.
Dreamliner von Turkish Airlines: Die Airline hat ambitionierte Wachstumspläne. Turkish Airlines
Werden Sie künftig alle Sitze selbst produzieren?
Unser Ziel ist es, ein Vorreiter der heimischen Luftfahrtindustrie in der Türkei zu sein. Unsere Tochter TCI entwickelt derzeit Sitze für alle Flugzeugtypen bei Turkish Airlines und AJet. Wir wollen langfristig sämtliche Kabinensysteme lokal fertigen. 2026 kommen die Epianka-Plus-Economy- und die Royalux-Business-Class-Sitze, danach die neue Crystal-Business-Suite. Das eigene Unterhaltungssystem Cornea folgt 2028.
Sehen Sie Potenzial für Flugzeugproduktion in der Türkei?
Türkiye hat eine starke, wachsende Luft- und Raumfahrtindustrie mit großen Fähigkeiten in Entwicklung, Fertigung und Integration. Durch Unternehmen wie Turkish Aerospace, Turkish Technic und viele Zulieferer ist Türkiye ein verlässlicher Partner für globale Hersteller. Die Grundlage für weitergehende Produktionsschritte ist vorhanden – langfristig ist eine stärkere Integration denkbar.
Nach einigen Startschwierigkeiten wollen Sie die Billigtochter Ajet nun ausbauen. Wie läuft das? Kann sie mit der Konkurrenz mithalten?
Sehr gut sogar. Wir liegen im Plan. Ende 2026 sollen 107 Flugzeuge in der Flotte sein, 2033 dann 204. Bis 2025 fliegt AJet 102 Ziele in 33 Ländern an, bis 2036 sollen es 202 Ziele in 59 Ländern sein. Gleichzeitig investieren wir in Digitalisierung und Systeme, um das Reiseerlebnis zu verbessern.
«Wir erwarten dieses Jahr erstmals über vier Millionen Passagiere aus den USA.»
Pegasus ist auf vielen Routen ein direkter Konkurrent. Können Sie deren Kostenstruktur erreichen?
Viele Airlines konkurrieren in verschiedenen Märkten. Wir richten unsere Strategie aber nicht an Wettbewerbern aus, sondern an unseren eigenen Effizienz-, Kosten- und Qualitätszielen. Unser Anspruch ist ein schlankes, intelligentes Servicekonzept mit wettbewerbsfähigen Kosten.
Konkurrenz, aber auch Märkte beeinflussen Ihr Geschäft. Die Türkei hat hohe Inflation und volatile Wechselkurse. Wie sehr belastet das Turkish Airlines?
Wie bei anderen Airlines sorgt Inflation für erheblichen Kostendruck. Unser globaler Kostenmix hilft, einen Teil davon abzufedern. Dennoch sind Lira-Kosten am stärksten exponiert. Trotz der Lage behalten wir einen ungefähr 30-prozentigen Kostenvorteil gegenüber Wettbewerbern – dank Effizienz, flexibler Kapazitätssteuerung und der Infrastruktur des Istanbuler Flughafens.
In welchen Märkten sehen Sie noch Potenzial?
Unser Ziel ist, aus elf strategischen Quellmärkten künftig rund 15 Millionen Besucher zu gewinnen. Europa bleibt wichtig, Asien – etwa Japan – rückt stärker in den Fokus. Die USA sind ebenfalls ein Fokusmarkt. Wir erwarten dieses Jahr erstmals über vier Millionen Passagiere aus den USA. Mittelfristig wollen wir auf fünf Millionen Besucher wachsen. Das Potenzial ist groß, und der wirtschaftliche Beitrag der US-Reisenden für Türkiye ist sehr hoch.
Europäische Airlines kritisieren, Sie hätten regulatorische Wettbewerbsvorteile, etwa bei Umweltauflagen. Ihre Antwort?
Als Nicht-EU-Airline sind wir sehr wohl von vielen EU-Regelwerken betroffen – einschließlich Refuel EU und ETS. Wir erfüllen die Corsia-Vorgaben vollständig und gehören weltweit zu den drei Airlines mit den höchsten Kompensationsverpflichtungen. Seit 2025 nutzen wir SAF für Flüge ab EU- und UK-Airports, ab 2026 auch für internationale Flüge ab Türkiye. Trotz der hohen Kosten erheben wir keine Saf-Zuschläge. Bis 2033 wächst unsere Flotte auf über 800 Flugzeuge – und bleibt dennoch auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050.
Was tun Sie konkret, um das Fliegen nachhaltiger zu machen?
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer 2033-Strategie. Wir setzen auf Flottenmodernisierung, SAF-Nutzung, Prozessoptimierung, Digitalisierung und Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Zudem gestalten wir das Bordprodukt nachhaltiger – von recycelten Materialien über reduzierte Verpackungen bis hin zu digitalen Services zur Papierreduktion.
* Ahmet Bolat wurde in Konya in Zentralanatolien geboren. Er schloss sein Studium an der Technischen Universität Istanbul im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen ab. Er erwarb danach einen Master in Operations Research an der Stanford University und promovierte 1988 in Industrial and Operations Engineering an der University of Michigan. Er begann seine berufliche Laufbahn 1981 als Konstruktions- und Produktionsingenieur bei der Firma Yıldız Kalıp. Danach arbeitete er als Forschungsassistent, Dozent und Assistenzprofessor an der Universität von Michigan und als Assistenzprofessor, außerordentlicher Professor und Professor in der Abteilung für Wirtschaftsingenieurwesen an der King Saud Universität in Riyadh. Im Jahr 2005 wurde er Leiter des Investitionsmanagements bei Turkish Airlines und war dabei in viele strategische Projekte involviert. 2022 wurde er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats ernannt.
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