Noch sind offiziell keine Details bekannt. Doch vieles deutet darauf hin, dass das kursierende Szenario eines schrittweisen Aufgehens von Air Berlin in der Lufthansa-Gruppe richtig ist. Wer hätte was davon, wenn es wirklich so kommt?
Air Berlin
Stefan Pichler hat gekämpft. Er hat zuletzt eine harte Restrukturierung bei Air Berlin angekündigt - eine, wie sie zuvor kein Chef der Fluglinie anzupacken gewagt hatte. Der Schritt war strategisch sinnvoll, kam aber wohl zu spät. Zudem gibt es auf der Strategie der Aufstellung als klassischer Netzwerkanbieter keine Erfolgsgarantie. Auf den Kurz- und Mittelstrecken machen Air Berlin Billigairlines wie Easyjet und Ryanair das Leben schwer. Denn die haben tiefere Kosten. Auf der Langstrecke greifen Lufthansa, Eurowings und Norwegian teilweise mit ihrer Macht und teilweise mit ihren Kostenvorteilen an. Mit der Anlehnung an die inländische Erzrivalin kann Air Berlin zumindest noch retten, was zu retten ist. Und das Management kann seine Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden wahrnehmen und möglichst viele Arbeitsplätze retten.
Lufthansa
Die große Konkurrentin scheint als Gewinnerin dazustehen. Sie kann einerseits einen Konkurrenten ausschalten, falls sie Air Berlin schluckt. Zudem kann sie sich Landerechte sichern, die sonst an einen anderen Mitbewerber gehen würden. Zudem kann sie ihre Billigairline Eurowings vor allem auf der Langstrecke auf einen Schlag merklich stärken. Nebeneffekt: Die Air-Berlin-Piloten unterstehen nicht dem Konzern-Tarifvertrag. Lufthansa geht aber auch ein Risiko ein. Eine solche Integration ist eine Herkulesaufgabe. Und es ist nicht so, dass es dem Management in Frankfurt bislang an Aufgaben mangeln würde.
Etihad
Die Golfairline hat bisher mehr als eine halbe Milliarde in Air Berlin investiert. Sie musste zuletzt wohl einsehen, dass sie in Deutschland aber ohne weitere Investitionen auf keinen grünen Zweig kommt. Bei Air Berlin war die Situation schon zu verfahren, zu viele Rettungsversuche scheiterten, zu viele Männer gaben sich die Türklinke zum Chefbüro in die Hand. Etihad ist wohl gescheitert - im Gegensatz zu vielen anderen Fluggesellschaften an denen sich die Airline aus Abu Dhabi beteiligt hat, die inzwischen alle wieder Gewinne schreiben oder kurz davor stehen. Der Ausstieg via Verkauf an Lufthansa wäre eine Niederlage, aber Etihad könnte so zumindest einen Teil der Investitionen retten und das Gesicht wahren.
Die Angestellten
Auf Dauer ist es wohl nicht schön, in einem Unternehmen zu arbeiten, dem niemand eine rosige Zukunft voraussagt. Die ewigen Durchhalteparolen ermüden. Mit einer Anlehnung an Lufthansa gäbe es für die Mitarbeiter wieder eine Perspektive.
Der Passagier
Für Reisende ist eine Verschmelzung sicher teilweise ein Nachteil. Auf gewissen Strecken werden Lufthansa und Air Berlin künftig dominant sein und so das Preisniveau nach oben treiben. Doch sie sind nicht davor geschützt, dass neue Konkurrenz auftritt. In ganz Deutschland kommen sie zudem mit Eurowings auf rund 57 Prozent Marktanteil. Es gibt also noch genug Mitbewerber, die dafür sorgen, dass Lufthansa nicht zu monopolistisch agieren kann.
Von der Vorzeigeairline zum Krisenfall
Es begann mit einer Entlassung: Pilot Kim Lundgren verlor während der Ölkrise in den 1970er-Jahren seinen Job bei Pan Am in Europa. Statt in die USA zurückzukehren, gründete er eine Charter-Fluggesellschaft. 1978 wurde Air Berlin USA im US-Bundesstaat Oregon ins Handelsregister eintragen.
Lundgren wollte ausnutzen, dass vor der Wiedervereinigung Deutschlands nur Airlines der vier Siegermächte Berlin anfliegen durften. Zum Start im April 1979 kaufte sich die Fluglinie zwei Boeing 707-300. Der Erstflug führte von Berlin-Tegel nach Palma de Mallorca.
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Die Boeing 707 wurden in den Achtzigerjahren durch eine Boeing 737 ersetzt. Mit der flog Air Berlin für deutsche Reiseveranstalter an Urlaubsziele rund ums Mittelmeer.
Mit der Wiedervereinigung verlor Lundgren 1989 das lukrative Sonderrecht für Flüge nach Berlin. Die US-Airline wurde zur deutschen Fluggesellschaft. Im April 1991 kaufte Ex-LTU-Mann Joachim Hunold 82,5 Prozent der Anteile. Air Berlin flog mit 150 Angestellten und zwei Fliegern zu Sonnenzielen.
1998 startete Air Berlin den Einzelplatzverkauf gründete den Mallorca Shuttle. Sie verband die Balearen-Insel direkt mit zwölf deutschen Städten. Die Deutschen liebten das neue Angebot. Bis heute ist Air Berlin Marktführer in Palma de Mallorca.
In den Nullerjahren startete die große Expansion: 2004 kaufte Air Berlin knapp 25 Prozent der Anteile an der österreichischen Fluggesellschaft Niki. Der Börsengang 2006 sorgte für frisches Kapital. Ausgegeben wurde es für DBA mit ihrem dichten innerdeutschen Netz und 2007 für den Kauf des Ferienfliegers LTU. Air Berlin ging damit erstmals auf die Langstrecke. Im selben Jahr stieg die Fluglinie bei der Schweizer Belair ein.
Die vielen Übernahmen wurden schlecht verdaut. Eine saubere Integration fand nie statt. Die steigende Komplexität führte zu steigenden Verlusten. Hinzu kam eine unklare Strategie zwischen Netzwerkanbieter, Ferienflieger und Billigairline. Air Berlin suchte die Rettung in einem starken Partner. Ende 2011 vereinbarten Air Berlin und Etihad Airways eine strategische Kooperation. Die Golfairline wurde mit 29 Prozent des Kapitals größter Einzelaktionär. Seit 2012 ist die deutsche Fluglinie Mitglied bei der Allianz Oneworld.
Es folgten diverse Chefs und Sparprogramme. Alle fruchteten kaum. Im September 2016 gab Air Berlin dann eine grundlegende Strategieänderung bekannt. Die Fluglinie wurde zur klassischen Netzwerkairline. Die Flotte wird nahezu halbiert, das Ferienfluggeschäft ausgelagert.
Auch eine neue Bemalung war damals geplant.
Am 1. Februar 2017 wurde Thomas Winkelmann neuer Chef von Air Berlin. Es ist der x-te Wechsel an der Spitze, aber einer mit Signalwirkung.
In der Branche wurde umgehend gemunkelt, dass der Ex-Lufthansa-Mann im Grunde die Integration in die größte deutsche Airline vorantreiben soll.
Nur kurze Zeit später war es dann soweit: Air Berlin meldete am 15. August 2017 Insolvenz an. Der Bund hilft mit einem Übergangskredit von 150 Millionen, den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten.
aeroTELEGRAPH/Timo Nowack
Die Schulden von Air Berlin werde man aber nicht übernehmen, so Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Und dass Air Berlin schuldenfrei ist, hatte Lufthansa stets als Bedingung genannt. Sie übernimmt 81 Flugzeuge von Air Berlin.
Am 27. Oktober 2017 stellte Air Berlin schließlich den betrieb ein.