Letzte Aktualisierung: um 12:40 Uhr

Coole Pflaster

Die coole, versteckte Seite von Valencia

Die Einwohner Valencias nennen das Stadtviertel Ruzafa das «Barrio cool». Die quirlige, charmante und kreative Gegend liegt abseits der Touristenströme. Und das ist gut so.

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Valencia ist mit 800.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Spaniens. Sie trägt nach den Weltstädten Madrid und Barcelona auch die touristische Nummer drei auf dem Rücken. Will heißen: Viele reisen immer wieder nach Madrid und Barcelona. Und denken nach dem ersten Besuch und den ersten drei Tagen in Valencia, sie hätten nun alles gesehen, was die Stadt hergibt.

Dabei verrät Valencia bei jedem Besuch etwas Neues. Nur schon der Klang der geografischen Lage elektrisiert: Costa del Azahar, Küste der Orangenblüte. Ja, Azahar kommt aus dem Arabischen, aus der Zeit, als große Teile Spaniens zum arabisch-muslimischen Großreich gehörten. Und aus dem Arabischen stammt auch der Name unseres heutigen Quartiers: Ruzafa (oder auf valencianisch Russafa) steht für Garten.

Früher Migrantenviertel

Ruzafa liegt etwas außerhalb der Kernstadt, war lange ein urbaner Nonvaleur, wurde dann zum Migrantenviertel und galt lange als ebenso unliebsame wie gefährliche Gegend. Ein Garten, den man lieber mied. Erst vor etwa zehn Jahren begann dann der Aufstieg von Ruzafa, hin zum quirligen und kreativen Quartier, das es heute ist. Ein Bündel von Straßen, durchsetzt mit Ateliers und Bars, ein Viertel im steten Wandel, aber immer noch unglobalisiert, das heißt: besetzt mit lokalen und regionalen Mietern, Konzepten und Angeboten.

Die Lage von Ruzafa ähnelt jener von vielen anderen coolen Pflastern: Das Viertel liegt auf der abgewandten Seite eines Bahnhofes, wie etwa das Tortona-Viertel in Mailand. Wobei es in Valencia mit den Hauptbahnhöfen Estación del Norte und Joaquín Sorolla gleich zwei Stationen sind, die Ruzafa zur Postkarten-Seite Stadt hin abschirmen.

Paradies für Kaffee-, Brot- und Kuchen-Liebhaber

Ruzafa liegt also hinter den Bahnhöfen. Für die meisten Valencianos y Valencianas ebenso – liegt Ruzafa auch klar vor der Trendkurve. Will heißen: Hier passiert in Gastronomie, Mode und Musik, was bald überall passieren wird. Die Calle de Cuba ist dabei ein perfekter Strang für Ruzafa-Anfänger. Gut besetzt mit lokalen und regionalen Restaurants und Geschäften, ausgestattet mit populären Anker-Punkten, die zum Verweilen einladen.

Aber genug gequasselt jetzt, ¡venga vamos!, rein in die Calle de Cuba. Zu Beginn gleich ein Klassiker der Straße, ein Lieblings-Hang-Out der Traveller und ein Paradies für Kaffee-, Brot- und Kuchen-Liebhaber. Das Dulce de Leche ist eine kleine Oase im Alltag. Ich kann mir vorstellen, dass man das übliche und omnipräsente Weißbrot der iberischen Halbinsel irgendwann mal satt hat.
Was ich mir hingegen fast nicht vorstellen kann: Dass man das Brotangebot des Dulce de Leche je satthaben könnte. Wobei selbiges auch für die Kuchen-Palette gilt.

Croquetas statt mit Schinken mit Shiitake-Pilzen

Nun ist es so, dass viele Ruzaferos und Ruzaferas – so nennen sich die Einwohner des Quartiers – das Dulce de Leche zwar mögen, es aber bereits als etwas zu beliebt empfinden. Sprich: Zu international frequentiert. Wer also seinen Kaffee lieber in einem Ambiente genießt, welches sehr viel stärker von Ruzafa-Eingeborenen belebt wird, geht vom Dulce de Leche her ein paar Schritte weiter. Und ist im Los Picos gut aufgehoben.

Eine Mischung aus lokaler Eck-Kneipe und modernem Tapas-Lokal ist das La Flaca de Ruzafa. Während man draußen schon an der ersten Cervecita – am ersten Bierchen – nippt, werden drinnen Klassiker der spanischen Tapas-Küche aufgetischt. Auch mal mit einem Twist. Da kommen die Croquetas statt mit iberischem Schinken auch mal mit Shiitake-Pilzen daher, munter mischen die Tapas-Druiden Trüffel oder Sauce béarnaise in die spanischen Klassiker. Wer sich im La Flaca de Ruzafa stärkt, ist auf der Höhe der Zeit. Und parat für weitere Entdeckungen an der Calle de Cuba.

Ein Plattenladen edelt jede Straße

El Gnomo ist ein Concept Store der allerersten Stunde in Ruzafa. Sympathisch geführt, originell ausgestattet. Wie so viele Orte in Valencia und Ruzafa ist auch El Gnomo bestens mit dem Fahrrad erreichbar. Concept Stores begegnen wir immer wieder auf coolen Pflastern. Wie umschreibt man das Angebot eines solchen Ladens eigentlich treffend? Álvaro, der Besitzer von El Gnomo, sagt es mit einem Augenzwinkern so: «Wir haben die Objekte, die unbedingt nötig sind, wenn man ein zeitgenössisches Leben führen will.» Also vor allem Bücher, Geschenkartikel und Wohnobjekte.

Das Studio 35 ist ein schönes Beispiel dafür, wie Ruzafa (immer noch) funktioniert: Läden die mit einem Atelier gekoppelt sind. Den Schmuck, den Sonia hier im Ladenlokal anbietet, schmiedet und bearbeitet sie im Atelier, das gleich hinter der Shop-Fläche liegt. Ein Plattenladen edelt jedes coole Pflaster. An der Calle de Cuba übernimmt Ultrasound Music diesen Job. Eine tolle Vinyl-Adresse, die auch als Produktionsstudio funktioniert.

Paella mit Rückseite

Spanier lassen es gerne krachen, und einen Grund für die nächste Fiesta lässt sich stets leicht finden. Kein Zufall also, dass es auch in Valencia eine Unmenge an Läden mit Party-Accessoires gibt. Einen hübschen Torten-Aufstecker mit Explosions-Potenzial haben wir im Bazar Hogar gefunden, zu 1.50 Euro das Stück. Wer in Valencia Station macht, wird eher früher als später am emblematischen Gericht der Gegend vorbeikommen. Die Rede ist natürlich von Paella.

Eine plakative Paella-Abbildung ist uns im Concept-Store El Gnomo aufgefallen. Und wanderte stracks in unseren City-Rucksack. Preis: 5 Euro. Ein Plakat mit Hintergedanken übrigens: Auf der Rückseite ist ein hübsches Paella-Rezept notiert. Macht sich also gut zum Verschenken.

Man weiß man noch, was ein großzügiger Gin Tonic ist

Ruzafa zeigt sich als eine Perlenschnur von Wasserlöchern. Und manchmal lohnt es sich auch, in die Nebenstraßen zu blicken. So auch an der Calle de Cuba. Sehr hübsch zum Sonnenuntergang zeigt sich das Lokal La Fragua Gastro Time, am Ende des Parks der Plaza Manuel Granero, an dessen Anfang das Café Los Picos steht. Im La Fragua weiß man noch, wie ein großzügiger Gin Tonic daherkommen soll. Und die Gäste wissen das auch.

Jahre hat es gedauert, bis die Ruzaferos endlich ihren Park hatten. Jetzt haben sie ihn. Und das Warten hat sich gelohnt. Der Parque Central ist eine hübsche Oase im Großstadt-Trubel. Regelmäßige Tanz- und Theateraufführungen bietet das Theater Sala Russafa. Auch wenn man der Sprache nicht mächtig sein sollte – ein Besuch lohnt sich.

Unverwechselbarer Modernista-Stil

Er mag nicht so berühmt und nicht so imposant sein wie der bekannteste Markt von Valencia, das großartige Bauwerk Mercado Central. Aber auch der Mercat de Russafa hat seinen Charme und ist definitiv einen Besuch wert. Anders als der Kuppelbau des Mercat Central ist die Markthalle der Ruzaferos mit einem Flachdach gehalten. Bei gutem Sonnenstand zaubert die farbige Außenverzierung prächtiges Licht in die Markthalle hinein.

Und wenn wir hier schon in einem Quartier hinter dem Bahnhof wandeln: Der Bahnhof Estación del Norte ist definitiv einen Besuch wert. Vor allem deshalb, weil er im unverwechselbaren Modernista-Stil gehalten ist.

Und so kommt man nach Ruzafa

Vom Flughafen Valencia mit Metrolinie 3 oder 5 bis zur Station Xàtiva fahren, das dauert rund 20 Minuten. Von dort aus ist es ein zehnminütiger Spaziergang zur Calle de Cuba. Reizvolle Alternative: Zunächst im Stadtzentrum einen Cafecito trinken, wo das alle Valencianos y Valencianas gerne tun: In der ehemaligen Markthalle Mercado de Colón. Von dort aus gelangt man entlang der Ramblas-artigen Gran Via del Marqués del Túria in einem zwanzigminütigen Spaziergang an die Calle de Cuba.

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In «Coole Pflaster» porträtieren wir städtische Straßen aus aller Welt, die nicht globalisiert sind. Kein Starbucks, kein H&M, kein McDonald’s – sondern lokale und regionale Anbieter aus Gastronomie, Hotellerie, Shopping und Kultur. Hier werden Straßen geehrt, die Einheimische und Zugereiste gleichermaßen glücklich machen. Der heutige Beitrag wurde von Livia Güntert verfasst.

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