Letzte Aktualisierung: um 13:53 Uhr

Gletscherflüge

Wenn die Landebahn ein Gletscher ist

Was benötigt man, damit man im ewigen Eis landen darf? Und was muss man können. Ein Gletscherflug mit einem lizenzierten Piloten?

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Rund um uns herum erheben sich Berge steil empor – bis auf 3300 Meter über Meereshöhe. Unter uns ist Eis. Wir fliegen gerade auf den Gletscher zu. «Dies ist der Point of no return», erklärt Pilot Joshua Genneheimer. Kurz darauf bewegt er den Schubhebel in den Leerlauf und die Skier der Piper Super Cub setzen sanft auf dem Schnee des Rosablanche-Gletschers auf.

Gletscherlandungen gehören zu den spektakulärsten Abenteuern im Fliegen. Doch jeder kann das nicht. Genneheimer ist einer von wenigen Dutzend Schweizer Piloten, welche die Lizenz für Gletscherflüge besitzen. Er ist im Gebirgskanton Wallis geboren und aufgewachsen. Die Berge sind sein Zuhause und waren auch schon immer seine große Leidenschaft.

250 Landungen mit Instruktor

Als er im Alter von 20 Jahren seine Privatpilotenlizenz erhielt, wurde Genneheimer Mitglied der Motorfluggruppe Oberwallis. Dort kam er bald in Kontakt mit Gletscherpiloten, die seine Passion teilten und ihn auf erste Flüge mitnahmen. Für den jungen Mann war klar – das wollte er auch können.

«Der große Reiz an der Gletscherfliegerei besteht in der Nähe zur Natur, in der Einzigartigkeit, in der großen fliegerischen Freiheit und der Herausforderung», sagt er. Der Weg zum Lizenzzusatz Gletscherpilot umfasste für Genneheimer rund 250 Landungen mit Instruktor auf 13 der 24 Gletscher, die in der Schweiz beflogen werden dürfen.

Skier sind hydraulisch absenkbar

Jetzt nimmt Genneheimer uns mit auf einen Gletscherflug. Wir ziehen die Piper Super Cub mit dem Kennzeichen HB-PHX aus dem Hangar des Flughafens Sion. Sie zeichnet sich durch den 180 PS starken Motor und einen Vierblattpropeller (Standardausführung Zweiblatt) aus. Dieses Upgrade sorgt für die nötige Leistung für Flugmanöver und Starts auf 3000 Meter Höhe auf den Gletschern. Durch die geringe Luftdichte, kommen schwächere Kolbenmotoren da rasch an die Leistungsgrenze.

Der augenfälligste Unterschied zu einer herkömmlichen Piper Super Cub sind allerdings die Skier, die sich an Haupt- und Heckfahrwerk befinden. Sie können über ein Hydrauliksystem gesteuert werden. Für Starts auf Asphalt können sie damit einige Zentimeter über die Reifen gezogen werden. Nach dem Start werden sie abgesenkt und sind bereit für eine Landung auf Schnee.

Abwinde sind gefährlich

Vor dem Abflug müssen wir unseren Rundflug noch beim Flughafen anmelden. Dafür gibt es in Sion ein spezielles Formular, auf welchem Genneheimer ankreuzen kann, welche der Gletscher wir anfliegen wollen. Er setzt ein Kreuz bei Rosablanche und Tsanfleuron, die mitten im Skigebiet Glacier 3000 liegen.

24 Gletscher dürfen schweizweit von Flächenflugzeugen genutzt werden. Für welchen man sich dabei entscheidet, hängt von der Schneemenge und den Wetterbedingungen, allem voran von den vorherrschenden Winden ab. Starke Abwinde im Endanflug auf einen Gletscher können rasch tödlich sein.

Zuerst wird das Gelände überprüft

Wir verlassen den Kanton Wallis und fliegen erst in Richtung Süden, der 285 Meter hohen Grande Dixence-Staumauer entgegen. Unser erstes Ziel, der Rosablanche Gletscher, liegt nur wenig westlich davon. Genneheimer wählt die Gebirgsflugs-Frequenz 130.355 am Funkgerät. Darauf kommunizieren die Gletscherpiloten miteinander. Schon im Anflug auf den Rosablanche-Gletscher erfahren wir, dass bereits zwei weitere Piloten Landungen dort vollziehen.

Geschickt reiht sich Genneheimer nun zwischen den beiden anderen Piloten ein und beginnt seine Inspektions-Überflüge. In der Regel wird die Landezone vor dem ersten Aufsetzen drei Mal in einem 90-Grad-Winkel auf verschiedenen Höhen überflogen, um die Oberflächenbeschaffenheit des Landeplatzes und die vorherrschenden Winde bestmöglich einschätzen zu können.

Durchstarten nicht mehr möglich

Dann sind wir bereit für die erste Landung. Nur wenige Meter an den Felswänden vorbei drehen wir auf unsere Anflugrichtung ein. Wir sinken nicht stark, viel mehr befinden wir uns annähernd in einem Horizontalflug, während das Terrain von unten steil ansteigt und immer näher kommt. Schon lange vor dem Aufsetzen muss sich Genneheimer deshalb entscheiden, ob er die Landung durchziehen oder noch durchstarten will.

Kurz vor dem Aufsetzen steigt das Terrain derart stark an, dass die Steigleistung des Flugzeugs nicht mehr für ein Durchstartmanöver ausreichen würde. Wir sind am Point of no return, dem Punkt, wo es keine Umkehr mehr gibt. Mit den Worten «Commit to land» gibt er bekannt, dass er den Anflug vorsetzt und sich damit definitiv zur Landung entscheidet. Planänderungen gibt es nun nicht mehr.

Übermut ist fehl am Platz

Wenige Meter über dem Boden zieht Genneheimer die Leistungshebel auf Leerlauf und das Flugzeug in einen Steigflug entlang dem Gletscher. Dann berühren unsere Skier ganz sanft den Schnee. Der Widerstand des Schnees und das nach wie vor stark ansteigende Terrain bremsen uns so schnell aus, dass wir schon kurz nach dem Aufsetzen wieder volle Leistung setzen. So gehts nun einige Meter bergaufwärts, bis Genneheimer stark ins linke Pedal tritt.

Wir machen eine schnelle 180-Grad-Drehung. Die Schubhebel bleiben auf voller Leistung und so schießen wir nun gleich wieder den Gletscher hinab. Schon bald erreichen wir unsere Abhebegeschwindigkeit und lösen uns wieder vom Gletscher in Richtung Tal. Hier ist definitiv Können gefragt und Übermut fehl am Platz.

Zum Schluss eine Überraschung

Nun verlassen wir das Tal in Richtung Norden. Genneheimer hat noch eine Überraschung bereit. Nach einer erneut sanften Landung auf dem Tsanfleuron-Gletscher, mitten im Skigebiet, parken wir unsere Piper am Wendepunkt nach der Landung. Der Pilot packt den Gaskocher aus und beginnt auf 3000 Meter über Meereshöhe ein – selbstverständlich alkoholfreies – Fondue zu kochen.

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