Letzte Aktualisierung: um 23:45 Uhr

Sebastian Papst, Flughafen Weeze

«Weeze wird im Sommer ein buntes Vorfeld mit vielen Airlines haben»

Mitten in der Corona-Krise wurde Sebastian Papst Chef des Flughafens Weeze. Im Interview spricht er über Platzhirsch Ryanair, Wunschziele für den Flugplan, den niederländischen Airport-Eigentümer und die Enttäuschung Green Airlines.

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Ihr Flughafen ist maximal abhängig von Ryanair. Ist das ein ungutes Gefühl?
Sebastian Papst*: Nein. Ryanair ist ein langjähriger Partner, der bei der Eröffnung des Flughafens Weeze vor 20 Jahren den Erstflug durchgeführt hat. Die Ryanair-Basis hier hat im vergangenen Jahr ihren 15. Geburtstag gefeiert. Und wenn Sie sich anschauen, dass beispielsweise in Frankfurt, Münster oder Düsseldorf die Airlines der Lufthansa-Gruppe 50 bis 70 Prozent des Verkehrs ausmachen, relativieren sich die 85 Prozent von Ryanair in Weeze. Wir fühlen uns damit nicht unwohl.

Und falls sich Ryanair doch irgendwann aus Weeze zurückzieht – haben Sie einen Plan B?
Das ist kein Szenario, mit dem wir rechnen, daher gibt es keinen ausgearbeiteten Plan B. Es ist eine lange und vertraglich fixierte Partnerschaft und unsere Gedanken und Arbeitszeit richten wir in die andere Richtung, nämlich auf Wachstum. Außerdem haben wir noch Corendon und in diesem Sommer kommen weitere Ferienflieger dazu.

Aber Corendon fliegt aktuell nicht ab Weeze.
Nein, in der laufenden Wintersaison nicht. Aber im April fliegt sie wieder ein Mal pro Woche nach Hurghada.

Das ist dann zu Beginn des Sommerflugplans. Folgt danach noch mehr von Corendon?
Wenn sie die Kapazität haben, dann sicherlich. Weeze wird im Sommer aber auf jeden Fall ein buntes Vorfeld mit vielen Airlines haben. Denn wir bekommen durch die Sunweb-Gruppe Charterverkehr hinzu – durchgeführt von Sun Express, Sky Express und Freebird. Außerdem fliegt Tailwind Airlines ebenfalls für Veranstalter in die Türkei. Und wir streben an, weitere Airlines als Kunden zu gewinnen.

Welche Fluggesellschaft hätten Sie gerne hier?
Jeder ist willkommen, wir haben die Kapazität. Aber wenn wir über Destinationen sprechen, wäre es zum Beispiel schön, Skandinavien im Winterflugplan zu haben. Innerdeutsch wären die großen Ziele wie München, Berlin und vielleicht auch Hamburg gute Verkehre.

Dass wir mehrheitlich in Privatbesitz sind, bedeutet, dass wir seit jeher jeden Euro drei Mal umdrehen.

Gibt es konkrete Verhandlungen?
Es gibt viele Gespräche. Die Corona-Krise hat vieles durcheinandergebracht. Viele gucken nun über den Tellerrand hinaus, entwickeln neue Konzepte und sind bereit für neue Verhandlungen. An vielen Flughäfen gab es im Sommer außerdem operative Probleme. Und die Niederlande haben die Luftverkehrssteuer verdreifacht. All das sorgt dafür, dass sich die Frequenz der Gespräche erhöht hat.

Erhoffen Sie sich ein großes Passagier-Plus durch die Steuererhöhung in den Niederlanden?
Vor Corona hatte Weeze rund 1,2 Millionen Reisende, 2022 etwas mehr als eine Million. Im Jahr 2010 waren es noch 2,8 Millionen. Als dann 2011 die Luftverkehrssteuer in Deutschland eingeführt wurde und es in den Niederlanden keine gab, hat das unseren Flughafen rund 1,5 Millionen Passagiere gekostet. Davon konnte besonders Eindhoven profitieren. Wir erwarten nun nicht, dass direkt 1,5 Millionen Fluggäste zurückkommen, aber schon, dass sich da etwas tut.

Wie hoch ist aktuell der Anteil der niederländischen Reisenden am Flughafen Weeze? Und wie hoch wird er ansteigen?
Aktuell sind es zwischen 35 und 40 Prozent. Es waren aber auch mal 50 Prozent. Und wir erwarten, dass es nun wieder in diese Richtung geht.

Was die Eigentumsverhältnisse angeht, ist der Flughafen Weeze ja ein niederländischer Airport.
89 Prozent gehören einem niederländischen Privatinvestor. Der Rest liegt beim Kreis Kleve und der Gemeinde Weeze.

Was bedeutet das für Sie und Ihre Arbeit?
Dass wir mehrheitlich in Privatbesitz sind, bedeutet, dass wir seit jeher jeden Euro drei Mal umdrehen. Dadurch haben wir positive Ergebnisse geschrieben und werden dies auch wieder tun. Wir legen eine hohe Kostendisziplin an den Tag, können aber auch hier und da etwas flexibler und kreativer handeln.

Der Mehrheitseigentümer heißt Herman Buurman und ist Investor mit einem Schwerpunkt im Immobiliengeschäft. Mischt er sich gerne hier am Flughafen?
Wir haben regelmäßigen Kontakt, besprechen uns, beraten uns. Es ist ein gutes Miteinander.

Wir haben es im Nachgang leider nicht aufarbeiten können, weil Green Airlines dann auch für uns nicht mehr zu erreichen war.

Nochmal zurück zum Thema Fluggesellschaften: Green Airlines wollte im Frühjahr 2022 in Weeze eine Basis aufbauen mit zwei ATR 72. Es sollte Flüge nach Berlin, München, Usedom und Sylt geben. Mittlerweile ist das Unternehmen vom Markt verschwunden. Einen einzigen Sylt-Flug gab es ab Weeze.
Es waren sogar zwei Flüge. Es hatten nämlich zehn Fluggäste gebucht, aber Green Airlines hatte beim Itzehoer Airservice eine Maschine mit nur sieben Plätzen gechartert. Die musste dann gleich zwei Mal fliegen.

War es eine große Enttäuschung, dass Green Airlines gescheitert ist?
Ja, war es. Gerade wegen der geplanten Strecken nach Berlin und München. Diese Routen gab es hier ja schon mal und sie waren gut ausgelastet. Eingestellt wurden sie, weil die Flugzeuge im Zuge der Air-Berlin-Pleite gebraucht wurden, um Slots an anderen Flughäfen abzudecken.

Welche Airlines haben diese Routen zuletzt bedient?
Nach München ist damals Eurowings geflogen, nach Berlin war es Ryanair. Und aus dem Angebot von Green Airlines wurde im vergangenen Jahr übrigens auch Sylt überraschend gut angenommen. Daher war das für uns sehr enttäuschend. Wir haben es im Nachgang leider nicht aufarbeiten können, weil Green Airlines dann auch für uns nicht mehr zu erreichen war.

Und wie war Ihr Eindruck vor dem Start?
Die Gespräche mit Green Airlines waren eigentlich sehr professionell. Und sie ist die Sylt-Strecke ab Paderborn eine komplette Saison durchgeflogen, wenn auch mit wechselnden Airline-Partnern. Das war unter dem Strich kein so schlechter Eindruck. Und wenn so eine Airline bereit ist, die Entgelte hier zu bezahlen, dann müssen wir ihr einen diskriminierungsfreien Zugang und eine Nutzung unserer Infrastruktur gewähren. An einem slotregulierten Flughafen kann das anders aussehen, aber wir sind nicht slotreguliert.

Haben Sie durch Green Airlines einen finanziellen Schaden erlitten?
Einen sehr überschaubaren.


Ryanair-Jets in Weeze. Bild: Weeze Airport

Themenwechsel: Gibt es Frachtgeschäft an Ihrem Flughafen?
Das gab es mal, im kleinen Umfang, aber im Moment nicht. Ryanair nimmt auch keine Fracht mit in ihren Passagierjets. Wir haben aber die Infrastruktur, um Fracht abzuwickeln: eine Halle, in der Land- und Luftseite getrennt sind, und auch Personal mit entsprechenden Schulungen. Bei Bedarf sind wir in der Lage, das schnell wieder hochzufahren.

Und rechnen Sie in Zukunft mit Bedarf?
Die bisher unumstößlichen Leitsätze sind «Größer ist besser» und «Fracht braucht die Nacht». Aber wenn man da mal etwas flexibler drüber nachdenkt, kommt man schnell zu dem Schluss, dass Regionalflughäfen auch Vorteile bringen, gerade Weeze durch seine geografische Lage. Wir glauben, dass der eine oder andere derzeit in Erwägung zieht, Fracht weiter in die Regionen hinein zu bringen. Und zwar mit kleinerem Fluggerät. Denn wenn Sie sich mal angucken, wie marode in Deutschland der Zustand der Autobahnbrücken ist, wird schnell klar, dass das auf Dauer nicht allein über die Straße funktionieren kann.

Gibt es schon konkrete Projekte?
Es gibt ein Projekt mit Frachtdrohnen der bulgarischen Firma Dronamics, zu deren Netzwerk wir gehören. Die Drohnen starten nicht senkrecht, sondern ähneln Flugzeugen und brauchen 300 bis 400 Meter Start- und Landebahn. Ein Cockpit gibt es nicht, sondern ein Pilot steuert sie aus der Ferne. An Bord ist in der aktuellen Versionen Platz für drei Europaletten oder 350 Kilogramm Fracht. Der Betrieb soll dieses Jahr zuerst in Malta starten.

Wo wir eh gerade beim Thema Drohnen sind: Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages Flugtaxis Zubringerflüge von Weeze zum Beispiel nach Düsseldorf durchführen?
Ja. Denn bevor sie innerstädtisch von einem Parkhausdach zum anderen fliegen, sollte man doch erstmal die Infrastruktur nutzen, die man hat und wo man sich mit Luftverkehr auskennt. Und das sind die Flughäfen. Warum also keine Zubringerflüge mit Flugtaxis von Regionalhäfen zu großen Airports?

Der Job als Chef des Flughafens Weeze ist Ihre erste Station in der Luftfahrt, zuletzt waren Sie in der Unternehmensberatung tätig. War es schwer, sich in die Branche einzuarbeiten?
Mit fällt es generell leicht, mich in neue Themen einzuarbeiten, das kenne ich aus der Beratung. Außerdem hat ja nur der Geschäftsführer gewechselt, nicht das komplette Management. Das Team hat mich zum Start unterstützt, wo es ging. Allerdings habe ich im September 2020 angefangen, mitten in der Corona-Krise. Viel Eingewöhnungszeit hatte ich da nicht – ich musste schnell Entscheidungen treffen.

Aber in dieser Zeit passierte ja fast gar nichts in der Luftfahrt.
Dennoch gab es viel zu entscheiden. Wir haben in unsere Infrastruktur investiert, Starkstromkabel verlegt und damit und unsere Bodenstromaggregate für alle Parkposition umgestellt von Diesel auf vollelektrisch. Außerdem befindet sich im Eigentum der Flughafengesellschaft ein Gelände von 620 Hektar, das wir bewirtschaften. Dazu gehören rund 600 Gebäude, zum großen Teil noch aus der Zeit des britischen Militärflugplatzes, viele davon instandsetzungsbedürftig. In der Corona-Zeit war es wichtig für uns, damit Einnahmen zu generieren, etwa über Vermietungen. Wir haben auch Parkplätze an Automobillogistiker vermietet

Parookaville ist so nahe am Flugbetrieb, wie es nur irgendwie möglich ist.

Sie haben mit Parookaville und San Hejmo zwei Musikfestivals und mit Mud Masters eine Sportveranstaltung auf Ihrem Gelände. Ich kenne keinen anderen Airport, der so stark auf Großveranstaltungen setzt. Was verdienen Sie damit?
Die Ausrichter zahlen Miete. Das ist für uns ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Hinzu kommt die Wahrnehmung der Festivalgäste, dass hier ein Flughafen ist. Wenn man alle Leistungen einberechnet, etwa auch von unserer eigenen Gastronomie, die Catering anbietet, macht dieses Geschäft rund ein Viertel unseres Unternehmens aus.

Wie nahe kommen sich Festivals und Flughafenbetrieb?
Parookaville ist so nahe am Flugbetrieb, wie es nur irgendwie möglich ist. Wir nehmen sogar einen Teil aus dem Sicherheitsbereich heraus, um Platz zu machen für den Busbahnhof des Festivals. Dazu wird in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung ein Stück des Sicherheitszauns versetzt und die Busse halten direkt neben dem Taxiway. Und das bei laufendem Flugbetrieb. Wir stellen am Flughafen nichts ein beim Auf- und Abbau und während des Festivals.

Kommen auch viele Gäste mit dem Flugzeug?
Das erfassen wir nicht. Aber DJs reisen mit Privatflugzeugen zum Parookaville an. Sie legen dann hier auf und können direkt zum nächsten Gig weiterreisen.

Wie steht es mit der Klimaneutralität Ihres Flughafens?
Wir sind klimaneutral. Wir haben auf dem Gelände große Photovoltaik-Flächen. Und wir bauen eine weitere Anlage in diesem Jahr. Was hier auf dem Gelände produziert und verbraucht wird, ist schon mehr als in Waage. Wir könnten künftig auch erneuerbare Energien ins Netz einspeisen.

Da bietet sich ja auch der Einsatz von Elektrofahrzeugen an.
Wo es möglich ist, setzen wir schon welche ein. Aber als privater Regionalflughafen sind wir bisher ein guter Abnehmer von gebrauchten Fahrzeugen, die woanders ausgemustert werden. Und einen Zweitmarkt für Elektrofahrzeuge gibt es noch nicht wirklich. Sonst würde ich gerne Elektrobusse kaufen. Sobald der Gebrauchtmarkt das hergibt, sind wir dabei.

Apropos Busse: Eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln hierhin dauert aus dem Ruhrgebiet ungefähr doppelt so lange wie mit dem Auto. Wie viele Ihrer Fluggäste in Weeze kommen mit Bus und Bahn?
Anhand von Stichproben gehen wir von 10 bis 15 Prozent aus. Der Großteil unserer Gäste kommt mit dem Auto. Aber natürlich wünschen wir uns, dass die ÖPNV-Anbindung besser wird. Eine gewisse Verlässlichkeit der Züge und eine engere Taktung der Verkehre wäre schon mal ein guter Anfang. Außerdem gibt es das Problem, dass Gäste aus dem Rheinland und Ruhrgebiet zu den ersten Abflügen hier nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen können. Und auch nach den letzten Ankünften wird es schwierig, ohne Auto wegzukommen. Außerdem wünschen wir uns direktere und regelmäßigere Anbindungen für unsere niederländischen Gäste.

*Sebastian Papst wollte nach dem Abitur Pilot werden, doch seine Augen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Im September 2020 schaffte er dann doch noch den Einstieg in die Luftfahrt, als er Chef des Flughafens Weeze wurde. Zuvor arbeitete der promovierte Wirtschaftswissenschaftler unter anderem als Unternehmensberater bei Pricewaterhouse Coopers in Düsseldorf und war bei in mittelständigen Firmen in der Geschäftsführung tätig, zuletzt bei einem Automobilzulieferer. Papst ist heute 45 Jahre alt und lebt mit Frau und Kindern im niederrheinischen Kreis Viersen.