Der Airbus A320 von Austrian Airlines: An 15 Stellen beschädigt.
OE-LBM

Was beim Hagel-Flug von Austrian Airlines genau geschah

Zum Hagel-Flug von Austrian Airlines gibt es neue Details. Der vorläufige Untersuchungsbericht zeigt, was sich im Cockpit abspielte, wie viele Schäden der Airbus A320 aufwies - und dass gleichzeitig zwei Spezialflugzeuge unterwegs waren.

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Der Vorfall sorgte für Schlagzeilen - und heftige Kritik. Am 9. Juni geriet Flug OS434 von Austrian Airlines aus Palma Mallorca kurz vor Wien in starken Hagel. Der Airbus A320 mit dem Kennzeichen OE-LBM nahm dadurch Schaden. Seine Nase wurde größtenteils zerstört, die Cockpitscheiben sprangen und auch Tragflächen und Leitwerk nahmen Schaden.

Seitdem gab es Vorwürfe und Spekulationen. Von Anfang an geht es um die Frage, ob der Flug durch den Hagel nicht vermeidbar gewesen wäre. Es gab Berichte, ein Mitglied der Cockpitcrew habe sich im entscheidenden Moment alleine im Cockpit befunden. Sogar die Staatsanwaltschaft kam ins Spiel, da es Vorwürfe gab, AUA habe Dokumentationen manipuliert. Ein Fluggast-Anwalt warf auch der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes SUB vor, den Vorfall, den sie untersucht, nicht ernst genug einzustufen.

Flugzeug hatte Internetprobleme

Jetzt liegt der vorläufige Untersuchungsbericht der Sicherheitsuntersuchungsstelle vor. Die kurze Zusammenfassung darin lautet: «Nach einem Hagelschlag erklärte die Cockpitbesatzung eine Luftnotlage (Mayday) wegen gebrochener Windschutzscheiben und unzuverlässiger Anzeige der Fluggeschwindigkeit (Unreliable Speed Indication). Nach erfolgreicher Landung am Zielflugplatz Wien-Schwechat wurden zusätzlich zur beschädigten Windschutzscheibe weitere Schäden an den Vorderkanten der Tragflächen und des Leitwerks sowie ein fehlendes Radom samt stark beschädigter Antenne des Wetterradars festgestellt.»

Die ausführlichere Beschreibung der Ereignisse zeigt unter anderem, dass es ein Problem mit Wetterupdates gab. «Für das Wetterbriefing wurden Daten des Briefing Packs genutzt», schreibt die österreichische Behörde. «Für Updates während des Reisefluges wurden zudem Daten der Webseite Windy  beziehungsweise die entsprechende App genutzt.» Dafür war Internet nötig. «Die vom Luftfahrzeugbetreiber an Bord mittels Wlan zur Verfügung gestellte Internetverbindung hatte im Flugverlauf jedoch Verbindungsprobleme», so die Sicherheitsuntersuchungsstelle.

Laufend Wettermeldungen empfangen, aber ...

Das genannte Briefing Pack umfasste in Bezug auf das Wetter die ganze Strecke von Palma bis Wien inklusive Start- und Zielflughafen sowie andere Flughäfen entlang der Strecke. Es gab Windkarten und Karten für signifikante Wettererscheinungen, Satellitenbilder, Prognosekarten für Luftdruck und Niederschlag für verschiedene Zeiträume und ein aktuelles Radarbild für Niederschlag. Zudem wurden während des Fluges mehrere Wettermeldungen mittels Atis (automatische Ausstrahlung von Lande- und Startinformationen) empfangen.

Das Wetterradar war eingeschaltet und voll funktionsfähig. Das zeigte sich um gegen 17:02 Ortszeit, nahe Bologna, als eine Kursänderung angefordert wurde, um einer Gewitterzelle auszuweichen. Diese Zelle war gemäß dem 59 Jahre alten Kapitän (8433 Stunden Gesamtflugerfahrung, 1626 Stunden auf dem A320) am Wetterradar ersichtlich.

Kapitän ging zur Toilette

Über den Alpen gab es laut der Besatzung des Airbus A320 von Austrian Airlines diffuse, geschlossene Wolkenschichten. Kapitän und First Officer (31 Jahre alt, 3119 Stunden Gesamtflugerfahrung, alle auf A320) gaben nach dem Vorfall an, dass sie keine Anzeigen auf den Navigation Displays hatten, die auf Gewitter- oder Hagelaktivitäten hinwiesen. Sie nahmen auch keinen Funkverkehr wahr, der auf Kursänderungen anderer Luftfahrzeuge aufgrund von Schlechtwetter hindeutete.

Blick aus den zerkratzten Cockpitscheiben. Bild: SUB

Um etwa 17:28 Uhr verließ der Kapitän das Cockpit, um auf die Toilette gehen. «Zuvor wurde die Übergabe der Luftfahrzeugsteuerung mittels Handover Briefing durchgeführt, Primary Flight Display und Navigation Display wurden geprüft und waren unauffällig», schreibt die Sicherheitsuntersuchungsstelle. Um 17:30:29 Uhr erfolgte die Anmeldung beim Anflugdienst Wien Radar. Um 17:31 Uhr flog der A320 in eine Gewitterzelle mit starkem Hagel. Zwischen 17:31:05 und 17:31:45 Uhr gab es mäßige Turbulenzen mit Spitzen bis 1,75 g vertikal.

«We have ah heavy hail»

Derweil wurde laut First Officer, nun alleine im Cockpit des A320, auf dem Wetterradar weiterhin nichts angezeigt. Um 17:31:40 Uhr folgte per Funk die Meldung über schweren Hagel: «We have ah heavy hail». Um 17:31:47 und 17:32:20 Uhr meldeten zwei von drei Sensoren einen deutlichen Abfall der Geschwindigkeit. Dadurch wurde «ein Master Warning ausgelöst und Autopilot 1, Flight Director 1 und 2 und Auto Thrust automatisch deaktiviert», heißt es im Bericht. Die Flugsteuerung wechselte zudem automatisch in das Alternate Law.

Um circa 17:33 Uhr wurde die Cockpittür vom First Officer geöffnet, als der Kapitän gerade mittels Emergency Door Code öffnen wollte. Nach kurzem Handover-Briefing übernahm er wieder die Kontrolle über den Airbus A320 - um 17:33:44 Uhr gab es die erste Eingabe an seinem Sidestick.

Kapitän sah durch gebrochene Scheibe

Um 17:33:23 Uhr erfolgte die Mayday-Meldung an Wien Radar. Der Kapitän wies an, dass im Cockpit vorsorglich die Sauerstoffmasken zu verwenden sind, die dann auch bis zur Landung auch verwendet wurden. Das Verfahren für Unrealiable Speed Indication wurde abgearbeitet, das Verfahren Cockpit Windshield / Window Crack wurde gemäß First Officer nicht angewandt. Um 17:47 Uhr antwortete die Crew von Austrian Airlines auf die Frage von Wien Radar nach weiteren Schäden, dass nur die Windschutzscheiben beschädigt seien.

Die Schäden an der Triebwerksaufhängung. Bild: SUB

Der Kapitän hatte trotz gebrochener Windschutzscheibe «an mehreren kleineren Stellen Sicht nach außen und zur Landebahn», so die Sicherheitsuntersuchungsstelle. Anflug und Landung erfolgten mittels Instrumentenlandesystem. Um 17:50:45 Uhr wurde das Fahrwerk ausgefahren, wodurch die Flugsteuerung automatisch vom Alternate Law ins Direct Law wechselte. Um 17:55:47 Uhr meldete Wien Tower der Besatzung, dass die Luftfahrzeugnase beschädigt sei.

Flugzeuge der Hagelabwehr im Einsatz

Insgesamt weist eine Liste, die Austrian Airlines der Behörde vorlegte, schließlich 15 Schäden an der OE-LBM auf. Beispielsweise gab es an den Flügel- und Leitwerksvorderkanten viele kleinere bis etwa golfballgroße Dellen. Verkleidungsteile der Triebwerksaufhängungen wurden ebenso beschädigt wie Antennen und Lichter. Von den 173 Fluggästen und den beiden Mitgliedern der Cockpitbesatzung wurde niemand verletzt. Ein Mitglied der vierköpfigen Kabinencrew verstauchte sich während der Turbulenzen eine Hand.

Ein weiterer spannender Teil im vorläufigen Untersuchungsberichts ist, dass während des Vorfalls zwei Flugzeuge der Hagelabwehr «unterhalb des Aufwindgebietes der Gewitterzelle im Einsatz» waren. «Deren Einsatz begann etwa 45 Minuten vor dem Vorfall, um in Azeton aufgelöstes Silberjodid (AgI) in die Gewitterzelle einzubringen mit dem Ziel, möglichen schweren Hagel am Boden zu entschärfen», schreibt die Sicherheitsuntersuchungsstelle.

Abschnitt des Flugverlaufs inklusive Flüge der Hagelabwehr. Bild: SUB/Google Earth

Wasser gefriert schneller

Zweck der Verteilung von Silberjodid in der Gewitterzelle ist, gezielt Regen- oder Hagelbildung zu begünstigen, um die Bildung größerer Hagelkörner zu verhindern und dadurch schwerere Unwetter am Boden zu verhindern oder abzuschwächen. Durch dieses Vorgehen werde in der «Gewitterzelle befindliches Wasser schneller gebunden und gefriert auch schneller», so der Bericht. «Inwiefern das im Zuge der Hagelabwehr in die Gewitterzelle eingebrachte Silberjodid Einfluss auf die für das Wetterradar relevante Reflektionsfähigkeit der Hagelzelle hatte, ist noch Teil der Untersuchung.»

Um den Vorläufigen Untersuchungsbericht der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle zum Hagel-Flug als PDF selber lesen, klicken Sie hier.

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