Vor zwei Jahren flog ein Flugzeug von Easyjet den Flughafen Genf viel zu niedrig an. Jetzt wird bekannt: 2024 gab es einen ähnlichen Vorfall mit einem Airbus A320 Neo von Aegean Airlines. Dabei kam das Flugzeug dem Genfersee offenbar noch näher.
Am 5. November 2023 flog ein Airbus A320 Neo im Anflug auf Genf viel zu niedrig. «Beim Anflug auf die Landebahn 22 sank das Flugzeug deutlich unter den Gleitpfad und die Flugbesatzung leitete einen Durchstart ein», schrieb die Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust später. Und Aufzeichnungen von Flugverfolgungsdiensten zeigten: Das Flugzeug von Easyjet war rund zwölf Kilometer vor der Pistenschwelle so stark gesunken, dass es sich nur 230 Meter über der Oberfläche des Genfersees befand. Es war damals rund 500 Meter zu niedrig.
Beim Anflug mit Instrumentenlandesystem, im Jargon unter der Abkürzung ILS bekannt, erhalten Pilotinnen und Piloten von zwei Leitstrahlen am Boden Signale. Sie weisen ihnen den korrekten Weg zur Piste. Dabei spricht man vom Gleitpfad.
Wäre der A320 Neo von Easyjet so weiter gesunken wie zuvor, wäre er 30 Sekunden später auf dem Genfersee aufgeschlagen. Doch im Cockpit ertönte ein Alarm und auch die Flugsicherung war aufmerksam. Der Jet gewann dann schnell wieder an Höhe, flog eine Schleife und landete dann ohne Probleme.
Nun macht die Zeitung Tribune de Genève einen weiteren Vorfall bekannt: Am 27. November 2024 kam es erneut zu einem ähnlichen Vorfall, dieses Mal mit einem Airbus A320 Neo von Aegean Airlines. Er war als Flug A3854 aus Athen gekommen. Obwohl dies schon mehr als ein halbes Jahr her ist, war über den Vorfall bisher nichts bekannt. Ende Juli hat aber die französische Untersuchungsstelle BEA, eine kurze Meldung dazu veröffentlicht. Das liegt daran, dass der Jet von Airbus aus Frankreich stammt..
Darin heißt es lediglich: «Beim Anflug auf Landebahn 22 sank das Flugzeug weit unter den Gleitpfad und die Crew leitete einen Durchstart ein.» Für die Untersuchung des schweren Zwischenfalls mit dem Jet mit der Kennung SX-NET seien Schweizer Behörden zuständig.
Von der Sust gibt es bisher noch keine Veröffentlichung. Der Tribune de Genève erklärte ein Vertreter der Behörde nur: «Erst zu einem späteren Zeitpunkt wird in der Schweiz ein Vorbericht veröffentlicht, der in Kürze erfolgen wird.» Vorher könne man «zu diesem schwerwiegenden Vorfall keine weiteren Informationen und Details liefern».
Die Zeitung recherchierte jedoch weitere Informationen zu dem Vorfall. So berichteten ihr Fluggäste von einem rasanten Sinkflug und einem folgenden Durchstart-Manöver. Unter Verweis auf Daten von Flugverfolgungsdiensten schreibt sie, dass sich der A320 Neo von Aegean Airlines am tiefsten Punkt nur noch rund 80 Meter über dem Genfersee befand - an einem Punkt, an dem der Jet bei einem normalen Sinkflug etwa 300 Meter höher geflogen wäre.
Der Flieger «hätte zehn Sekunden später den Genfersee treffen und etwa 500 Meter vom Ufer und den Wohnhäusern von Versoix entfernt aufschlagen können, wenn er seine Flugbahn nicht korrigiert hätte», analysiert die Zeitung. Ein Pilot, der mit den Genfer Anflugverfahren vertraut ist, sagte dem Blatt, der Aegean-Fall sei «einer Katastrophe sehr nahe» gewesen. «Der Spielraum war deutlich geringer als im Easyjet-Fall.»
Das Flugzeug von Aegean Airlines befand sich dem Bericht zufolge nach einer Kurve über den Alpen zwar auf der Landebahnachse, jedoch im Verhältnis zum Gleitpfad aber noch zu hoch. Es war also nicht richtig auf das ILS ausgerichtet. Gemäß Tribune de Genève bot die Flugsicherung zwei Optionen an: Höhe gewinnen, um neu zu positionieren, oder den Sinkflug mit Korrektur des Anflugs fortsetzen. Die Crew entschied sich für Letzteres und ließ das Flugzeug dann besonders schnell sinken. Dann geriet der A320 Neo aber zu tief, weit unter den Gleitpfad.
Im Cockpit ertönte kurz danach der Alarm: «Gelände! Gelände! Hochziehen! Hochziehen!» Zugleich ging im Kontrollturm eine Warnung ein, wie die Schweizer Flugsicherung Skyguide gegenüber der Zeitung bestätigte. Die Fluglotsinnen und Fluglotsen forderten die Besatzung auf, sofort wieder an Höhe zu gewinnen, was einige Sekunden unbeantwortet blieb. Doch der A320 Neo stieg wieder, drehte eine Runde und landete schließlich sicher.
Aegean Airlines erklärte der Tribune de Genève: «Wir wurden kürzlich von den Schweizer Behörden darüber informiert, dass eine Untersuchung zu Flug A3854 vom November 2024 eingeleitet wurde.» Man habe vollumfänglich mit den Behörden zusammen und habe zudem eine eigene, interne Untersuchung eingeleitet.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), erklärte zu den Vorfällen von Easyjet und Aegean Airlines: «Die erste Auswertung der verfügbaren Informationen ergab weder einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen noch ein Element, das das verwendete Anflugverfahren in Frage stellt.»