Hohe Abgaben, politische Versäumnisse und ein drastischer Rückgang des innerdeutschen Verkehrs setzen dem Luftfahrtstandort zu. BDL-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang fordert eine Kurskorrektur – und warnt eindringlich vor weiteren Rückschritten im internationalen Wettbewerb.
Während Europas Luftfahrt nach Corona ein Allzeithoch erlebt, hinkt Deutschland hinterher. Joachim Lang, seit Sommer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL, findet dafür klare Worte: «Der Luftfahrtstandort Deutschland steht da, wo er nicht sein sollte – nämlich ziemlich am Ende der europäischen Kette».
Im Podcast Luftraum kritisiert er die politische Vernachlässigung der Branche. Während Airlines in vielen Ländern von Wachstumszahlen profitieren, schrumpft in Deutschland insbesondere der Punkt-zu-Punkt-Verkehr dramatisch. Ein Grund sei die Abgabenlast: «Ein Abflug aus Deutschland kann mit bis zu 5000 Euro an Steuern und Abgaben belegt sein. In Madrid sind es 700 Euro, in Prag 500. Da muss man kein Mathe-Genie sein, um zu wissen, wo ein Flugzeug besser eingesetzt ist».
Lang setzt Hoffnungen in die neue Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag erkenne man den Ernst der Lage, etwa durch die geplante Abschaffung der nationalen PtL-Quote – einer Regelung, die Airlines verpflichtet, klimaneutralen Treibstoff zu verwenden, der auf dem Markt aber faktisch nicht verfügbar ist. Power-to-Liquid-Kerosin), so Lang, sei noch nicht ausreichend entwickelt. Zwar gebe es biogene Alternativen wie Altöl, doch diese seien teuer und begrenzt. „Klimaneutralität kostet – aber sie muss effizient umgesetzt werden.“
Ein besonders gravierendes Beispiel für die Standortschwäche: Der Inlandsverkehr sei eingebrochen. «Wir liegen derzeit bei nur 54 Prozent des Vorkrisenniveaus – ohne Frankfurt und München sogar nur bei 20 Prozent.» Viele innerdeutsche Verbindungen seien verschwunden, weil die Luftverkehrssteuer auf Hin- und Rückflug doppelt anfalle – für Flüge ins Ausland hingegen nur einmal. Langs Lösungsvorschlag: «Einmal besteuern, nicht doppelt».
Gleichzeitig wehrt sich Lang gegen Vorwürfe, die Luftfahrt sei zu stark subventioniert. «Dass Kerosin nicht besteuert wird, ist ein weltweites Abkommen seit dem Zweiten Weltkrieg. Und mit der Luftverkehrssteuer haben wir sehr wohl eine Belastung – über zwei Milliarden Euro im Jahr». Auch beim Thema Klimaschutz sieht Lang die Branche auf Kurs. Moderne Flugzeuge verbrauchten bis zu 45 Prozent weniger Treibstoff als 1990. «Wir liegen heute bei rund 3,4 Litern pro 100 Kilometer und Passagier. Mit eng bestuhlter Economy-Kabine geht es sogar unter zwei Liter – und wenn der Treibstoff auch noch klimaneutral ist, sind wir nah am Ziel».
Sorgen bereiten ihm jedoch die regulatorischen Ungleichgewichte. Während europäische Airlines strenge CO₂-Vorgaben erfüllen müssen, seien außereuropäische Wettbewerber wie Turkish Airlines oder Emirates davon nur für Teilstrecken betroffen. Sein Vorschlag: «Eine einheitliche europäische Klimaabgabe, endziel- und passagierbezogen, unabhängig vom Start- oder Umsteigeort».
Angesprochen auf Flughäfen wie Frankfurt, die im Vergleich zu internationalen Drehkreuzen wie Istanbul oder Doha zurückfallen, zeigt Lang Verständnis: «Dort sind Flughäfen Statussymbole mit massiver staatlicher Unterstützung. Bei uns wird Infrastruktur betriebswirtschaftlich betrachtet – das ist ehrlicher, aber im Wettbewerb ein Nachteil».
Seine Botschaft an die Bundesregierung ist unmissverständlich: «Deutschland ist zehn Euro pro Passagier zu teuer. Wenn man möchte, dass Airlines hier wieder wachsen, muss man entlasten – bei Steuern, Flugsicherung und Sicherheitskosten. Sonst wird das Angebot weiter schrumpfen, und die Preise steigen».
Am Ende des Gesprächs gibt sich Lang dennoch optimistisch – und persönlich. Auf die Frage nach seinem Lieblingsflugzeug antwortet er: «Je kleiner, desto besser. Am liebsten ein Helikopter – weil man da das Fliegen wirklich spürt».
Das ganze Gespräch mit Joachim lang hören Sie jetzt in unserem Podcast Luftraum.
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