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Jens Ritter, Lufthansa Airlines

«Führen bei Lufthansa Tests durch, Tee und Kaffee wieder gratis auszugeben»

Jens Ritter ist Chef von Lufthansa Airlines. Im Interview spricht er über Maßnahmen für mehr Kundenzufriedenheit, Sparbemühungen und Wet-Lease-Pläne.

Kürzlich hat die Lufthansa Group gesagt, dass Lufthansa Airlines sparen muss. Alle Bereiche, die nicht die Kundschaft betreffen, stünden auf dem Prüfstand. Können Sie Details nennen?
Jens Ritter: Im Wesentlichen fokussieren wir uns auf kurzfristige und mittelfristige Initiativen. Ein Ergebnissicherungsprogramm für 2024, in dem unter anderem neue Projekte verschoben, beziehungsweise nicht genehmigt werden – beispielweise interne Vorhaben wie Renovierungen. Ein Effizienzprogramm, das wir nun intensivieren. Das beinhaltet im Wesentlichen Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen, jedoch auch das Zusammenspiel unserer Lufthansa Airlines Flugbetriebe in Frankfurt und München so effizient wie möglich zu steuern und Synergien zu erschließen.

Was heißt das?
Da geht es um strukturelle Veränderungen. Ab Sommer werden wir in Frankfurt und München fünf Airlines mit eigenen Flugbetrieben haben. Beispielsweise haben wir die technische Betreuung der Flotten von Lufthansa und Discover Airlines zusammengelegt. Und es gibt noch weitere Ideen, wie wir IT vereinheitlichen oder in welchem Betrieb wir stärker in verschiedenen Märkten wachsen wollen.

Wie genau?
Wir prüfen, City Airlines neben München baldmöglichst an unserem Hub Frankfurt einzusetzen. Und wir stellen die Frage: Kann Discover Airlines noch mehr touristisch angelegte Strecken für die Lufthansa Airlines fliegen?

Wenn Sie sagen, dass Sie Einstellungen überdenken und eventuell weniger Leute einstellen als geplant – wie geht das mit dem Personalmangel zusammen?
Wichtig ist mir: Wir sparen nicht am Service für unsere Gäste; nicht bei der Digitalisierung, nicht bei Lounges, nicht beim Catering und vor allem auch nicht bei der Einstellung von operativen Mitarbeitenden.

Wir haben kein Recruiting-Problem beim Cockpitpersonal.

Und Pilotinnen und Piloten – haben Sie genug oder kommen weitere Engpässe?
Wir haben kein Recruiting-Problem beim Cockpitpersonal. Wir bieten sehr attraktive Arbeitsbedingungen, die im Markt großes Interesse wecken.

Aber Sie mussten doch Anfang des Jahres aufgrund von Personalmangels im Cockpit Flüge streichen.
Die Streichungen einiger Boeing 747-Flüge waren auch die Folge des Streiks, da uns kurzfristig aufgrund komplexer Dienstplanungsvorgaben in der Folge Kopiloten fehlten. Nach einigen Tagen hatte sich der Personalstand dann aber wieder normalisiert.

Was haben Sie denn daraus gelernt?
Wir werden nun zusätzlich Pilotinnen und Piloten von der Boeing 787 auf die Boeing 747 zurückschulen, um eine größere Personaldecke zu schaffen. Das wirkt sich auch positiv auf den Lizenzerhalt dieser Pilotinnen und Piloten aus.

Konzernchef Carsten Spohr hat erklärt, dass die Produktivität steigen muss. Wie ist das unter diesen Bedingungen überhaupt möglich?
Die Produktivität ist in der Tat ein wichtiger Faktor und je nach Flottenmuster unterschiedlich. Im Cockpit stehen dieses Jahr viele Umschulungen an, die sich auch auf die Produktivität auswirken werden. In Bezug auf unser Fluggerät konnten wir durch Netzoptimierungen unsere Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit deutlich steigern. Wir erwarten, dass das auch im Sommer der Fall sein wird.

Warum so optimistisch?
Weil wir unsere Hausaufgaben gemacht, viele hunderte zusätzliche operative Mitarbeitende eingestellt und in punkto Digitalisierung einen großen Schritt nach vorne gemacht haben.

Airbus produziert im Augenblick sehr zuverlässig

Sie brauchen für einen stabilen Betrieb aber auch Flieger. Können Sie überhaupt zuverlässig planen, bei all den Verzögerungen?
Airbus produziert im Augenblick sehr zuverlässig. Wir rechnen fest damit, 2024 im Schnitt jeden Monat ein Flugzeug zu erhalten und noch dieses Jahr erstmals einen Airbus A350 mit der neuen Allegris-First-Class. Im nächsten Jahr sind es dann im Schnitt zwei Allegris-Flugzeuge im Monat, auch weil wir die bestehende Flotte beginnen umzurüsten.

Und was passiert mit den älteren Langstreckenfliegern?
Die Airbus A330 werden sukzessive zur Discover Airlines gehen. Bis Ende 2027 werden uns zudem alle Airbus A340-300, A340-600 und Boeing 747-400 verlassen. Das wirkt sich alles positiv auf die Produktivität aus.

Was die Kundenzufriedenheit angeht, besteht bei Lufthansa Verbesserungspotenzial. Die neue Langstreckenkabine Allegris soll helfen, aber kommt erst nach und nach zur Flotte. Wo setzen Sie noch an?
Allegris ist für uns ein großer Meilenstein und Teil unserer Premium-Strategie. Dabei geht es für uns um mehr als nur die neuen Sitze in allen Klassen auf den Langstreckenflugzeugen. Wir werden beispielsweise die Lounges weiterentwickeln und zudem noch mehr in das das digitale Reiseerlebnis investieren. In der Business Class auf Langstreckenflügen haben wir auch das kulinarische Angebot ergänzt.


Neuer Sitz in der Allegris-Business-Class: Soll für mehr Zufriedenheit bei den Kundinnen und Kunden sorgen. (Bild: aeroTELEGRPAPH)

Da geht es jetzt um die Langstrecke. Viel Frust entsteht aber auch auf den Europastrecken.
Auch auf unseren Kurz- und Mittelstrecken verbessern wir unser Serviceangebot fortlaufend und rüsten Teile unserer Flotte mit neuen Kabinenelementen wie größeren Gepäckfächern und Steckdose aus. Außerdem führen wir Testläufe durch, um zum Beispiel Tee und Kaffee wieder gratis auszugeben.

Aber das heißt: Sie sind mit dem Angebot in der Economy in Europa gerade nicht zufrieden?
Wir bieten bereits ein sehr gutes Produkt, streben aber grundsätzlich im Sinne unserer Fluggäste nach Optimierungen.

In Punkto aufgegebenes Gepäck arbeiten wir mit Erfolg eng mit den Flughäfen zusammen.

Soll es kein Bezahlessen mehr geben?
Unser Angebot wird von unseren Fluggästen hervorragend angenommen, ist sehr beliebt und wird weiter Bestandteil unseres Portfolios sein.

Viel Frust entsteht bei den Reisenden auch in Sachen Gepäck. Weil das Gepäck kostet, nehmen sie Handgepäck mit – und hören dann, dass sie das so nicht in die Kabine nehmen können.
Bei Lufthansa haben wir im Branchenvergleich großzügige Handgepäcksregeln, die von unseren Reisenden gut angenommen werden. In Punkto aufgegebenes Gepäck arbeiten wir mit Erfolg eng mit den Flughäfen zusammen. Die Abfertigungszeiten haben sich genauso deutlich reduziert wie die Rate des Rush Gepäcks [Gepäckstücke, die nicht rechtzeitig oder in die falsche Maschine verladen wurden und dann mit einem späteren Flieger zum Zielort gebracht werden, Anmerkung der Redaktion].

Das sind jetzt ganz viele Maßnahmen, die die Kundenzufriedenheit verbessern sollen. Wann schlägt sich das alles im so genannten Net Promoter Score wieder, der die Kundenzufriedenheit misst?
Der Net Promoter Score ist sehr beeinflusst von persönlichen Erlebnissen und natürlich von der Stimmungslage. Er steigt, wenn auch nicht exponentiell. Insgesamt ist er jedoch noch deutlich zu niedrig. Mit einer breiten Allegris-Flotte, der Umrüstung der Kurzstreckenflotte und einer zunehmenden Stabilität des Flugbetriebs werden wir ihn nachhaltig steigern. Wir sind froh, dass unsere Produktanpassungen von unseren Kunden sehr positiv bewertet werden.

Aber bis die Flotte auf der Langstrecke komplett mit der neuen Allegris-Kabine ausgestattet ist, dürfte doch noch etwas Zeit vergehen – die Dreamliner verspäten sich ja.
Wir erwarten die erste Boeing 787 mit der Allegris-Kabine noch dieses Jahr in unserer Flotte und dann ab 2025 im Liniendienst.

Gibt es nicht auch bei der First Class der Airbus A350 ein Zertifizierungsproblem?
Wir statten die ersten Allegris A350 mit der neuen Business, Premium Economy und Economy Class aus. Später ausgelieferte A350 erhalten dann zusätzlich die neue First Class. Diese rüsten wir auch auf den ersten Flugzeugen nach. Grund ist in der Tat der etwas längere Zertifizierungsprozess nach luftfahrtrechtlichen Bestimmungen der Easa und FAA.

Ich habe gleich mehrere Lieblingssitze.

Bei Allegris gibt es viele verschiedene Sitzoptionen, die bald auch buchbar sein werden und teils extra kosten. Meinen Sie nicht, dass das die Kundinnen und Kunden verwirrt – oder frustriert? Gerade, wenn sie ohnehin schon einen teuren Business-Class-Sitz gebucht haben…
Ich bin mir ganz sicher, dass die Vorteile des individuellen Angebots klar überwiegen und einen echten Premium-Mehrwert bieten. Es ist eigentlich ganz einfach. Unsere Gäste buchen einen Business-Class-Sitz und wer darüber hinaus einen ganz speziellen Sitz haben möchte, zum Beispiel mit mehr Privatsphäre, einem extra langen Bett oder viel Platz zum Arbeiten, kann das ergänzend dazu buchen.

Ab wann werden die Optionen buchbar?
Für den Winterflugplan werden Allegris-Flüge ganz gezielt buchbar und spezielle Sitze optional über alle Kanäle gegen Aufpreis reservierbar sein. Der Buchungsstart ist für Sommer geplant. Dann werden auch weitere Details zu Preisen und Vorteilen für Statuskunden veröffentlicht.

Welcher Sitz ist denn Ihr persönlicher Lieblingssitz?
Ich habe gleich mehrere Lieblingssitze – auch je nach Reiseanlass, ob mit der Familie oder auf Dienstreise –, muss diese aber noch auf langen Strecken persönlich ausprobieren. Mein Geheimtipp ist auch die neue Premium Economy Class, die noch einmal stark aufgewertet wurde.

Die neue Kabine hat sich aufgrund verschiedener Probleme erheblich verspätet. Müssen Sie nicht eigentlich schon an der nächsten Generation von Sitzen arbeiten?
Wir freuen uns erst einmal sehr, Allegris in unserer Flotte begrüßen zu können. Grundsätzlich planen wir bei den Sitzen mit Zyklen zwischen sieben und zehn Jahren. 2012 haben wir die aktuelle Business Class eingeführt. 2014 waren alle unsere Flugzeuge mit dem Produkt ausgerüstet, bis Ende 2028 wird Allegris in über 90 Prozent unserer Langstreckenflugzeuge an Bord sein. Drei Jahre müssen wir wegen der Pandemie abziehen, dann sind wir bei der üblichen Nutzungszeit. Wir werden rechtzeitig mit den Planungen für ein Folgeprodukt beginnen.

Wir prüfen gerade, wer als Wet- Lease-Partner bis zu 20 Flugzeuge unter 100 Sitzen für uns fliegen könnte.

Eigentlich hätte Allegris in der 777X eingebaut werden sollen. Doch der Flieger ist immer noch nicht da, obwohl früher von einer Auslieferung 2020 die Rede war. Bleibt es jetzt bei einer Auslieferung im Sommer 2025?
Wir sind im regelmäßigen Austausch mit Boeing. Solange der Zertifizierungsprozess nicht abgeschlossen ist, habe ich meine Zweifel am bisherigen Liefertermin 2025.

Lieferschwierigkeiten und Probleme mit Triebwerken zwangen viele Airlines dazu, verstärkt auf Wet-Lease zu setzen. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Auch in Bezug auf Wet-Leases schauen wir uns an, wo der Einsatz wirtschaftlich und im Sinne unserer Fluggäste sinnvoll sein kann – beispielsweise um die stärkere Saisonalität unseres Geschäfts seit der Pandemie besser abbilden zu können.

Also wird es mehr Wet-Lease bei Ihnen geben? Auf welchen Strecken?
Wir brauchen einen Ersatz für die CRJ bei Cityline. Wir prüfen gerade, wer als Wet- Lease-Partner bis zu 20 Flugzeuge unter 100 Sitzen für uns fliegen könnte.

Und mit wem sprechen Sie da?
Im Fokus steht die Qualität, die Verfahren und die Unternehmenskultur. Denn es soll ein längerer Einsatz werden über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.