Letzte Aktualisierung: um 13:15 Uhr

Interview mit Kommerzchef Juha Järvinen

«Finnair braucht weitere Langstreckenflugzeuge»

Wo Finnair in Deutschland, Österreich und der Schweiz wachsen will, wie sich die Flotte entwickeln soll und wie die Fluglinie auf die Pleite von Air Berlin reagiert, erklärt Kommerzchef Juha Järvinen im Interview.

Lappland erlebt einen Tourismusboom. Finnair führte erst dieses Jahr Nonstop-Flüge ab Frankfurt, London, Paris und Zürich ein – wurde da etwas verschlafen, immerhin hätten Sie Heimvorteil?
Juha Järvinen*: Wir flogen schon immer nach Lappland, früher einfach nur via Helsinki. In den letzten Jahren hat sich die Region touristisch stark entwickelt. Auch das Hotelangebot wurde breiter diversifiziert, von günstig bis Luxus bekommen sie jetzt alles. Das hat gewirkt. Hinzu kommt die Wirkung von Bildern via Social Media. Dadurch erlebt Lappland aktuell einen regelrechten Tourismusboom. Darauf haben auch wir reagiert. Wir sehen trotzdem noch mehr Potenzial, gerade auch in Bezug auf Gäste aus Deutschland und aus der Schweiz.

Es ist aber eine reine Winterdestination…
Nein. Ein nächster Schritt von uns wird gerade sein, den Sommertourismus in Lappland zu fördern. Mann kann dort wandern, Rad fahren, die Natur genießen, die Mitternachtssonne bestaunen… es gibt ein riesiges Angebot.

Finnair hat im Winterflugplan das Angebot allgemein um rund 100 Flüge aufgestockt. Wie sieht es danach aus, wo sehen Sie noch Expansionschancen?
Gerade in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehen wir Potenzial, etwa bei Innsbruck und Salzburg, wo wir momentan nur saisonal fliegen, die als Alpendestinationen aber gerade für Asiaten spannend sind.  Auch Basel ist interessant. Kommenden Sommer fliegen wir neu nach Stuttgart, daneben schauen wir uns Hannover und Köln an. Entschieden ist aber noch nichts.

Wir schauen uns Hannover und Köln an.

Sie positionieren Helsinki seit Jahren als idealen Umsteigeort nach Asien, weil der schnellste Weg dorthin via Finnland führt. Kürzlich hat sich Finnair weitere Rechte für Überflüge über Sibirien gesichert. Wofür werden Sie die verwenden?
Unser größter Markt in Asien ist Japan. Aber China hat das größte Potenzial. Wir möchten dort weiter wachsen. Ein Problem sind aber die Flughäfen, die an der Kapazitätsgrenze arbeiten. Nach Shanghai könnten wir beispielsweise zwei Mal täglich fliegen. Die Nachfrage wäre da. Aber noch ist es wegen den Beschränkungen in Shanghai nicht möglich. Daneben erachten wir Indonesien und Malaysia als vielversprechende Märkte.

Sie beklagen sich über eine vorhandene Nachfrage, die wegen verstopften Flughäfen nicht gedeckt werden kann. Momentan bekämen Sie sicher günstig Airbus A380 für solche Strecken…
Der A380 ist dann doch etwas zu groß für uns. Zudem hat er einen großen Nachteil. Seine Frachtkapazität ist zu gering. Der Airbus A350 kann fast ein doppelt so großes Volumen aufnehmen. Und Fracht ist für uns gerade auf den Strecken nach China sehr wichtig. Es sind stabile Einnahmen.

Sie könnten die Kapazitäten auch erhöhen, indem Sie bei den acht bestellten, aber noch nicht ausgelieferten Airbus A350 von der kleineren Variante -900 auf die größere -1000 wechseln würden. Ist das ein Thema?
Wir haben diese Option geprüft. Wir haben uns aber entschieden, dass wir beim A350-900 bleiben. Wir haben zwei unterschiedlich konfigurierte Versionen im Einsatz, eine mit 297 und eine mit 336 Plätzen. Das ist ideal für unsere Bedürfnisse. Wir haben damit genug Alternativen.

Aber Finnair will weiter wachsen. Reichen dafür die insgesamt 19 bestellten A350 aus?
Unsere Orders reichen bis 2023. Bis dahin sind wir bestens versorgt.

Und was ist mit der Zeit danach?
Wenn wir unseren Plan umsetzten können, brauchen wir weitere Langstreckenflugzeuge. Wir schauen immer, was sich am Markt gerade tut.

Wir sind sehr zufrieden mit dem Airbus A350.

Das klingt jetzt durchaus nach einem gewissen Interesse an weiteren Langstreckenfliegern…
Wir sind immer offen gegenüber guten Chancen.

Sind Sie denn zufrieden mit dem Airbus A350?
Sehr! Die Zuverlässigkeit ist sehr gut. Und das Feedback der Kunden ist sehr positiv – sowohl was die Luft als auch den Geräuschpegel in der Kabine sowie die großen Fenster angeht.

Und wie sieht es auf der Kurz- und Mittelstrecke aus?
Wir haben acht zusätzliche Airbus A321 bestellt, sechs davon werden wir bis Ende des Jahres ausgeliefert. Irgendwann steht die Erneuerung der gesamten Europa-Flotte an. Dabei werden wir mit allen Herstellern sprechen.

Auf der Langstrecke – auch nach Asien – bekommen sie neue Konkurrenz, vor allem durch Norwegian. Spürt Finnair das?
Natürlich. Norwegian hat ja eine Basis in Helsinki. Wir glauben aber, dass wir dank unseres großen Netzes noch immer Vorteile haben.

Wie wichtig sind Allianzen noch? ist Finnair noch zufrieden mit Oneworld?
Wir sind überzeugt, dass Allianzen nach wie vor wichtig sind. Sie ermöglichen es, Passagieren ein nahtloseres Reisen zu ermöglichen. Sie sind eine Art Basis, auf die man aufbauen kann. Der nächste Schritt sind engere Kooperationen, wie wir sie etwa auf dem Nordatlantik mit American Airlines und British Airways haben. Daneben wird es mehr Zusammenarbeit über Bündnis-Grenzen hinweg geben. Trotzdem bleibt Oneworld für uns wichtig.

In Deutschland hat Oneworld mit Air Berlin aber gerade ein Mitglied verloren.
Wir bauen deshalb unser Angebot in Deutschland aus. Zudem versuchen wir so viele Mitglieder des Air-Berlin-Vielfliegerprogramms Topbonus wie möglich zu uns zu holen. Wir erzielen da gute Erfolge.

Sie werden 2017 mehr als 12 Millionen Passagiere befördern. Was ist ihr Ziel für 2030?
Wir möchten dann 20 Millionen erreichen. Bis dahin gibt es also noch einiges zu tun.

* Juha Järvinen (41) arbeitet seit Jahren in der Luftfahrtbranche. Er schloss das Studium mit einem MBA ab und begann seine Karriere bei SAS, 2012 wechselte er zu Finnair. Zuerst leitet er das Frachtgeschäft, seit November 2014 ist er Chief Commercial Officer.