Letzte Aktualisierung: um 13:29 Uhr

Interview mit Mike Sinnett von Boeing

Fliegen ohne Pilot: «Bin noch nicht so weit»

Boeing will testen, ob künstliche Intelligenz ein Flugzeug steuern kann. Entwicklungschef Mike Sinnett würde sich heute allerdings noch nicht an Bord wagen, verrät er im Interview.

Als Antwort auf einen drohenden Pilotenmangel will Boeing herausfinden, ob lernende Maschinen Piloten ersetzen können. Entwicklungschef Mike Sinnet erläuterte den Plan vor Fachbesuchern auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget. Danach stellte er sich den Fragen von aeroTELEGRAPH.

Hätten Sie Angst davor, mit einem Flugzeug ohne Pilot zu fliegen?
Mike Sinnett*: (lacht) Wenn ich im Flugzeug wäre, wäre es kein Flugzeug ohne Pilot.

Punkt für Sie. Und wenn Sie nur Passagier wären und nicht der Pilot, hätten sie dann Angst?
Heute ja. Ich bin ein traditioneller Typ. Es hängt auch davon ab, was für Flugzeugtyp es wäre. Aber generell bin ich noch nicht soweit. Denn ich habe noch nicht die Möglichkeiten gesehen, das auf dem gleichen Sicherheitsniveau zu machen, das wir heute haben. Das bedeutet nicht, dass es nicht eines Tages so sein kann. Aber mit dem, was ich heute weiß, bin ich im Moment noch nicht bereit.

Wie viel Zeit braucht Boeing noch?
Ich kann noch nicht einmal anfangen, das vorherzusagen. Ich kann mir vorstellen, dass es in weniger als fünf Jahren passiert. Für den kommerziellen Betrieb wird es wohl länger dauern. Aber für private, kleinere Luftfahrzeuge könnte es früher so weit sein.

Was werden Sie in fünf Jahren Leuten sagen, die Angst davor haben?
Wenn wir dahin kommen, heißt das, dass wir uns selber überzeugt haben. Das würde bedeuten, dass wir das gleiche Sicherheitsniveau haben wie heute. Sonst würden wir es nicht machen. Und um zu zeigen, wie sicher es ist, würde ich die Daten nutzen, die wir brauchen, um so etwas zu zertifizieren.

Werden kleine Frachtflugzeuge der erste Schritt sein?
Das könnte sehr gut sein. Wenn es da ein Problem gibt, ist es aus gesellschaftlicher Sicht einfacher zu akzeptieren, wenn es ein rein wirtschaftliches Problem ist und keines, bei dem Leben auf dem Spiel stehen. Das heißt aber auch, dass man sicherstellen muss, dass man niemanden am Boden verletzt. Darüber denken wir auch im kommerziellen Transport nach.

Wie können Sie in einem automatisierten System garantieren, dass es zu hundert Prozent sicher ist, etwa gegen Cyberattacken?
Der einzige Weg ist der, den wir bisher nutzen und auf dem wir weitergehen wollen: keinen Kontrollpfad zum Boden zu haben. Es gibt keine kommerziellen Boeing-Flugzeuge, die einen Kontrollpfad vom Boden zum Flugzeug erlauben. Der einzige Weg, wie ein Flugzeug kontrolliert wird, ist von den Piloten an Bord. Sie reagieren auf die Flugverkehrskontrolle und auf die Sensoren des Flugzeugs, aber es gibt keinen Weg für einen Hacker am Boden, in den Kontrollbereich eines Boeing-Flugzeugs einzudringen. Wenn wir jemals einen solche Kontrollpfad schaffen sollten, hieße das, das wir genau so sicher sein müssten, dass er nicht missbraucht werden kann. Und an diesem Punkt sind wir noch nicht.

Und ein Hacker an Board?
Er könnte sich vielleicht Zugang zum Inflight-Entertainment verschaffen. Aber es gibt keinen Kontrollpfad vom Inflight-Entertainment zum Kontrollbereich. Es ist schlicht nicht möglich.

Aber es gibt Verbindungen nach draußen – etwa um Wetterdaten zu empfangen oder zum Tower.
Es gibt Pfade zum Flugzeug, aber nicht zum Kontrollbereich. Es könnte einen Pfad geben, um Daten auf einem unkritischen Bildschirm anzuzeigen. Es gibt auch Pfade, um Daten-Link-Nachrichten zum Piloten zu schicken, aber der muss die Nachricht akzeptieren und dann verifizieren, dass sie korrekt ist, um dann Änderungen vorzunehmen.

Aber vielleicht sitzt da in Zukunft gar kein Pilot mehr, der dies tun könnte.
Der einzige Weg, wie wir uns in dieser Umgebung weiter voran bewegen würden, ist der, eine Technologie zu haben, in die wir genau so vertrauen, dass es keinen Pfad gäbe.

Wie viele Leute arbeiten für Boeing im Bereich Cyber-Security?
Solche Informationen geben wir nicht heraus.

Und wird sich die Zahl in zum Beispiel den kommenden zehn Jahren etwa verdoppeln?
Wir sprechen nicht darüber.



* Mike Sinnett ist Entwicklungschef von Boeing. Zuvor hat der Amerikaner die Entwicklung des 787-Programms geleitet und diverse andere Positionen beim Flugzeugbauer innegehabt. Er ist studierter Luftfahrt-Ingenieur.