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«Es braucht keine Nationalairline»

[image1]Martin Isler, Vizepräsident der Luxair Group, erklärt im Interview, wie es mit der maroden Staatsairline weitergeht. Und warum Luxemburg sie doch braucht.

Luxair präsentierte eben einen massiven Betriebsverlust von 19,4 Millionen Euro. Was läuft schief?
Martin Isler: Wir operieren in einem Umfeld. Ursprünglich war Luxair eine Nischenairline, die Luxemburg mit wichtigen europäischen Städten verbindet. Aber die Nischen verschwinden langsam. Der Druck durch direkte oder indirekte Konkurrenz steigt. Direkt spüren wir etwa den Wettbewerb durch Lufthansa, indirekt etwa auf Strecken wie der von Swiss nach Nizza. Der Preisdruck geht daher auch an uns nicht vorbei. Die Erträge pro Passagier sinken, die Kosten steigen.

Auch andere Airlines haben mit diesen Umständen zu kämpfen, halten sich aber in den schwarzen Zahlen. Wieso schafft Luxair das nicht?
Wir liegen im Ertrag pro Sitzkilometer zwar immer noch deutlich höher als vergleichbare regionale Airlines wie Cityjet, Swiss European oder Hop. Doch bei den Kosten haben wir einen Nachteil, die sind nämlich um 34 Prozent höher als der europäische Durchschnitt der Regional-Airlines. Wir zogen die Reißleine und haben nun ein Restrukturierungsprogramm geplant. 25 Millionen Euro wollen wir einsparen.

Und wie genau soll das geschehen?
Das dringendste Problem sind bei uns die Personalkosten. Luxemburg hat ein ähnlich hohes Lohnniveau wie die Schweiz, dazu aber ein sehr starres Arbeitsgesetz mit sehr strengen Kollektivverträgen. Dennoch müssen wir bei den Kosten runter. Von den 25 Millionen sollen 19 über die Personalkosten laufen.

Also kommt es zu Kündigungen?
Eher nein. Wir versuchen den Personalbestand über die Fluktuation und Frühpensionierungen zu senken. Dazu kommen Maßnahmen im Bereich der Löhne und der automatischen Lohnsteigerungen und über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Bei Luxair ist der Staat als Aktionär mit mehr als 60 Prozent beteiligt. Der hat auch kein Interesse daran, dass Arbeitsplätze verloren gehen.

Und wie sehen die Flexibilisierungsmaßnahmen aus?
Wir haben momentan zum Beispiel sehr starre Arbeitspläne. Ausgerechnet in der Hochsaison im Sommer muss man 20 Prozent des Personals in die Ferien schicken. Dort arbeiten wir momentan mit Zeitarbeitern. Diese Kosten könnte man mit einer Flexibilisierung einsparen.

Anpassungen an der Flotte sind nicht geplant?
Nicht jetzt zumindest. Wir planen eine langfristige Flottenerneuerung. Unsere Embraer 145 müssen wir ersetzen. Das liegt am Alter aber auch an der unwirtschaftlichen Größe der Flugzeuge. Die Embraer hat 49 Sitze. Die Einheitskosten sind daher nicht mehr konkurrenzfähig. Im europäischen Regionalverkehr tendiert die Sitzzahl der eingesetzten Flugzeuge gegen 100, damit die Airlines konkurrenzfähig bleiben können. Wir müssen vorerst einmal über die Anzahl der angebotenen Sitze pro Flugzeug wachsen, und erst in zweiter Linie über die Flottengröße. Eigentlich hätten wir gern jetzt schon mit der Erneuerung als Teil der Restrukturierung begonnen. Doch das Geld dafür müssen wir erstmal generieren.

Welche Flieger haben sie für eine Erneuerung besonders ins Auge gefasst?
Auf dem Regionalflieger-Markt tut sich gerade viel. Embraer, Mitsubishi, Bombardier – alle arbeiten an effizienteren Fliegern. Doch noch gibt es die Flugzeuge nur auf dem Papier. Wenn man danach geht, ist der Mitsubishi Regional Jet sehr interessant. Die Pläne von Embraer, kennen wir noch nicht genau. Die Bombardier-C-Series-Jets sind interessant, aber wegen ihrer Größe für uns nur in Verbindung mit dem Einsatz im Charter-Verkehr mit unserem Tour-Operator möglich.

Und mit diesen Maßnahmen werden sie es schaffen, gegen die immer weiter wachsende Konkurrenz zu bestehen? Zuletzt kamen gerade noch Easyjet und Vueling nach Luxemburg.
Die Konkurrenz durch Billiganbieter ist für uns nicht neu. Luxemburg liegt nur eine Fahrstunde von Frankfurt Hahn entfernt, wo Ryanair sitzt. Wir hatten einfach noch keinen Anbieter an unserem eigenen Airport. Als wir davon erfuhren, haben wir schnell reagiert. Im Fall von Easyjet, die uns auf einer unser Star-Strecken, der nach London angriff, haben wir die Zahl von vier auf fünf wöchentliche Flüge aufgestockt. Auch auf der Strecke nach Malpensa haben wir die Frequenzen erhöht.

Und zeigen die Maßnahmen Wirkung?
Nach London City haben wir inzwischen im Vergleich zum letzten Jahr pro Monat 30 bis 40 Prozent mehr Passagiere, dasselbe gilt für Malpensa. Easyjet stahl nicht einfach Kunden. Reisende, die vorher mit Ryanair von Hahn aus flogen, tauchen nun hier auf. Im Grunde schufen sie also auch für uns einen Markt. Das Problem ist einfach: Damit erhöhen wir den Umsatz kaum, weil wir auch die Preise entsprechend senkten. Wir brauchen also die zusätzlichen Passagiere, weil durch den erhöhten Preisdruck, die durchschnittlichen Preise pro Passagier laufend sinken.

[image2]Manchmal heißt es: Wenn man den Feind nicht bekämpfen kann, muss man sich mit ihm verbünden. Luxair ist noch in keiner Allianz. Unternehmen Sie da etwas dagegen?
Nein. Wir sehen in einer Allianz keinen zusätzlichen Mehrwert, Zusatzkosten aber schon. Wir fahren eine ziemlich opportunistische Strategie und unterhalten gut funktionierende Partnerschaften. Etwa mit Lufthansa, deren Frequent Flyer Programm wir auch nutzen und die zu 13 Prozent bei uns Aktionär ist. Im Codeshare fliegen wir nach Frankfurt und München. Mit Air France haben wir dasselbe mit Paris Charles De Gaulle, mit Alitalia nach Rom, mit Austrian nach Wien. Damit erzielen wir schon den für uns möglichen Mehrwert einer Allianz. Der Eintritt in eine Allianz würde uns nur zusätzlich Geld kosten. Und wenn wir beispielsweise in die Star Alliance eintreten würden, dann würden wir die übrigen Partnerschaften wie etwa mit der Air France gefährden.

Haben Sie sich denn schon überlegt, sich einer großen Konkurrentin anzuhängen?
Die Möglichkeit haben wir auch untersucht. Aber das Problem ist, dass es keinen Markt gibt für kleine Airlines wie unsere. Wenn eine Airline eine andere kauft, dann weil die andere entweder sehr profitabel ist oder einen großen, wichtigen Markt bedient. Bei uns ist das nicht der Fall. Luxemburg hat rund 500‘000 Einwohner, und die Grenzgebiete in Deutschland, Frankreich und Belgien sind auch nicht die bevölkerungsreichsten. Wir bedienen vielleicht um die zwei Millionen Leute.

Braucht es bei diesem kleinen Markt denn dann überhaupt einen eigenen Anbieter?
Im Grunde braucht man hier keine nationale Airline. Wenn wir verschwinden würden, dann würden Lufthansa, Air France und Co. sofort einspringen. Aber als Staatsairline haben wir auch sowas wie einen gesellschaftlichen Auftrag: Wir müssen Luxemburg optimal mit anderen Märkten verbinden. Wären wir weg, wäre das eventuell nicht der Fall. Dann würden viele Flüge einfach über Hubs wie Frankfurt verbunden. Und auch die Flugpläne und Frequenzen wären nicht mehr optimal den Marktbedürfnissen angepasst. Eine Verbindung etwa nach Hamburg um 6:45 wäre dann eher unwahrscheinlich. Denn Lufthansa würde wohl kaum ein Flugzeug hier stationieren. Das müsste erst aus Frankfurt kommen.