Letzte Aktualisierung: um 19:25 Uhr

Luftwaffen-Einsätze

Warum man Passagierjets abfängt

Immer wieder passiert es, dass Passagierflieger von Kampfjets begleitet werden. Warum? Und würden sie im Notfall einen Passagierjet abschießen?

Es geschah Ende November. Ein Airbus A320 von Alitalia wurde damals auf dem Flug von Amsterdam nach Rom von deutschen Kampfjets abgefangen. Grund dafür war, dass die Kommunikation zwischen dem Cockpit und der Leitstelle abgebrochen war. Daher stiegen zwei die Maschinen der Abfangrotte der deutschen Luftwaffe auf, um visuell Kontakt mit den Alitalia-Piloten aufzunehmen. Ganz ähnlich geht es am Himmel öfters zu.

Tatsächlich hat sich durch den 11. September 2001 ein völlig neues Bedrohungsszenario eröffnet: Terroristen könnten Passagiermaschinen entführen und als Waffe nutzen. Entsprechend sensibel reagieren die zuständigen Behörden, wenn der Kontakt mit Flugzeugen abbricht. In Deutschland hält die Luftwaffe zwei Alarmrotten Abfangjäger im Norden und Süden rund um die Uhr in Bereitschaft, die verdächtige Maschinen abfangen sollen.

Flugzeugentführung oder technischer Defekt?

Ausgelöst werden solche Einsätze durch Flugzeugentführungen, Bombendrohungen, das Ausschalten oder Manipulationen des Transponders an Bord oder auch einen Abbruch des Funkkontakts. Der letzte Grund kommt übrigens häufig vor, wie ein Sprecher der Luftwaffe gegenüber aeroTELEGRAPH erklärt. In diesem Fall wird zunächst versucht über Funksprüche mit leistungsstarken militärischen Funkanlagen Kontakt mit der Maschine aufzunehmen – was meist klappt.

Erst wenn diese Versuche erfolglos bleiben, steigen die Abfangjäger auf und versuchen visuell Kontakt mit den Piloten aufzunehmen. Häufig sind sich die Piloten der Passagiermaschinen der kritischen Situation nicht bewusst, die sie verursacht haben. Sie nehmen dann umgehend den Funkkontakt mit der Flugsicherung wieder auf oder signalisieren, dass ein technischer Defekt vorliegt.

Im Extremfall kann die Maschine abgeschossen werden

Liegt allerdings tatsächlich eine Entführung vor, entscheiden der Bundesverteidigungsminister und gegebenenfalls weitere Kabinettsmitglieder über das weitere Vorgehen. Maßnahmen können beispielsweise das Abdrängen der Maschine vom Flugweg oder der Zwang zur Landung auf einem Flughafen sein.

In extremer Notsituation, wenn sich klar herausstellt, dass die Maschine zu einem terroristischen Anschlag missbraucht werden soll, kann das Flugzeug auch abgeschossen werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn keine Passagiere an Bord sind, wie das deutsche Bundesverfassungsgericht 2006 festhielt. Die Reisenden «können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht», schreiben die Richter.

Jedes Jahr und 100 Mal

Im deutschen Luftraum gab es bislang aber keine wirklich ernst zu nehmende Vorfälle. Jedes Jahr muss die Abfangrotte etwa 100 Mal aufsteigen. Abgeschossen wurde noch keine Passagiermaschine.