Letzte Aktualisierung: um 22:16 Uhr

Interview mit Björn Kjos

«Wir sehen uns Frankfurt für Langstrecken an»

Norwegian-Gründer und Chef Bjørn Kjos erzählt im Interview, welche deutschen und schweizerischen Flughäfen für seine Airline interessant sind. Und er erklärt, warum viele Billiganbieter auf der Langstrecke scheitern.

Sie waren früher Kampfjetpilot. Was ist schwieriger – einen Militärjet zu fliegen oder eine Airline durch die heutigen Zeiten zu steuern?
Bjørn Kjos*: Oh, das sind zwei wirklich sehr unterschiedliche Aufgaben. Im Kampfjet bist Du alleine. Jede Entscheidung liegt bei Dir. Hier bei Norwegian ist es eine Verantwortung von 8000 Leuten. Also insgesamt einfach sehr anders.

Vermissen Sie das Fliegen manchmal?
Seit dem Moment, in dem ich aufgehört habe.

Ganz ehrlich, was mögen Sie lieber: Zivilflugzeug oder Militärjet?
Für mich ist ein Militärflugzeug natürlich zum Fliegen spannender. Man kann interessantere Manöver fliegen. Dazu sind Zivilflugzeuge zwar zum Teil auch in der Lage, aber den Passagieren zuliebe sollte man das wohl eher lassen…

Sie sind seit 2002 Chef von Norwegian. Schon damals waren die Zeiten turbulent. Heute scheint mit Brexit, Trump, Geopolitik alles noch viel verrückter. Waren Sie darauf vorbereitet?
Ich glaube, das Brexit-Votum hat eigentlich niemand erwartet. Und jeder dachte, Hillary gewinnt.

Beeinflusst das Ihre Planung?
Nein, eigentlich nicht. Ich meine, die Amerikaner haben Trump nun gewählt und müssen damit leben. Da ist es egal ob Sie oder ich ihn mögen oder nicht

Sie sind Manager. Aber: Wie viel von ihrer Arbeit ist eigentlich politisch?
Ganz klar müssen wir sehr viel politische Arbeit leisten. Sonst kriegen wir nie die Verkehrsrechte, die wir haben wollen. Egal, ob man es mag oder nicht, Politik gehört dazu.

Also mögen Sie es oder nicht?
Es ist Teil des Jobs.

Ist es mehr geworden?
Definitiv, vor allem seit wir mit dem Boeing 787 Dreamliner Interkontinental fliegen. Davor waren wir nur in Europa aktiv. Aber mit den USA war alles anders. Da gab es so viel Gegenwind, weil Fluggesellschaften, die Verluste machen, sich halt gerne vor Wettbewerb schützen.

Wir machen doch genau, was Trump will!

Es hat eine Weile gedauert, bis Sie da die Lizenz bekamen…
Viel zu lange!

Jetzt haben Sie die Erlaubnis. Haben Sie Angst, dass sich das ändert, nun wo mit Trump kein liberaler Präsident mehr an der Macht ist?
Nein, ich glaube nicht. Schauen Sie: Wir machen doch genau, was Trump will! Wir fliegen mit Boeing-Flugzeugen und haben durch eine Basis vor Ort auch Jobs in den USA geschaffen. Und vergessen Sie nicht: Die Airlines waren zwar gegen uns. Aber die Tourismusbranche nicht. Denn: Wir bringen Touristen ins Land. Und damit Jobs am Boden. Klar kann es sein, dass durch unseren Wettbewerb ein Job in der Luft verloren geht. Aber dafür entstehen Dutzende am Boden. Aber das ist den betroffenen Konkurrenten natürlich egal.

Nun, da rechtlich alles geklärt ist, wollen Sie mit der Boeing 737 Max ab Juli von Irland und Nordirland aus in die USA. Läuft da alles nach Plan?
Definitiv.

Nachdem Sie verkündet hatten, Erstbetreiber zu sein, erklärte nun Malindo Air in Südostasien, sie würde den neuen Jet als erste fliegen…
Davon habe ich ehrlich gesagt nichts mitbekommen. Und es ist auch nicht wirklich relevant, ob wir da nun die Nummer eins sind, solange wir unsere eigenen Pläne einhalten und Tickets verkaufen.

Sie haben nicht nur die Boeing 737 Max für Transatlantikstrecken geplant, sondern hegen ähnliche Pläne mit dem Airbus A321 Neo. Warum kauften Sie beide Flieger?
Der A321 Neo kann weiter fliegen. Aus dem Vereinigten Königreich müssen wir mit der Max aus dem Norden oder eben aus Irland fliegen. Und wir kommen nur an die Ostküste. Der A321 Neo eröffnet neue Städtepaare.

Zum Beispiel?
Man könnte von London aus an Ziele wie Pittsburgh fliegen.

Dennoch: Ein Flugzeug von einem anderen Hersteller erhöht die Kosten. Andere Billigairlines setzen ja nicht umsonst auf Einheitsflotten.
Klar, wenn Boeing ein ähnliches Flugzeug mit ähnlichen Fähigkeiten hätte, hätten wir es uns natürlich angesehen. Der A321 Neo LR ist halt ein bisschen wie die Boeing 757.

Also hat Boeing die Chance verpasst, die 757 Neo zu bauen?
Das ist so.

Jetzt sind sie ja aber dabei, das nachzuholen.
Ja, aber es ist eine Frage der Verfügbarkeit. Wir sind sehr überzeugt, dass der A321 Neo LR ein tolles Flugzeug für uns ist.

Man schafft keine Lowcost-Airline, indem man die Flieger neu anmalt.

Der Langstrecken-Billigmarkt, auf dem Sie mit diesen Fliegern aufbauen, war lange von  einigen wenigen Wettbewerbern beherrscht. Nun wollen alle mitmachen. Bereitet Ihnen das Sorgen?
Es gibt Platz für alle. Und davon abgesehen, haben die Traditionsanbieter schon immer versucht, Billigairlines zu starten – fast alle versuchten es auf der Kurzstrecke. Und nicht viele hatten Erfolg. Ich mache mir da keine Sorgen. Noch dazu bauen wir aus, verbessern das Produkt, modernisieren. Was die traditionellen Fluggesellschaften machen: Sie schieben ihre alten Flieger zu den Billigtöchtern ab. Aber man schafft keine Lowcost-Airline, indem man die Flieger neu anmalt.

…wie es zum Beispiel Lufthansa oder Air France tun?
Ich muss sagen: Für die Passagiere ist es so oder so gut. Sie profitieren von Wettbewerb. Aber man braucht neue Flugzeuge, wenn man die Kosten niedrig halten will. Man kann doch nicht überall Abstriche machen, bei den Basen, die man anfliegt und dann auch noch alte Flugzeuge benutzen. Es würde mich wundern, wenn die es alle schaffen.

Also: Wer von den neuen Konkurrenten schafft es?
Es ist wichtig, eine gewisse Größe zu haben. Mit einem Dutzend Fliegern wird das kaum was. Es braucht 40, 50, moderne Flugzeuge wie den Dreamliner.

Eurowings hat weniger. IAGs neue Tochter Level startet auch mit viel weniger. Air France plant in einer ähnlichen Größe.
Da haben Sie die Antwort. Ich kann es auch so sagen: Es ist wie im Einzelhandel: Ein Eckladen überlebt im Zweifel nicht, wenn daneben der Megamarkt mit super Preisen aufmacht…

… außer der Eckladen verkauft die besten Croissants der Stadt.
Ich liebe Croissants und wäre absoluter Fan von diesem Eckladen. Aber trotzdem glaube ich, dass er es schwer hätte.

Sie reden immer von neuen Flugzeugen. Aber die sind doch auch teuer.
Wir haben lange gerechnet, bevor wir auf der Langstrecke gestartet sind. Als wir 2010 damit anfingen, war die Boeing 787 verfügbar, wir haben aber auch die 767 angeguckt und den Airbus A330. Die Boeing 767 hatte nicht die nötige Reichweite, der Airbus A330 war einfach nicht effizient genug. Überlegen Sie mal, wie viel effizienter die neuen Flieger sind. Und nicht nur der Kerosinverbrauch, auch die Wartungskosten fließen da mit ein. Ich sehe nicht, wie ältere Flieger wie der Airbus A340 oder eine Boeing 747 da für irgendwen noch Sinn machen. Man könnte sie mir schenken und ich würde sagen: Nein danke, das kann ich mir nicht leisten.

Also was soll mit den Fliegern passieren? Alle in die Wüste?
Ja, am ehesten nach Arizona. Bei uns würden sie nur Verluste verursachen.

War der Airbus A350 je ein Thema für Sie?
Der war einfach nicht verfügbar, als wir bestellen mussten.

Und jetzt sind Sie zufrieden mit dem Dreamliner?
Nachdem die Kinderkrankheiten jetzt überstanden sind – definitiv.

Bei der Boeing 737 Max haben Sie als einer der ersten Betreiber keine Sorgen, dass es zu solchen Kinderkrankheiten kommt?
Ehrlich gesagt nicht. Es würde mich überraschen. Das einzige, was sie geändert haben, ist ja eigentlich das Triebwerk.

Beim Airbus A320 Neo ging genau das aber nicht besonders reibungslos über die Bühne.
Genau, aber damit ist das Leap Triebwerk ja nun durch. Natürlich kann es immer zu Problemen kommen. Aber ich wäre überrascht. Am Ende sind es wirklich die neuen Flieger, die den Unterschied machen. Sehen Sie sich Ryanair und Easyjet an. Alle fliegen mit neuen Flugzeugen, weil sie so die Kosten niedrig halten.

Ryanair ist nicht der einzige mögliche Partner.

Sie haben einmal gesagt, Sie wollen nie so groß sein wie Ryanair.
Wir sind einfach sehr anders, haben ein ganz anderes Produkt.

Aber trotzdem wollen Sie zusammenarbeiten und Ryanair als Zubringer nutzen.
Das ist ein anderes Thema. Ryanair fliegt über 2000 Ziele an, wir rund 500. Viele der Ziele die Ryanair anfliegt, kann ich nicht einmal aussprechen. Ein Beispiel, warum das Sinn macht: Wir fliegen nach Cork. Von dort aus bietet Ryanair 18 Verbindungen an. Warum sollten wir also dort selbst noch ausbauen?

Wann wird es also so weit sein, dass ich mit Ryanair nach Cork und von dort mit Norwegian weiter in die USA fliege?
Ab diesem Sommer sollte das der Fall sein. Und Ryanair ist übrigens nicht der einzige mögliche Partner.

Wer noch?
Wir setzen auf Gatwick. Wir wollen da einen großen Zubringer haben. Und der stärkste am Platz ist Easyjet.

Also sind Sie mit Easyjet in Gesprächen?
Ja.

Reden Sie auch mit anderen?
Wir würden mit allen gerne arbeiten, die ähnliche Preise anbieten. Wenn man billig von A nach C will, macht es doch nur Sinn, dass wir uns darum kümmern, die Passagiere nicht nur an den Ort B zu bringen, sondern auch dahin, wo wir nicht hinfliegen – also an Ort C. Und wenn das ein Wettbewerber tut, ist das halt so.

Ihre Konkurrenten reden ständig von der Konsolidierung in Europas Luftfahrt. Tatsächlich gibt es ziemlich viele Fluggesellschaften, viele sind nicht sonderlich erfolgreich. Wo stehen Sie in diesem Markt: Kaufen oder gekauft werden?
Wir werden von vielen angesprochen, das passiert oft. Aber das steht gerade überhaupt nicht auf unserer To-do-List. Konsolidierung in dieser Branche ist schwierig, man sieht ja, wie viel scheitert. Ich sage nur so viel: Sollten wir uns jemals entscheiden, zu konsolidieren, dann mit einer Airline, die sehr sehr stark ist.

Zum Beispiel?
Dazu kann ich nichts sagen, weil das für uns derzeit überhaupt kein Thema ist. Wir konzentrieren uns auf den Ausbau.

Und Sie bauen rasant aus. Gibt es bald auch eine Langstreckenbasis in Deutschland?
Deutsche sind definitiv exzellente Passagiere. Sie wollen ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und das bieten wir ihnen.

Und wo in Deutschland schauen Sie? Es war einmal die Rede von Düsseldorf.
Düsseldorf ist sehr interessant, weil Ryanair dorthin fliegt. Aber das ist nicht das einzige mögliche Ausbauziel. Jetzt geht Ryanair nach Frankfurt, also gucken wir uns auch das an.

Frankfurt ist also eine Option für Sie als Langstreckenbasis?
Das ist es. Ein guter Markt! Und dann gibt es noch andere Bereiche mit riesigen Einzugsgebieten. Zum Beispiel Hamburg. Dort haben Sie zahlungskräftige Kunden und eine Region mit Millionen Passagieren. Hinzu kommt noch, dass Deutschland auch als Reiseziel interessant ist. Viele Amerikaner fliegen nach Deutschland. Und ich finde, es gibt viel zu wenige Direktflüge, die zum Beispiel die USA mit Hamburg, Hannover, Bremen verbinden. Es sind hauptsächlich die US-Anbieter, die das machen. Ich will bei dem Markt mit dabei sein.

In der Schweiz fliegen Sie bisher nur Genf an. Dabei hätte ich gedacht, dass der Markt dem norwegischen gar nicht so unähnlich ist. Warum also nicht zum Beispiel auch Zürich?
Das sehe ich auch so: Warum nicht auch Zürich?

Heißt das, Sie kommen bald dorthin?
Ich hoffe das auf jeden Fall. Aber es gibt eine Zeit für alles – auch für uns, in die Schweiz zu kommen. Bisher haben wir da vielleicht was verpasst. Immerhin ist Zürich eine tolle Stadt, ich selber mag die Schweiz auch zum Skifahren sehr. Aber gerade müssen wir uns auf andere Pläne konzentrieren..

…zum Beispiel Südamerika? Sie wollen ja in Argentinien starten.
Genau. Dort haben wir ja eine Betriebserlaubnis beantragt. Die Region ist eine der wenigen, die von Lowcost-Anbietern noch kaum erschlossen sind, Argentinien steht fast ganz ohne ein Angebot da. Daher sind wir sowohl an Inland- und Regionalflügen und auch an Langstrecke dorthin interessiert. In Chile sehe ich ähnliches Potenzial.

Internet ist ein Grundrecht.

Und wann ist es soweit?
In Argentinien wollen wir noch in diesem Jahr loslegen. In Chile arbeiten wir dran. Ich bin aber sicher, dass es eine konsequente Lowcost-Airline wie uns dort braucht.

A propos konsequent Lowcost: Sie bieten wirklich nichts extra an, setzen auf geringe operative Kosten – und bieten Ihren Passagieren dann aber Gratis-Internet, während Premiumairlines dafür Geld verlangen. Wie geht das zusammen?
Gegenfrage: Wenn Sie in einem Hotel wohnen und da fürs Internet zahlen müssen – tun Sie das?

Wahrscheinlich schon.
Aber nicht gerne, oder?

Das nicht.
Na also. Niemand will fürs Internet zahlen. Das ist ein Grundrecht, gerade für unsere Zielkunden. Auch ich hasse es, wenn man mich bittet, Geld dafür auszugeben. Bei Essen und Trinken hingegen ist das ganz anders. Auch hier geht es mit dem Hotel-Beispiel: An der Bar zahlen Sie ja auch ein paar Euro für den Cocktail oder das Bier. Und das ist auch selbstverständlich so.

Gut, das macht Sinn. Gibt es denn außer dem Internet noch etwas, das nicht fehlen darf?
Die Passagiere müssen sich sicher fühlen. Und das schaffen wir, indem wir modernste Flugzeuge fliegen und gute Crews haben.

Schon wieder die modernen Jets. Da fragt man sich: Warum machen es dann nicht alle so wie Sie und nehmen nur neue Flieger?
Da haben wir wieder den Fall mit der kritischen Größe. Natürlich werden die Flugzeuge günstiger und einfacher zu finanzieren, wenn man mehrere bestellt. Aber dazu ist nicht jeder bereit oder in der Lage, Geld auszugeben.

*Bjørn Kjos gründete Norwegian Air Shuttle 1993 mit und ist seit 2002 deren Geschäftsführer. Er transformierte die Fluggesellschaft zu einer Billigairline und brachte sie schließlich auch auf die Langstrecke. Inzwischen gibt es auch die irische Tochter Norwegian Air International. Sie kann dank einer EU-Betriebslizenz ab EU-Zielen mit dem Open-Sky-Abkommen in die USA fliegen. Kjos selbst flog während des Kalten Krieges als Kampfjetpilot für die norwegische Luftwaffe. Danach studierte er Jura und arbeitete 20 Jahre lang in dem Bereich, unter anderem auch als Richter. In seiner Freizeit genießt er es unter anderem, abseits der Pisten Tourenski zu fahren.