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Kahlschlag bei Air Baltic

Die lettische Fluglinie streicht 500 Stellen und mehrere Strecken. Zugleich beantragt sie Gläubigerschutz.

Schon am Donnerstag könnte die angeschlagene Air Baltic erste Flüge streichen. Welche, das steht derzeit noch nicht fest. Damit kommt es zu einer ähnlichen Situation wie schon am 12. und 13. September, als die Fluggesellschaft 22 Flüge ausfallen ließ – ohne Angabe von Gründen (aeroTELEGRAPH berichtete). Dieses Mal gibt es eine Erklärung: Am Mittwoch (21. September) beantragte die Fluggesellschaft beim Bezirksgericht Riga Gläubigerschutz. Air-Baltic-Chef Bertolt Flick erklärte gegenüber den Medien, das wiederholte Zögern der Regierung habe die Maßnahme nötig gemacht. «Die lettische Regierung als Mehrheitsgesellschafterin der Fluggesellschaft schob einen Entscheid über eine Kapitalerhöhungen immer wieder auf» erklärte er gemäss der Zeitung Diena.

Gläubigerschutz ermöglicht es einem Unternehmen, die Geschäfte geordnet weiterzuführen, ohne durch Forderungen der Gläubiger laufend gestört zu werden. Diese Zeit kann genutzt werden, um eine Sanierung einzuleiten. Man plane, den Flugplan aufrecht zu erhalten. Die Passagiere würden zeitnah informiert, falls es dennoch zu einer Streichung von Flügen kommen sollte, erklärte Air Baltic umgehend. Am späten Mittwochabend erklärte sich die Regierung in Riga dann aber doch noch bereit, Air Baltic mit einer Kapitalerhöhung zu unterstützen, wie Baltic Business News meldet. Voraussetzung dazu sei aber, dass sich Flick aus dem Management des Unternehmens zurückziehe. Um zu überleben, braucht Air Baltic offenbar rund 64 Millionen Lats (90 Millionen Euro/110 Millionen Franken), wie Flick selbst erklärte.

Jede zweite Stelle gefährdet

Zuvor hatte es aus Gewerkschaftskreisen geheißen, die Airline plane, 500 Stellen zu streichen. Vom Abbau betroffen seien vor allem Flugbegleiter. Begründet wurde diese Massnahme von Air Baltic damit, dass man eine Fokker 50 stilllege und Strecken aufgebe. Konkret wurden die Verantwortlichen bislang aber nicht. Die Maßnahme kommt einem Kahlschlag gleich. Die lettische Fluglinie beschäftigt insgesamt rund 1000 Menschen, 40 Prozent davon sind fliegendes Personal.

Im Kern der ganzen Posse steht ein Streit zwischen Flick und der Regierung. Der deutsche Geschäftsmann, der seit Mitte der Neunzigerjahre in Lettland lebt, sieht sich als Opfer eines Komplotts, der durch die Regierung eingefädelt sein soll. In den Medien wurden verschiedentlich Korruptionsvorwürfe laut. Die Regierung prangert die Intransparenz bei Air Baltic an. Daraufhin setzte sich Flick nach Deutschland ab. Air Baltic entstand 1995. Sie betreibt heute ab Riga eine Flotte von 36 Flugzeugen (Boeing 757-200, B737-300 und B737-500, Bombardier Dash 8Q-400 und Fokker 50). Die Letten fliegen vor allem Destinationen innerhalb des Baltikums und Skandinaviens an, bedienen aber auch einige Ziele in Europa und in der ehemaligen Sowjetunion. Seit 1999 sind Flick (47 Prozent) und der Staat (53 Prozent) die einzigen Anteilseigner.