Letzte Aktualisierung: um 13:58 Uhr

Neue Airline

Wie geht es weiter mit Azur Air?

Azur Air ist mit etlichen Schwierigkeiten gestartet. Experten sehen heikle Punkte bei der neuen deutschen Charterairline. Die hält dagegen - und kündigt Entlastung an.

Azur Air hat ein Problem: Die junge Fluggesellschaft lernt derzeit, wie schwierig es ist, eine kleine Flotte zu haben. Seit dem Betriebsstart Anfang Juli kam es immer wieder zu massiven Verspätungen. Am 21. Juli hat das Luftfahrt-Bundesamt der Fluggesellschaft zwar die Starterlaubnis für ihre zweite Boeing 767 gegeben, doch immer noch gilt: Hat eines der Flugzeuge ein technisches Problem, führt dies direkt zu Verspätungen bei allen folgenden Flügen dieser Maschine. Ersatz steht normalerweise nicht bereit, auch wenn die russische Schwester vor Kurzem Azur Air Deutschland mit einer Boeing 767 aushalf.

Professor Frank Fichert, Experte für Luftverkehr an der Hochschule Worms, hält es für nicht ungewöhnlich, dass eine neue Fluggesellschaft Startschwierigkeiten hat: «Es gibt wenige Airlines, bei denen es am Anfang problemlos läuft», so der Experte. Irgendetwas gehe immer schief. Das hat Folgen: «Es entstehen zusätzliche operative Kosten, etwa durch das Anmieten von Ersatzmaschinen oder das Einfliegen neuer Crews. Dazu kommen noch Kompensationszahlungen an Passagiere», sagt der Professor.

«Niemand verfügt über große Puffer»

Eine unmittelbare Gefahr für eine junge Fluggesellschaft sieht Fichert darin nicht unbedingt: «Ein Air Operator Certificate vom Luftfahrt-Bundesamt bekommt eine Fluggesellschaft nur mit einem Businessplan, der auch gewisse finanzielle Ressourcen für die Anfangszeit vorsieht», sagt der Wissenschaftler.

Mittelfristig könnte das anders aussehen: «Das Fluggeschäft ist sehr fixkostenintensiv und fast niemand verfügt langfristig über große finanzielle Puffer», sagt Björn Maul, Luftfahrtexperte bei der Managementberatung Oliver Wyman. «Da ist die Frage, ob jemand ein oder zwei Jahre lang Verluste ertragen kann, oder ob es vorher gegen das Eigenkapital geht.» Im Falle von Azur Air ist Rückhalt vorhanden durch die Schwester in Russland, eine niederländische Holding und den türkischen Pauschalreiseveranstalter Anex. Christoph Brützel, Ex-Top-Manager bei LTU, Luftfahrtberater und Professor für Aviation Management an der IUBH School of Business and Management in Bad Honnef, ist dennoch skeptisch, wenn er sich das Geschäftsmodell von Azur Air anschaut.

Kritik an Flotte und Strecken

Christoph Brützel, Ex-Top-Manager bei LTU, Luftfahrtberater und Professor für Aviation Management an der IUBH School of Business and Management in Bad Honnef, ist dennoch skeptisch, wenn er sich das Geschäftsmodell von Azur Air anschaut. «Eine Boeing 767 auf der Mittelstrecke einzusetzen ist unwirtschaftlich, denn das Flugzeug ist zu schwer», sagt er. Das einzige Langstreckenziel von Azur Air ist zurzeit Punta Cana in der Dominikanischen Republik.

Im Winter soll Varadero in Kuba hinzukommen. Mit Blick auf andere Verbindungen wie etwa Hurghada in Ägypten sagt der Experte: «Wenn eine Boeing 767 nur vier bis fünf Stunden fliegt, ist sie im Vergleich zu einer Boeing 737 oder einem Airbus A320 nicht wettbewerbsfähig.» Peter Wenigmann, Accountable Manager von Azur, verteidigt den Einsatz der 767 und sagt: «Auf Grund der hohen Passagierkapazität von 334 Plätzen sind die Kosten pro Sitzplatz wirtschaftlich.»

Warum der Standort Düsseldorf?

Mit Blick auf die Langstrecke kritisiert Brützel: «Dieses Jahr ist wohl der schlechteste Startzeitpunkt, um in die touristische Langstrecke einzusteigen: Air Berlin hat gerade beschlossen, sich auf die touristische Langstrecke von Düsseldorf aus zu konzentrieren. Auch Condor verdient so sein Geld, Eurowings fliegt in diesem Geschäft ab Köln/Bonn und jetzt kommt auch noch Norwegian.» Dazu kämen noch die Golf-Carrier.

Warum hat sich Azur also für diese Strecken entschieden? «Weil wir ein hohes Potenzial an Kunden sehen, was sich nach den ersten Flügen auch bestätigte», erklärt Wenigmann. Brützel hält auch die Standortwahl für unglücklich, da «Düsseldorf zu den teueren Flughäfen in Europa gehört». Außerdem sagt er: «Bei touristischen Flügen sollte ein Ladefaktor von etwa 90 Prozent erreicht werden, damit sich das rechnet.» Das müsste Azur erreichen, obwohl die Airline keinen Einzelplatzvertrieb habe, sondern nur den hauseigenen Veranstalter Anex, so der Experte.

Großes Einzuggebiet

Azur-Manager Wenigmann sieht das nicht als Nachteil, im Gegenteil: «Als Airline ist es natürlich sehr vorteilhaft einen eigenen Veranstalter zu haben. Das heißt, wir brauchen uns erstmal um den Verkauf nicht zu kümmern.» Trotzdem verkaufe Azur auch an andere Veranstalter und der Einzelplatzverkauf stehe ebenfalls auf der Agenda.

«Unsere Flugzeuge haben zurzeit eine durchschnittliche Auslastung von ungefähr 79 Prozent auf der Kurz- und Mittelstrecke und 77 Prozent auf der Langstrecke», so Wenigmann. Auf die Frage, warum Düsseldorf, antwortet er: «Weil das Einzugsgebiet sehr groß ist. 18 Millionen Menschen wohnen im Umkreis von 100 Kilometern.»

Dritte 767 in den kommenden Wochen

Unter dem Strich zieht Brützel das Fazit: «Ich bin skeptisch, ob Azur Air mit dem aktuellen Konzept lange durchhalten wird.» Bei Azur Air heißt es dagegen mit Blick auf die eigene wirtschaftliche Entwicklung: «Bisher sind wir nicht unzufrieden. Der Start war nicht wie erwartet, ist aber nicht ungewöhnlich für eine neu gegründete Airline», sagt Wenigmann. «Die Organisation einer solchen Operation ist einfach sehr umfangreich.»

Der Azur-Manager kündigt außerdem Entlastung an: «In den nächsten Wochen bekommen wir eine dritte B767-300ER dazu und dieses Flugzeug wird als reine Ersatzmaschine eingesetzt.» Zur Sommersaison 2018 werde man die Flotte weiter ausbauen und die Anzahl der Flugziele ebenfalls erweitern.