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«Passagiere könnten abwandern»

Der Streik der Flughafenarbeiter in Frankfurt schadet allen Beteiligten, meint Luftfahrtexperte Cord Schellenberg.

Das ganz große Chaos am Flughafen Frankfurt am Main konnte gerade noch abgewendet werden. Das Arbeitsgericht untersagte den Fluglotsen am Dienstagabend ihren für Mittwoch (29. Februar) geplanten sechsstündigen Solidaritäts-Streik. Dennoch fallen einige Interkontinentalflüge aus und der Ausstand der Vorfeldmitarbeiter geht weiter. Seit zwei Wochen kämpfen sie für bessere Arbeitsbedingungen – bislang ohne sichtbaren Erfolg. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg schätzt die Lage für aeroTELEGRAPH ein.

In Frankfurt wird weiter gestreikt. Das Flughafenpersonal fühlt sich lohnmäßig schlecht behandelt. Können Sie das nachvollziehen?
Cord Schellenberg: Es gehört leider inzwischen zu den Ritualen von Tarifverhandlungen im Luftverkehr, dass die Öffentlichkeit von Beobachtern zu Betroffenen wird. Ich meine, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihren Konflikt miteinander klären sollten, ohne die Fluggäste auf ihren Reisen zu behindern. Gerade ausländische Passagiere, die deutsche Flughäfen zum Umsteigen nutzen, können andere Drehscheiben nutzen, um ihr Reiseziel zu erreichen – beispielsweise Kopenhagen oder Amsterdam. Das würde den Luftverkehr in Deutschland schädigen, also auch die Arbeitnehmer.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die zerstrittenen Parteien eine nachhaltige Lösung finden – Ist in diesem Jahr eher noch mit weiteren Streiks zu rechnen?
Schellenberg: Die Fronten sind verhärtet. Das liegt auch daran, dass die Gewerkschaft der Fluglotsen GdF mit ihren Streikaktivitäten nicht erfolgreich ist. Das Krisenmanagement von Fraport und Lufthansa greift, das von den Streikenden gewollte Chaos bleibt aus. Ebenso fehlt es der Gewerkschaft an Akzeptanz in der breiten Bevölkerung. Irgendwann wird es natürlich zu erneuten Gesprächen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft kommen – je eher desto besser. Weitere Streiks in Deutschland sind möglich, sollten die Spartengewerkschaften weiterhin aggressiv auftreten.

Könnte es an anderen deutschen Großflughäfen auch zum Streik kommen?
Schellenberg: Ich möchte nicht spekulieren.

Wer leidet besonders unter dem Streik?
Schellenberg: Es leiden vor allem die Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Fraport, die die Aufgaben der Streikenden übernehmen müssen, unter den sich ständig ändernden Dienstplänen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass Fraport und Lufthansa sich intensiv untereinander abstimmen und die Arbeit gut einteilen. Außerdem steht der Fraport-Betriebsrat auf der Seite der Arbeitgeber, was den zum Dienst erscheinenden Mitarbeitern Rückendeckung gibt.

Was kostet die Arbeitsniederlegung die Fluggesellschaften?
Schellenberg: Frankfurt ist die wichtigste Drehscheibe der Lufthansa. Hier schlägt das Herz ihres weltweiten Luftverkehrsnetzes. Allerdings kann die Airline vom Streik betroffene Fluggäste innerhalb ihres umfangreichen Netzwerkes umverteilen, also einen Passagier nach New York statt über Frankfurt auch über München, Zürich oder Wien bringen. Und das ohne Zeitverlust. Passagiere von Frankfurt mit innerdeutschen Anschlussflügen müssen allerdings in einigen Fällen auf die Bahn umgebucht werden, wodurch natürlich Kosten entstehen. Außerdem können Passagiere bei Neubuchungen schleichend abwandern, also aufgrund der Streiks vorsichtshalber bei anderen Fluggesellschaften buchen. Gerade bei Geschäftsreisenden, die zumeist kurzfristig buchen und damit teurere Tickets erwerben, ist das für Fluggesellschaften schmerzhaft.

Gibt es auch Profiteure – andere Flughäfen oder Airlines?
Schellenberg: Im Großen und Ganzen gibt es bei Streiks nur Verlierer, denn vom Streik betroffene Fluggäste sind potenziell unzufrieden. Im Laufe eines Jahres gleicht sich das auch aus – das eine Mal profitiert eine Fluggesellschaft von einem Streik beim Wettbewerber, das andere Mal ist sie selbst vom Streik betroffen. Deshalb unterstützen sich die Fluggesellschaften bei Streiks unbürokratisch im Sinne der Reisenden.

Wann dürfte wieder Normalbetrieb herrschen?
Schellenberg: Für den Fall, dass die Gewerkschaft den Streik aussetzt oder beendet, wird es zwei bis vier Tage dauern, den Sonderflugplan wieder in den Normalbetrieb zu überführen. Das liegt daran, dass Flugzeugeinsätze, Flugzeugwartung und Flugbesatzungen wieder synchronisiert werden müssen.