Letzte Aktualisierung: um 11:30 Uhr

«Etihad hat offenbar zu viel Geld»

Die Übernahme der Schweizer Regionalairline Darwin durch Etihad macht Luftfahrtexperte Cord Schellenberg ratlos. Eine Strategie sei nicht erkennbar.

strong>Wie beurteilen Sie die Beteiligung von Etihad an der Schweizer Regionalfluggesellschaft Darwin?
Cord Schellenberg*: Ich bin ein wenig ratlos. Das Geheimnis dieses Geschäfts erschließt sich mir weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick. Für mich ist einfach keine Strategie erkennbar, außer dass sich Etihad wie wild an Airlines beteiligt. Und das teilweise an Gesellschaften, die man auf der Weltkarte suchen muss, etwa Air Serbia. Und Darwin ist noch eine Nummer kleiner. Die Fluggesellschaft besitzt zehn Turboprop-Maschinen vom Typ Saab 2000, Etihad fliegt mit großen Maschinen nach Europa, beispielsweise mit der Boeing 777. Und dann sollen die Passagiere mit Turboprops von Darwin weiterfliegen? Da braucht man ja acht Maschinen, um alle Passagiere aufzunehmen.

Hat das Geschäft nicht auch in irgendeiner Weise Potenzial?
Ich sehe da wenig Potenzial. Etihad hat mit Air Berlin schon einen Partner, der ganz wunderbar in Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten ist. Air Berlin kann sogar aus eigener Kraft als Zubringer nach Abu Dhabi fungieren. Die frühere Swissair ist dereinst eine ähnliche Strategie gefahren, hat sich unter anderem an LOT und Sabena beteiligt – und ist damit glorreich in die Insolvenz geschlittert. Zugegeben, die Schweiz hat kein Öl, aber vielleicht sollte das trotzdem ein Lehrstück für Etihad sein.

Sie sehen also keinen Sinn in dem Deal?
Manchmal habe ich das Gefühl, Etihad hat einfach zu viel Geld. Natürlich dürfte der Darwin-Anteil günstig gewesen sein, aber das wird keine Gelddruckmaschine.

Immerhin hat Etihad Darwin mit «Etihad Regional» ihren eigenen Namen aufgedrückt.
…was mich besonders überrascht hat. Etihad hat hart an seinem 5-Sterne-Konzept gearbeitet. In meinen Augen ist es aber nicht möglich, dieses Konzept auf den Regionalmarkt zu übertragen. Es wäre teuer und eine First Class ist dort nicht gefragt. Die Geschäftsreisenden sind einfach froh, unkompliziert von einem kleinen Flughafen zu einem großen gebracht zu werden. Und die Frage bleibt auch: Wie würde Etihad dieses Luxus-Konzept mit den Darwin-Fliegern umsetzen? Schließlich gibt es in der Saab 2000 gerade mal einen Sitz links, zwei Sitze rechts. Da bräuchte man neue Business-Class-Sitze. Und die bekommt man in einen Turboprop nicht ordentlich rein. Eine All-Economy-Bestuhlung würde das Luxus-Konzept verwässern.

Was raten Sie Etihad?
Ich finde, Etihad sollte endlich ihre Strategie öffentlich machen. Dann könnte man erkennen, ob sie einen erfolgreichen Weg einschlägt oder einfach nur dem Shoppingwahn verfallen ist. Und ob die bisherige Strategie wirklich aufgeht. Ich bin skeptisch. Meiner Meinung nach sollte Etihad erst einmal ihre Hausaufgaben bei Air Berlin erfolgreich erledigen. Da gibt es noch genügend Baustellen. Denn wenn Etihad etwas aufbauen will gegen Swiss – und somit gegen die Lufthansa – dann sollte sie mehr in ihren europäischen Partner Air Berlin investieren statt in Darwin.

Was bedeutet die Übernahme von Darwin für Air Berlin?
Air Berlin ist vermutlich genauso überrascht wie ich von der Etihad-Entscheidung und kann jetzt eigentlich nur abwarten, was passiert. Es ist ja auch nicht so, als könnte Air Berlin etwas von Darwin lernen – eher anders herum. Und es lassen sich nicht einmal Synergien generieren, etwa bei der Flugzeugwartung. Saab auf der einen, Airbus und Boeing auf der anderen. Das passt nicht nicht zusammen.

Und ist Alitalia für Etihad nun vom Tisch?
Ich finde mit ihren ganzen Airline-Beteiligungen hat Etihad schon genug Hobbies. Da ist es nicht sinnvoll, sich auch noch eine Fluggesellschaft ans Bein zu binden, die wiederholte Male knapp an der Pleite vorbeigeschrammt ist. Zudem überschneiden sich die Streckennetze von Air Berlin und Alitalia.

Könnten andere Golf-Airlines nachziehen?
Die anderen Golf-Airlines Emirates, Qatar Airways, und Oman Air fahren eine ganz andere Strategie. Zwar ist Emirates eine umfassende Kooperation mit Qantas eingegangen, Qatar Airways ist Mitglied der Oneworld Allianz, aber im Kern sind sie ausschließlich mit ihrer eigenen Marke präsent.

Machen die Golf-Konkurrenten es also besser?
Ich verstehe die Strategie, sie konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft. Bei Etihad ist das anscheinend anders. Sie setzt zwar auch auf Wachstum, kauft aber offenbar wahllos hinzu. Die Zukäufe kosten ja nicht nur Geld. Da müssen ganz neue Strukturen geschaffen werden, um alle Partner einzubinden. Und das sehe ich derzeit nicht. Daher glaube ich nicht, dass die anderen Golf-Airlines mit regionalen Zukäufen nachziehen werden.

Wie bewerten Sie die Konkurrenzsituation der neuen Etihad Regional etwa mit InterSky und auch SkyWork?
Etihad muss erst einmal zeigen, was sie überhaupt mit Darwin vorhat, dann können InterSky und Skywork, aber auch die Swiss reagieren. Bis dahin werden sie zuschauen, staunen und sich entspannen.

Könnten Sie sich weitere Beteiligungen von Etihad in Europa vorstellen?
Wer als nächstes drankommt? Keine Ahnung. Aber es gibt ja einige Airlines, die einen Investor nötig hätten. Die sollten sich mal in Abu Dhabi melden. Vielleicht sind die Ölquellen des Emirats Abu Dhabi ja unermesslich…

*Cord Schellenberg ist Luftfahrtexperte und Vizepräsident des Luftfahrt-Presseclubs.