Letzte Aktualisierung: um 12:47 Uhr

Germanwings 4U9525

«Kopilot leitete Sinkflug bewusst ein»

Der Kopilot des verunglückten Germanwings-Airbus hatte die Kontrolle über das Flugzeug, als es den Sinkflug einleitete. Die Anweisungen seines Vorgesetzten ignorierte er.

In den ersten 20 Minuten von Unglücksflug 4U9525 lief alles normal. Dann bittet der Flugkapitän den Kopiloten irgendwann, das Kommando zu übernehmen. Er verlässt das Cockpit – wohl um seinen natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, vermutet die Staatsanwaltschaft in Marseille. Die Konversation sei sehr kurz und nicht aufschlussreich gewesen. Und dann wird alles anders: «Der Kopilot hatte das Kommando über die Maschine», so Staatsanwalt Brice Robin. «Er war bei Bewusstsein und hat den Sinkflug bewusst eingeleitet.»

Dann, so berichtet er weiter, wollte der Kapitän wieder ins Cockpit. Sein erster Offizier reagierte aber nicht auf verschiedene Ansprachen. «Aber er machte Geräusche. Es ist klar, dass er bei Bewusstsein war.» Man habe ihn atmen gehört. Auch auf Ansprachen der Fluglotsen reagierte der Kopilot nicht. Einen Notruf setzte er nicht ab. Auch Funksprüche anderer Flugzeuge ignorierte er.

Sinkflug bewusst eingeleitet

Die Staatsanwaltschaft wagt sich auch schon zu ersten Schlüssen: «Die wahrscheinlichste Interpretation ist es, dass der Kopilot die Tür zur Kabine nicht öffnen wollte und den Sinkflug bewusst eingeleitet hat. Er hat den Knopf gedrückt.» Die Gründe seien selbstverständlich noch nicht klar. Aber: «Es könnte die Absicht gewesen sein, dieses Flugzeug zu zerstören.»

Jetzt dürften sich die Ermittlungen auf den Kopiloten und sein Umfeld fokussieren. Er habe die deutsche Staatsbürgerschaft, erklärt der Anwalt weiter. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass er einen terroristischen Hintergrund hat.» Mehr werde man dazu nicht sagen. Auch das Wort Selbstmord werde man nicht in den Mund nehmen. «Ich kann hier lediglich sagen, dass der Sinkflug absichtlich eingeleitet worden ist. Es ist keine merkwürdige Geschwindigkeit. Aber es gab keinen Grund.»

Kaum Schreie zu hören

Bei Selbstmord sei es eher unüblich, dass man weitere Menschen mit sich in den Tod reiße, so Robin. Allerdings gibt es durchaus einige Fälle, in welchen Piloten Maschinen zumindest absichtlich abstürzen ließen. Dazu gehört ein Flug von LAM Linhas Aéreas de Moçambique mit einer Embraer 190, der im Dezember 2013 über Nambia crashte. Auch bei Egypt-Air-Flug MS990 von 1999 oder Flug MI185 von Silk Air von 1997 gilt Freitod als wahrscheinliche Ursache.

Er sei ganz ruhig gewesen im Cockpit. «Schreie hört man erst ganz zum Schluss.» Und die stammen wohl auch vom Kapitän. «Es herrschte bis auf das Atmen und die Alarme im Cockpit absolute Stille.» Als der Kapitän bemerkte, dass es auf einen Absturz hinaus laufe, versuchte er offenbar, die Cockpittür einzutreten. Vergeblich.

«Informationen sehr spät erhalten»

Der Kopilot habe den Sinkflug nicht aus Versehen einleiten können. «Es ist ein Drehknopf», so Staatsanwalt Robin. Man habe diesen Knopf nicht aus Versehen drücken können. «Ich glaube, dass der Sinkflug absichtlich eingeleitet und die Tür absichtlich verschlossen wurde.» Es sei wie eine Landung gewesen. «Aber da ist kein Flughafen, auf dem ein Airbus A320 landen könnte.» Gleichzeitig übt Robin Kritik an den Ermittlern. «Ich habe diese Informationen sehr spät erhalten und bin daher verärgert.»