Letzte Aktualisierung: um 15:19 Uhr

«Ähnelt stark der Swissair»

Experte Andreas Knorr über die Beteiligungsstrategie von Etihad, die größten Gefahren für Emirates und die Probleme kleiner Golfairlines.

Emirates, Etihad und Qatar scheinen nicht zu stoppen. Ihre immer größere Flotten und Streckennetze setzen andere Traditionsgesellschaften zunehmend unter Druck. Doch wie lange kann das massive Wachstum noch weitergehen? Übernehmen sich die Anbieter nicht? Andreas Knorr ist Airline-Experte an der Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Im Interview mit aeroTELEGRAPH gibt er eine Einschätzung.

Viele beschweren sich, die Golfairlines hätten einen unfairen Vorteil durch billigeres Kerosin. Gibt es dafür irgendeinen Beweis?
Andreas Knorr: Nein, dafür gibt bis dato keinen Beleg. Der Treibstoff wird auch in Dubai von denselben Mineralölkonzernen zu denselben Konditionen vertrieben wie an allen anderen internationalen Großflughäfen auch. Unterschiedliche Einkaufspreise sind somit auf unterschiedlich erfolgreiches Hedging zurückzuführen.

Wie kann man sich erklären, dass einige wie Emirates extrem erfolgreich sind, andere wie Gulf oder RAK hingegen gar nicht?
Knorr: Es ist eine Kombination aus Glück und Geschick, wie so oft. Und das fehlt anderen lokalen Konkurrenten meist. Konkret heißt das: Eine effiziente Ausnutzung der geographischen Lage bei gleichzeitiger Ostverschiebung des Zentrums weltwirtschaftlicher Aktivitäten nach Asien. Dazu kommt eine günstige Lage zur Bedienung neu entstehender Verkehrsströme wie China-Afrika oder Asien-USA. Es gibt bei den guten Golfairlines außerdem ein hervorragendes internationales Management bei zugleich hervorragender politischer Unterstützung im Bereich Flughafeninfrastruktur sowie Standortmarketing. Das gilt besonders für Dubai, wodurch erhebliches Verkehrsaufkommen generiert werden konnte.

Und was sind die Probleme der kleineren Golfairlines?
Knorr: Ein massives Staats- und Managementversagen im Luftverkehrsbereich. Daneben ist auch die Infrastruktur in wichtigen Quellenländern wie Indien und Pakistan zu schlecht. Viele traditionellen Airlines aus der Region, etwa Gulf Air oder RAK, sind aber auch einfach zu klein und ihre Drehkreuze liegen viel zu nahe an Dubai (Basis Emirates), Scharjah (Air Arabia) und Abu Dhabi (Etihad), um ernsthaft in das Geschehen eingreifen zu können.

Bei der Känguru-Route sieht man bereits Veränderungen der Passagierströme. Gibt es andere Beispiele?
Knorr: Ja, zum Beispiel von Europa nach Südostasien. Lufthansa erwägt unter anderem die Einstellung der Strecke nach Bangkok. Das ist ein Zeichen dafür. Außerdem erkennt man die Verschiebungen auf den Strecken von Europa nach Südafrika, und von Europa auf den indischen Subkontinent

Emirates fliegt schon mit großen Jets in mittelgroße europäische Städte, mit dem Ziel, auch wirklich jeden Passagier zu ködern. Ist das realistisch oder übernehmen sich die Golfairlines?
Knorr: Diese Strategie stößt vor allem für Emirates beim Outgoing-Verkehr in Europa allmählich an Grenzen. Dies gilt besonders, weil Turkish Airlines eben diese Strategie kopiert, aber hier mittelfristig im Vorteil ist, da sie viele dieser kleineren Märkte effizienter mit Schmalrümpfern bedienen kann.

Qatar trat als erste grosse Golf-Airline einer Allianz bei. Blüht das mittel- bis langfristig allen von ihnen oder macht das alleine-bleiben in diesen Fällen Sinn?
Knorr: Die Allianzen verlieren mittelfristig stark an Bedeutung. Es ist erkennbar, dass etwa Star schon jetzt eine Art Zweiklassengesellschaft darstellt: Ein enger Kreis einiger Airlines um Lufthansa herum, ansonsten ein recht lockerer Verbund. Gleiches gilt für Oneworld und Skyteam. Erkennbar ist das auch daran, dass allianzintern keine Rettungsmaßnahmen für gescheiterte Airlines wie etwa Malev unternommen wurden. Oneworld wurde außerdem durch die Kooperation von Qantas mit Emirates deutlich geschwächt. Letztlich dürfte es auch Qatar durch den Allianzbeitritt nur darum gehen, zusätzliche Verkehrsrechte oder zusätzlichen Codeshare-Verkehr zu generieren – auch zu Lasten der übrigen Oneworldmitglieder.

Etihad setzt bisher auf den Zukauf von Beteiligungen. Besteht da nicht die Gefahr eines Risikoportefeuilles?
Knorr: Etihads zum Teil fragwürdige Beteiligungsstrategie ähnelt stark der gescheiterten Hunterstrategie von Swissair. Denn es sind ja kaum Topadressen dabei.

Wie autonom sind die Golf-Airlines überhaupt, werden sie auch für politisch-strategische Ziele benutzt?
Knorr: Der Staatseinfluss ist hoch – was aber nichts ungewöhnliches ist, wenn man sich einmal die Geschichte aller europäischen Gesellschaften genauer ansieht. Von denen würde keine ohne massive, von der EU in der Regel genehmigte Subventionen, noch existieren. Insbesondere sind das British Airways, Air France, aber auch die Lufthansa. Die deutsche Airline hätte ab Mitte der 50er-Jahre ohne staatliche Protektion bei den Verkehrsrechten keine Chance gehabt, zur heutigen Größe aufzusteigen. Der daraus resultierende Wettbewerbsvorteil beruht vor allem darin, dass die erforderlichen Infrastruktur von den Trägerstaaten geschaffen wird, wie es ja auch in der Türkei zugunsten von Turkish geschah.

Wie beurteilen Sie den politischen Einfluss?
Knorr: Letzlich ist das Standortpolitik in dem Sinne, dass all diese Staaten versuchen, wirtschaftlich tragfähige Strukturen für die Zeit nach dem Öl- und Gaszeitalter zu schaffen. Man wird sehen, inwieweit das gelingen wird. Aber exogene Faktoren wie der weltwirtschaftliche Strukturwandel, stark wachsende Luftverkehrsmärkte in der Region und im weiteren Einzugsbereich der Golfairlines bei gleichzeitiger Sättigung in Europa und den USA begünstigen diese Politik erheblich.