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Kay Kratky im Interview

«Austrian Airlines ist bis zu 30 Prozent günstiger»

Austrian-Airlines-Chef Kay Kratky über Kostenvorteile in Österreich, Ziele in Afrika, A350, 777X und C-Series sowie Kooperation und Konkurrenz im Lufthansa-Verbund.

Austrian Airlines schaltet nach der erfolgreichen Sanierung wieder in den Vorwärtsgang. Sie planen in den nächsten Monaten einen weiteren Ausbau der Langstrecke. Warum?
Kay Kratky: Austrian Airlines hat sich in den vergangenen Jahren eine überaus wettbewerbsfähige Kostenstruktur erarbeitet. Das ist eine sehr gute Basis für den weiteren Ausbau.

Warum glauben Sie, dass Sie sich gegen US- und auch bereits etablierte andere europäische Anbieter durchsetzen können? Eurowings etwa musste sich ja gerade erst aus Boston zurück ziehen.
Austrian fliegt seit den späten Sechzigerjahren in die USA und hat in den vergangenen Jahren neben Chicago und Newark auch Miami erfolgreich ins Streckennetz aufgenommen. Die Westküste ist mit Los Angeles zugegebenerweise eine neue Dimension, aber wir glauben daran. Das Joint Venture mit United Airlines hilft uns dabei, auch in den USA vertriebsstark zu sein.

In Asien kann AUA dagegen noch deutlich zulegen, ebenso in Afrika. Welche Märkte interessieren Sie da besonders?
Das ist völlig richtig! Deshalb haben wir heuer mit Shanghai und Hongkong zwei neue Flugziele in China aufgenommen. Die Strecken sind gut angelaufen. Afrika könnte für den Leisure-Verkehr im Winter durchaus interessant für uns sein. Hier gibt es in Österreich ein gutes Aufkommen. Wir fliegen ein ähnliches Modell mit den Malediven, Sri Lanka oder den Seychellen.

Sie haben auch schon erwähnt, dass es Langstrecken gibt, die nicht rentabel genug sind. Welche stehen da auf dem Prüfstand und wann wird entschieden?
Nach Dubai und Delhi haben wir im September die Verbindung Wien-Tokio eingestellt. Das war sehr schmerzhaft, weil Austrian fast 30 Jahre dort hingeflogen ist. Doch wir wollten nach dem Yen-Verfall die Verluste nicht mehr hinnehmen. Damit ist das Langstreckenportfolio bereinigt. Das ist aber keine Aussage für die Ewigkeit und hängt immer stark vom aktuellen Marktumfeld ab.

Innerhalb der Lufthansa-Gruppe gibt es zunehmend eine Spezialisierung. So werden Afrika-Flüge vermehrt via Brüssel geführt, da Brussels Airlines auf dem Kontinent sehr stark ist. Wo wollen Sie da AUA positionieren?
Austrian Airlines hat ihre Tradition in Mittel- und Osteuropa. Von 130 Zielen geht ein Drittel nach Osteuropa. Auch im Nahen Osten hat Austrian Airlines einen guten Namen.

Ganz ehrlich: Wie sehr stehen die Töchter der Gruppe in Konkurrenz zueinander?
Ganz ehrlich zurück: Natürlich stehen wir auch in einem internen Wettbewerb. Es geht aber nicht darum, ob wir uns einander den einen oder anderen Passagier wegnehmen. Solange wir auf einzelnen Strecken Marktanteile von 5, 10 oder maximal 15 Prozent haben, heißt es, dass 85 Prozent des Marktes jemandem anderen gehören. Diese müssen wir ins Visier nehmen, und das machen wir – auch aus Wien.

Sie strichen in den letzten Wochen wiederholt die tiefe Kostenbasis in Österreich als Pluspunkt im Konzern hervor. Könnten auch deshalb vermehrt Langstreckenflüge innerhalb des Konzerns via Wien geführt werden?
Wir schauen uns im Konzern vor allem das Lokalaufkommen an. Wenn wir Potenzial sehen, dann werden wir aus Wien auch mehr Langstrecke fliegen.

Wie viel billiger kann denn AUA etwa im Vergleich zu Lufthansa produzieren, wie viel billiger im Vergleich zu Swiss?
Wir sind im Konzern sicherlich der Benchmark und je nach Vergleich etwa 20 bis 30 Prozent günstiger. Auf der anderen Seite hat Swiss einen viel höherwertigen Markt und fast acht Mal so viel Gewinn im Vergleich zu Austrian. Die Drehkreuze und Marken lassen sich eben nicht so ohne weiteres miteinander vergleichen. Man muss alle Faktoren einbeziehen. Zum Beispiel die Schoggi an Bord von Swiss – die ist ebenso Benchmark im Konzern.

Was ist denn der wichtigste Faktor, damit Österreich billiger ist als Deutschland?
Die Kollektivverträge.

Ein Ausbau auf der Langstrecke erfordert mehr Kapazität. Die zusätzliche Boeing 777, die sie sich anschaffen, reicht da nicht. Wie viel größer wird die AUA-Langstreckenflotte in fünf Jahren sein als die heute elf, bald zwölf Flieger?
Wir müssen jetzt zunächst die Profitabilität der AUA erhöhen und werden auf diese Frage vielleicht noch vor 2017 einen Vorschlag ausgearbeitet haben. Dieser Vorschlag hängt freilich auch von den Rahmenbedingungen – Stichwort Standortkosten – ab.

2020 wollen Sie auf neue Flugzeuge wechseln. Gibt es im Vorstand unter den möglichen Nachfolgern für die Boeing 767 und 777 schon einen Favoriten?
Nein, wie gesagt die Diskussion steht noch an.

Lufthansa hat Orders für Boeing 777-9X und Airbus A350-900 offen. Sind das die Optionen, die auch AUA offen stehen oder gibt es noch andere?
Wenn es um eine neue Generation gehen soll, sind das die Optionen, richtig. Wir werden aber auch alle anderen Varianten analysieren.

Wäre es auch denkbar, dass Austrian Airlines Flieger von Lufthansa oder Swiss übernimmt, statt ganz neue Jets zu kaufen?
Ja, ich schließe nichts aus. Wir haben ein Flottenmanagement, das über die fünf Hubs in Europa das richtige Fluggerät einsetzt.

Mehr Langstrecke erfordert auch mehr Zubringerverkehr aus Europa. Schaffen Sie sich darum die beiden A320 an und mieten sie die 5 A320 von Air Berlin?
Die zwei A320 sind eigentlich eine Verlagerung von Lufthansa zur Austrian. Wir übernehmen Strecken im deutsch-österreichischen Nachbarschaftsverkehr. In der Gruppe bedeuten diese beiden Flugzeuge kein Wachstum. Und auch die Flugzeuge von Air Berlin sind Teil einer Konsolidierung. Aber innerhalb dieser Konsolidierung wird Austrian Airlines eine aktive Rolle spielen können. Und das ist natürlich erfreulich für uns.

Auch in der Europaflotte gibt es einmal Ersatzbedarf. Wäre die Bombardier C-Series eine Option?
Sowohl die C-Series, als auch die A320 Neo werden von Lufthansa als Erstkunde betrieben. Damit setzen wir in unserem Flottenerneuerungsprogramm im Konzern Maßstäbe, was Effizienz, geringer Verbrauch und weniger Lärmemission betrifft.

Wäre auch ein Middle-of-the-Market-Jet wie der A321 Neo LR interessant für AUA? Sie können weiter entfernt liegende Ziele erreichen ohne gleich 300 Passagiere zu haben.
Warum nicht! Wir schauen uns alles an.

Sie haben in den letzten Jahren auch das Wet-Lease-Geschäft ausgebaut. Halten Sie daran fest oder brauchen Sie die Flieger zunehmend selber?
Wir haben derzeit 4 Dash 8-400 für Swiss im Einsatz. Ich schließe nicht aus, dass wir dieses Standbein ausbauen. Derzeit konzentrieren wir uns aber lieber auf den Ausbau des eigenen Geschäfts unter rot-weiß-roter Flagge. Wir sehen hier Nachholbedarf.

Und der Vertrag mit der Swiss, wird der verlängert? Es soll ja nicht immer beste Stimmung geherrscht haben, was die Zuverlässigkeit betrifft. Zudem stellt Swiss Strecken ein.
Mit Familienmitgliedern diskutiert man doch immer wieder einmal, aber im Grunde genommen pflegen wir zu unserer Schwester eine ausgesprochen professionelle und kollegiale Beziehung. Wir streben beide die beste Lösung für den Konzern an.

Austrian Airlines investiert in den kommenden Monaten auch in eine Premium Economy und in Wifi auf der Europaflotte, um den Service zu verbessern. Wo sehen Sie nun noch Verbesserungspotenzial?
Wir wollen unsere Produkte besser auffächern können und sie auch besser verkaufen können. Deshalb investieren wir derzeit stark in Innovationen und den Ausbau des digitalen Vertriebs.

Sind auch die einst vorgestellten neuen Uniformen wieder ein Thema, deren Einführung Sie auf Eis gelegt haben?
Wir hatten 2015 und auch 2016 wahrlich andere Prioritäten zu setzen und haben uns daher entschlossen die bestehenden Uniformen nur leicht anzupassen. Die Damen haben zum Beispiel neue Schuhe erhalten und wir haben die Schnitte modernisiert.

Austrian Airlines macht wieder Gewinn. Was war denn der wichtigste Faktor, um von den roten in die schwarzen Zahlen zu kommen?
Die Erkenntnis, dass wir uns und unseren Stakeholdern nichts mehr vormachen können. In diesem Moment haben alle mitgeholfen, die Austrian wieder hochzubringen. Den größten Anteil hatten die Mitarbeiter. Die Austrianer sind sehr motiviert, wenn es um ihre Airline geht. Ich habe einen hohen Respekt davor!

Und warum sind Sie zuversichtlich, dass das so bleiben wird?
Freilich kann ich nicht garantieren, dass es so bleibt, denn wir sind immer noch sehr volatil und den Marktkräften stärker ausgesetzt als andere. Turbulenzen kann und wird es immer geben. Die Motivation der Mannschaft macht mich aber sehr zuversichtlich, dass wir auch starke Seitenwinde gut aushalten werden.

Kay Kratky (58) wuchs in Frankfurt auf und studierte Maschinenbau. Er begann seine Karriere bei Lufthansa als Pilot und flog zuletzt auf der Boeing 747. Danach stieg er stetig die Karriereleiter hoch, bis er im August 2015 Chef von Austrian Airlines wurde.