Letzte Aktualisierung: um 15:20 Uhr

777X: Boeing in der Zwickmühle

Wo wird die neue 777X gebaut? Boeing muss zwischen zwei Standorten mit eigenen Vorteilen wählen. Das ist keine einfache Sache.

Bislang gibt es keine offizielle Stellungnahme von Boeing. Aber ein Insider erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Gespräche zwischen dem Flugzeugbauer und den Gewerkschaften «in der Endphase, aber noch nicht beendet» seien. Die neue 777X werde am Boeing-Standort Everett bei Seattle zusammengebaut – und doch nicht in North Charleston im Bundesstaat South Carolina.

Eigentlich will Boeing viele seiner Aktivitäten aus dem Großraum Seattle auslagern. So wurde bereits das Konzernhauptquartier nach Chicago verlagert und in Charleston eine zweite Endmontagelinie für den Dreamliner aufgebaut. Ausschlaggebend dürfte dabei auch die sehr starke Rolle der Gewerkschaften am traditionellen Standort in Seattle sein. Deren Mitglieder erstritten sich in der Vergangenheit auch durch Streiks relativ hohe Gehälter. In South Carolina hingegen gibt es keinen Gewerkschaften, die Montage der 777X könnte also billiger werden.

Kampf der Standorte

Allerdings hat Everett logistische Vorteile, die gerade beim Großraumflieger 777X zum Tragen kommen. Die Rumpfteile der derzeitigen 777 kommen jede Woche aus Japan. Dafür wurde im Hafen von Everett ein extra Terminal und Schienen zur Montagehalle gebaut. In North Charleston gibt es nichts Vergleichbares. Die Boeing-Fabrik liegt vier Meilen vom Hafen entfernt. Zwar gibt es eine Schienenanbindung. Für die gigantischen Bestandteile der 777X müsste aber der sonstige Verkehr auf der Strecke regelmäßig unterbrochen werden.

Und dann ist da die geografische Lage: Everett liegt an der Westküste und ist damit gut für Schiffe aus Japan erreichbar, die die Rumpfteile liefern. Nach North Charleston müssten sie hingegen erst durch den Panama-Kanal und dann noch die Ostküste hochfahren.

Boeing unter Zeitdruck

Entscheidend dürfte auch sein, wo die Tragflächen der 777X gebaut werden. Dafür bietet sich die Gegend um den Puget Sound bei Everett an. Luftfahrtexperte Richard Aboulafia von der Teal Group ist sich sicher, dass Boeing sich für Everett entscheiden wird. «Puget Sound hat eine fantastische Geografie und die nötige Erfahrung, das dürfte eine todsichere Sache sein.»

Boeing steht unter Zeitdruck. Die drei Jahre Verzögerung bei der Auslieferung des Dreamliners haben den Ruf des Flugzeugbauers erheblich beschädigt. «Die Airlines werden Druck machen, sie wollen ihre Jets pünktlich», glaubt Experte Aboulafia. Die 777X steht derzeit hoch im Kurs der Airlines. Vergangenen Woche wurde bekannt, dass möglicherweise mehr als 255 Flieger des Typs bestellt werden könnten. Allein Emirates überlege, 100 bis 150 Jets zu ordern.