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«Zu spät, zu klein, zu teuer»

BER-Debakel: Ein Flughafenplaner erklärt, wo die Fehler und Kernprobleme beim Bau des Flughafens Berlin Brandenburg liegen.

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Er sollte der Stolz der Hauptstadt sein, nun steht der Flughafen Berlin Brandenburg nur noch für Fehlplanung. Für die Verantwortlichen geht es jetzt um Schadenbegrenzung – was Image, Finanzen, Langzeitfolgen angeht. Berlin Brandenburg sollte eigentlich schon diesen Sonntag (3. Juni) eröffnen. Doch nun verzögert sich der Start. Fluggesellschaften, Politik, Passagiere sind verärgert – und einige Branchenexperten zweifeln auch am neue Startdatum, dem 17. März 2013. So auch Dieter Faulenbach da Costa. Der Flughafenplaner war am Bau von Dutzenden Terminals weltweit beteiligt und erklärt im Interview mit aeroTELEGRAPH, wo er die größten Probleme beim Bau von Berlin Brandenburg oder den Flughafen mit dem IATA-Code BER sieht.

Kurz nach der Bekanntgabe des neuen Eröffnungstermins für den Flughafen Berlin-Brandenburg gibt es schon wieder Zweifel daran. Ist der neue Eröffnungstermin im März 2013 realistisch?
Dieter Faulenbach da Costa: Wenn der zuständige Verantwortliche im Vorstand gefeuert wird und dazu auch noch die Projektsteuerung, kann davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Monaten kein wesentlicher Projektfortschritt erzielt wird. Ein neuer Verantwortlicher und eine neue Projektsteuerung müssen gefunden werden und sich einarbeiten. Drei bis vier Monate Verzug sind dafür vorsichtig angesetzt. Zur Fertigstellung aller Teile nehme ich weiter drei Monate an. Das ergibt Mai 2012 plus sieben Monate. Ab Januar steht ein fertiges Terminal für den Probebetrieb und die Bauabnahme zur Verfügung. Sechs Monate sind dafür nicht zu lang angesetzt. Dann macht es Sinn den Flugbetrieb mit dem Winterflugplan 2013/2014 aufzunehmen. Alles andere ist verwegen.

Bis dahin soll vor allem Tegel den Verkehr weiter bewältigen. Dort sind aber die Platzverhältnisse sehr eng. Erwarten Sie in der Hochsaison im Sommer Probleme?
Faulenbach da Costa: Es gibt noch ausreichend Platz am Standort Schönefeld. Flüge, die nicht in Tegel abgefertigt werden können, können nach Schönefeld ausweichen. So, wie den Anwohnern in Tegel mehr Verkehr, möglicherweise auch zusätzlicher Nachtflugbetrieb zugemutet wird, kann auch den Fluggesellschaften zugemutet werden, Nachteile in Kauf zu nehmen.

Die Anwohner wehren sich aber gegen die zusätzlichen Nachtflüge, die nötig werden.
Faulenbach da Costa: Es gibt es keinen Grund, die Nachtflugregelungen des Flughafens Tegel aufzuweichen. Es bestehen im Flughafensystem Tegel/Schönefeld ausreichende Ausweichmöglichkeiten.

Offiziell wird die Terminverschiebung mit Problemen beim Brandschutz begründet. Stimmt das – oder geht es im Kern um etwas ganz anderes?
Faulenbach da Costa: Der Brandschutz ist das optimale Argument von anderen gravierenderen Fehlern abzulenken. Der Flughafen ist zu spät, zu klein, zu teuer und zu allem Unglück auch noch am falschen Standort. Am falschen Standort, weil er dem Flughafen keine Perspektiven über die Planfeststellung hinaus bieten kann.

Eigentlich sollten das Dinge sein, die man in einer Planung berücksichtigt. Was lief schief?
Faulenbach da Costa: Terminal – also Check-in, Staulängen vor der Sicherheitskontrolle und Gepäckausgabe, Flugbetriebsflächen, etc. – sind zu klein geplant und gebaut. Da gibt es bei der Inbetriebnahme keine Kapazitätsreserven. Das gebaute System wird verspätungsanfällig sein. Die Abfertigung wird nur mit erheblichen zeitlichen Vorläufen – statt einer Stunde vor Abflug, zwei Stunden vor Abflug, etc. – organisierbar sein. Da kamen Missmanagement und fehlende Funktionsplanung zusammen. Man baute ein «schönes und modernes» Terminal, vergaß darüber aber die Funktion. Ein Passagierterminal ist keine Kathedrale des 21. Jahrhunderts, sondern ein Verkehrsbauwerk bei dem es zuerst auf die Funktionalität ankommt.

Wo liegen denn die gravierendsten Planungsfehler und wer ist dafür verantwortlich?
Faulenbach da Costa: Die Planung fußt offensichtlich auf Vorentwürfen aus dem Jahr 1998. Die für diese Planung maßgeblichen Verkehrszahlen wurden offensichtlich weder überprüft noch der realen Entwicklung angepasst. So soll nun ein Terminal des Jahres 2005/2006 mit einer prognostizierten Kapazität des Jahres 2015 erst 2013 in Betrieb genommen werden. Das ist ein offensichtliches Missmanagement. Verantwortlich dafür Auftraggeber und Projektsteuerer. Man sollte doch davon ausgehen, dass beim Flughafen die Fachkompetenz vorhanden ist, Entwicklungen zu beurteilen und die Konsequenzen für die Infrastruktur daraus zu ziehen. Offensichtlich wurde aber nach dem Prinzip gehandelt: Es darf nicht teurer werden und zeitgerecht muss das Projekt auch fertig gestellt werden. Da war dann offensichtlich keine Zeit für Reflexion und kritische Distanz. Dieser Impuls wurde dann auch nach unten weiter gegeben.

27 Millionen Passagiere soll Berlin Brandenburg aufnehmen. In Berlin verzeichnete man schon im vergangenen Jahr 24 Millionen. Pro Jahr kommt etwa eine Million hinzu – Brandenburg dürfte schon bald nicht mehr groß genug sein. Warum plante man nicht gleich einen größeren Flughafen?
Faulenbach da Costa: Eine berechtigte Frage. Man wird mit dem Tag der Eröffnung Terminal und Flugbetriebsflächen sofort erweitern müssen, also im Bestand bauen. Das wird teuer und behindert den Verkehr. Weiter kann der mit dem Single-Flughafen erhoffte Wachstumsschub nicht stattfinden. Es fehlt für diese Nachfrage die Kapazität am Boden. Üblicherweise wird zehn Jahre vor dem Bedarf her gebaut. In Berlin sind dies bestenfalls noch zwei Jahre, wahrscheinlich wurde sogar hinter der Kapazität hergebaut. Unsinnige Annahmen zum Passagierverhalten taten ein Übriges.

Wie konnte es denn überhaupt so weit kommen und was sollte man aus dem Berliner Flughafen-Desaster lernen?
Faulenbach da Costa: Der Unsinn begann mit dem «Konsensbeschluss» 1996. Da drückte Bundesverkehrsminister Wissmann den völlig ungeeigneten Standort Schönefeld durch. Das ging weiter mit der Entscheidung unter dem Terminal einen Bahnhof zu bauen, obwohl ein funktionsfähiger Bahnhof gleich nebenan – näher als er heute in Frankfurt ist – lag und liegt. Die fehlgeschlagene Privatisierung verzögerte weiter. Dann kam eine Planfeststellung unter Zeitdruck zustande. Die Aufhebung der Bauvergabe an einen Generalunternehmer, die Neuausschreibung und Einzelvergabe, ohne jedoch die eingetretenen Verzögerungen in der Planung zu berücksichtigen. Es braucht weniger Hybris, mehr Teamwork und Einbeziehung von Fach- und Funktionsplanern.