Letzte Aktualisierung: um 18:21 Uhr

«Air Berlin ist in der Mitte gefangen»

[image1]Luftfahrt-Experte Andrew Charlton erklärt, weshalb Air Berlin Geld braucht und warum Etihad gerne mehr investieren würde. Und er sagt, was dabei die Probleme sind.

strong>Air Berlin erklärte letzte Woche, man verhandle mit Partnern über eine Kapitalerhöhung. Wie schlimm steht es denn um die Fluggesellschaft?
Andrew Charlton: Coco Chanel sagte einmal, man könne nie genug Schuhe oder Handtaschen besitzen. Genauso ist es bei Fluggesellschaften mit dem Kapital. Soweit ich das überblicken kann, braucht Air Berlin sehr viel frisches Kapital. Und um das zu bekommen, muss das Unternehmen auf die Anliegen der Investoren eingehen. Branchenfremde werden wohl kaum bereit sein, Geld zu investieren. Also muss Air Berlin wohl den bestehenden Anteilseignern Synergien anbieten können.

Was ist denn das Problem von Air Berlin?
Air Berlin ist in der Mitte gefangen. Die Fluglinie wird von beiden Seiten in die Mangel genommen. Auf der einen steht Lufthansa mit einem besseren Streckennetz und einem überlegenen Vielfliegerprogramm. Das ist für Businessreisende attraktiv. Auf der anderen stehen Ryanair und Easyjet, die preislich attraktiv sein können und Druck auf die Margen machen.

Gibt es denn wirklich Platz für zwei Fluggesellschaften in Deutschland?
Deutschland ist ein großer Markt. Daher gibt es sicherlich Platz für zwei Fluggesellschaften. Mit Lufthansa, Air Berlin, Easyjet und Ryanair gibt es aber vier Anbieter, die um die Gunst der Kunden buhlen. Dazu kommt, dass Deutschland ein reifer Markt ist. Die Lowcost-Anbieter bedienen nicht ein neues Segment von Menschen, die erstmals reisen, weil es nun billiger ist. Sie kämpfen um die gleichen Menschen. Und letztlich kommen die Golfairlines hinzu, welche Reisende über ihre Drehkreuze nach Asien und Afrika zu lenken versuchen. Der Markt ist knallhart.

Wird denn Etihad wirklich noch mehr Geld in Air Berlin investieren wollen?
Das kommt darauf an, was Air Berlin zu bieten hat. Und es hängt von den Kartellbehörden ab. In Serbien und der Schweiz konnte Etihad mit Air Serbia und Darwin faktisch die Kontrolle über lokale Fluglinien übernehmen. In der EU wird das kaum möglich sein. Die Lufthansa hat da sicher ein Auge drauf. Und die deutsche Regierung muss keine Kompromisse eingehen, um die Luftfahrt zu retten. Beide werden sich also wehren. Und die EU-Kommission ist auch restriktiv.

Wenn es möglich wäre, würde aber Etihad mehr Anteile kaufen?
Keine Zweifel, Etihad würde gerne mehr investieren. Air Berlin passt bestens in die Strategie, bei der es einerseits um Synergien geht. Noch wichtiger ist es andererseits, dass Passagiere von kleineren Städten auf das Etihad-Langstreckennetz gelenkt werden. Und da ist Air Berlin gut geeignet. Berlin ist selbst eine große Stadt und Deutschland liegt mitten in Europa.

Könnte es dennoch sein, dass Etihad Nein sagt? Was würde dann passieren?
Wie gesagt – alles hängt von den Konditionen ab. Wenn der Preis nicht stimmt, sagt Etihad Nein. Das wären dann sehr schlechte Nachrichten für Air Berlin.

Gerüchte besagen, dass Etihad bei Alitalia einsteigt und dann die italienische Nationalairline mit Air Berlin zusammenlegt. Würde das Sinn machen?
Wenn das wahr ist, wir es zum Alptraum der Europäischen Kommission. Bis jetzt scheint ihre magische Zahl drei zu sein – drei große Netzwerkanbieter und drei Billigairlines. Durch die Zusammenlegung würde nun ein vierter großer Mitspieler entstehen. Allerdings könnte eine vereinigte Air Berlin/Alitalia auch näher zu Air France-KLM rücken. Das ist nicht so unwahrscheinlich, wie es klingen mag. Etihad und Air France-KLM teilen sich schon jetzt den Markt auf. Etihad übernimmt alles östlich des Suezkanals. Das Szenario könnte also in die bisherige Strategie passen. Doch die Europäische Kommission würde dem wohl am Ende doch einen Riegel vorschieben.

Etihad kauft laufend weitere Fluglinien zu. Kürzlich stieg die Golfairline bei der Schweizer Darwin Airline ein und startete Etihad Regional. Macht das Sinn?
Ich sehe durchaus eine Logik dahinter, ja. Lokales Angebot ist langfristig wichtiger als lokale Eigentümerschaft. Etihad macht da in meinen Augen einen cleveren Schachzug. Bis sich das langfristig auszahlt, bringen sie durch die diversen Zubringer schon mal zusätzliche Passagiere auf ihr Langstrecken-Netz.

Die Swiss ist nicht glücklich. Muss die Fluggesellschaft Etihad Regional wirklich fürchten?
Oh ja. Das wird ein ernsthafter Konkurrent für die Swiss. Sie wird unter Druck kommen, vor allem wenn Air Berlin und Etihad noch stärker werden. Bislang haben Billiganbieter, allen voran Easyjet, die großen Konkurrenten vom Schweizer Markt ferngehalten. Die Tage der Kontrolle des Marktes durch die Swiss könnten sich nun dem Ende zuneigen.

Etihads Beteiligungen sind wirklich sehr heteogen. Macht das Sinn?
Damit der Plan aufgeht, braucht es drei Dinge, die keine europäische Fluglinie hat. Erstens braucht man ein Drehkreuz im Zentrum der künftigen Luftverkehrs-Hauptachse von West nach Ost, das man mit modernen und effizienten Flugzeugen bedienen kann. Zweitens braucht es eine Politik, welche die Interessen der Luftfahrt vertritt und nötigenfalls auch einen neuen Flughafen bauen lässt. Drittens braucht es einen Investor mit unendlichen finanziellen Ressourcen. Das hat Etihad alles.

Wo wird denn Etihad im Vergleich zu Emirates, Lufthansa oder British Airways in zehn Jahren stehen?
Auf Augenhöhe mit den anderen großen Anbietern. Wir stehen vor einer interessanten Phase.

[image2]* Andrew Charlton arbeitete für Qantas, den internationalen Luftfahrtverband Iata und den Luftfahrt-Kommunikationsanbieter Sita bevor er das Beratungsunternehmen Aviation Advocacy gründete. Er berät heute Unternehmen und Organisationen im Bereich der politischen Entwicklungen in der Luftfahrt.